Variable Vergütung

Wer muss bei Zielvereinbarungen was beweisen?

16.05.2013
Eine vertragliche Regelung, die die Bemessung der variablen Vergütung davon abhängig macht, dass der Arbeitnehmer weiter für das Unternehmen tätig ist, stellt eine unangemessene Benachteiligung dar und ist unwirksam.
Variable Gehaltsbestandteile können im Ermessen des Arbeitgebers liegen.
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Eine vertragliche Regelung, die die Bemessung der variablen Vergütung davon abhängig macht, dass der Arbeitnehmer auch im Folgejahr weiter für das Unternehmen tätig ist, stellt eine unangemessene Benachteiligung dar und ist unwirksam. Darauf weist die Berliner Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Alexandra Henkel, MM, Leiterin des Fachausschusses "Tarifvertragsrecht" des VDAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, hin (BAG-Urteil vom 14.11.2012, Az. 10 AZR 783/11).

Im vorliegenden Fall errechnete sich das Gehalt aus 60% Festbezügen und einer variablen Vergütung (Tantieme) von 40% der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens. Die jeweiligen Gesamtbezüge bzw. Zieleinkommen und die konkrete Höhe des variablen Teils werden seitens des Arbeitgebers grundsätzlich jährlich für ein Geschäftsjahr (1. Juli des Jahres - 30. Juni des Folgejahres) neu festgelegt.

Der Arbeitgeber muss sich bei der Ermessensausübung an bestimmten festgelegten Kriterien orientieren (Inhalt der Aufgabe und dem damit verbundenen Verantwortungsbereich; Größen aus dem Vorjahr bzgl. individueller Leistung, dem Erfolg des Unternehmens und der Unternehmenseinheit). Die konkrete variable Vergütung wird dann anhand von vier vor Beginn des Geschäftsjahres festgelegten Kriterien errechnet: nach dem Grad der Zielerreichung der konkreten individuellen Ziele, dem Erfolg des Unternehmens, sowie dem Erfolg der Unternehmenseinheit, sowie der Betriebstreue. Es ist im Vertrag die Erwartung formuliert, dass der Arbeitnehmer auch im Folgejahr vollständig weiter erfolgreich für das Unternehmen tätig ist. Die genauen Kriterien der Zielvereinbarung sind ausführlich in einem Handbuch geregelt. Weder das Verhältnis der verschiedenen Faktoren zueinander noch die Höhe des zu verteilenden Gesamtbetrages sind festgelegt.

Das BAG hat Folgendes entschieden, so Dr. Henkel:

1) Die vertragliche Regelung, die die Bemessung der variablen Vergütung davon abhängig macht, dass der Arbeitnehmer auch im Folgejahr weiter für das Unternehmen tätig ist, stellt eine unangemessene Benachteiligung dar und ist unwirksam. Dem Arbeitnehmer werde hier bereits erarbeiteten Lohn wieder entzogen und er werde länger gebunden als der Bezugszeitraum für die variable Vergütung (Geschäftsjahr - also bis 30.Juni) vereinbart sei.

Ermessensregelungen

Im Übrigen hält das BAG die in der vertraglichen Vereinbarung enthaltenen Ermessensregelungen für den Arbeitgeber jedoch für wirksam. Die Vereinbarung regele ausdrücklich und hinreichend transparent ohne unangemessene Benachteiligung, dass der Arbeitgeber die Höhe des Zielgehaltes und die Höhe der variablen Bezüge nach billigem Ermessen festlegen dürfe, und an welchen Kriterien er sich hierbei orientieren müsse. Das billige Ermessen bei Festlegung des Zieleinkommens und des variablen Anteiles unterliege einschließlich der Erreichbarkeit der Ziele gem. § 315 BGB der vollen gerichtlichen Kontrolle mit der Möglichkeit der eigenen Festlegung durch das Gericht gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB bei Nichteinhaltung.

2) Es gilt ein abgestuftes System der Darlegungslast, wobei zunächst die Beurteilungen in der Zielvereinbarung maßgeblich sind. Des Weiteren bestehe grundsätzlich ein Beurteilungsspielraum für die Arbeitgeberseite. Erst wenn der Arbeitnehmer bestimmte Bewertungen substantiiert bestreitet, muss der Arbeitgeber mehr vortragen und schließlich beweisen.

Der Grad der Erreichung sog. harter (quantitativer Ziele) wie z.B. Umsatz- oder Kundenzahlen etc., sind seitens des Arbeitgebers dann ganz konkret vorzutragen; bei sog. weichen (qualitativen) Zielen, wie z.B. das Führungsverhalten, muss der Arbeitgeber seine Wertungen auf entsprechendes Bestreiten (nur) so weit wie möglich konkretisieren und plausibel machen. Soweit solche Wertungen auf bestimmte Einzelvorkommnisse oder Bewertungen anderer Mitarbeiter (Upward- Feedback) gestützt werden, sind diese konkret zu benennen. Reine Werturteile reichen alleine für eine negative Bewertung nicht aus.

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Hinweis für die Praxis:

Das Urteil des BAG ist hilfreich, denn damit steht fest, dass - jedenfalls bei Festlegung der Berechnungsfaktoren – grundsätzlich variable Gehaltsbestandteile im Ermessen des Arbeitgebers liegen können. Jedoch zeigt das Urteil einmal mehr, dass die Faktoren, an Hand derer sich dann ein variabler Vergütungsbestandteil bemisst, absolut nachvollziehbar und transparent festgehalten sein müssen, bevor die Bewertungsperiode beginnt, des Weiteren sollten hier akribisch alle für die Bewertung erforderlichen Informationen gesammelt und dokumentiert werden, damit ggf. in einem Prozess substantiiert vorgetragen werden kann.

Dr. Henkel empfiehlt, dies zu beachten und in allen Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei sie u. a. dazu auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. (www.vdaa.de) verweist.

Weitere Informationen und Kontakt:

Dr. Alexandra Henkel, MM, Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht und Wirtschaftsmediatorin, c/o FPS Fritze Wicke Seelig Rechtsanwälte & Notare, Tel.: 030 885927-39, E-Mail: henkel@fps-law.de, Internet: www.fps-law.de