Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Wer kündigt, muss aufs AGG aufpassen

03.01.2009
Verletzt eine Kündigung das Diskriminierungsverbot, kann sie sozialwidrig und damit unwirksam sein.

In seiner Grundsatzentscheidung stellt das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil v. 6.11.2008, 2 AZR 701/07) klar, dass die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im Rahmen des Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz Anwendung finden.

Sozialpunkte dürfen nach Alter vergeben werden

In dem zur Entscheidung vorliegenden Fall hatte das beklagte Unternehmen wegen mangelnder Auslastung knapp über 600 betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen. Insgesamt beschäftigte das Unternehmen mehr als 5.000 Mitarbeiter. Mit dem Betriebsrat wurde ein Interessenausgleich vereinbart, in dem auch der klagende Arbeitnehmer namentlich genannt war. Die Sozialauswahl erfolgte nach einer Punktetabelle, die Sozialpunkte u. a. für das Lebensalter vorsah. Die Auswahl erfolgte jedoch nicht unter allen vergleichbaren Arbeitnehmern, sondern proportional nach Altersgruppen. In fünf Gruppen wurden jeweils zehn Geburtsjahrgänge zusammengefasst (bis zum 25. Lebensjahr, 25 bis 35 usw.). Die Sozialauswahl erfolgte dann nur innerhalb der jeweiligen Altersgruppe.

Der klagende Arbeitnehmer war im Zeitpunkt der Kündigung 51 Jahre alt und seit 1974 als Karosseriefacharbeiter beschäftigt. Vor Gericht machte er u. a. geltend, die betriebsbedingte Kündigung verstoße gegen das Verbot der Altersdiskriminierung nach AGG.

Kündigungsschutz greift nicht

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wies die Kündigungsschutzklage ab und bestätigte damit die Entscheidung der Vorinstanz. In ihrer Grundsatzentscheidung stellten die BAG-Richter dabei klar, dass die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (§§ 1-10 AGG) im Rahmen des Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz Anwendung finden.

Eine Kündigung, die ein Diskriminierungsverbot verletzt, kann daher gemäß § 1 KSchG sozialwidrig und damit unwirksam sein. Jedoch steht das Verbot der Altersdiskriminierung (§§ 1, 10 AGG) der Berücksichtigung des Lebensalters im Rahmen der Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG) nicht entgegen. Auch die Bildung von Altersgruppen bei der Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG) ist mit dem AGG im Ergebnis vereinbar.

In der Zuteilung von Sozialpunkten nach Lebensalter und in der Altersgruppenbildung liegt zwar eine an das Alter anknüpfende unterschiedliche Behandlung (Altersdiskriminierung). Diese ist jedoch nach § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt. Nach dieser Ausnahmevorschrift ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie sowohl objektiv als auch angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist.

Die Zuteilung von Alterspunkten führt insgesamt nicht zu einer Überbewertung des Lebensalters bei der Sozialauswahl, da indirekt die Chancen auf dem Arbeitsmarkt und nicht das Alter bewertet würden. Die Bildung von Altersgruppen wirkt der Überalterung des Betriebs entgegen und relativiert damit zugleich die Bevorzugung älterer Arbeitnehmer.

Damit hat das BAG die umstrittene Frage geklärt, ob Kündigungen außer am Kündigungsschutzgesetz zusätzlich auch am AGG zu messen sind. Das AGG selbst erklärt sich nach § 2 Abs. 4 AGG für unwendbar: "Für Kündigungen gelten ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz." Dennoch wendet das BAG die Diskriminierungsverbote des AGG nunmehr auf Kündigungen an.

Quelle: www.haufe.de/personal