Die Berufsaussichten für IT-Fachkräfte sind blendend. 42 Prozent der CIOs in Deutschland wollen in den kommenden sechs Monaten ihre IT-Abteilungen ausbauen, wie der IT Hiring Index der Personalvermittler Robert Half Technology in einer Umfrage unter CIOs herausgefunden hat. In der Befragung klagten besonders die CIOs kleinerer und mittelständischer Firmen darüber, nicht genügend neue Mitarbeiter zu finden.
Viele Bewerber zieht es zu großen, international bekannten Konzernen wie Audi, Siemens oder SAP. Kleinere mittelständische Anwenderunternehmen haben es oft schwer, in diesem Wettrennen um qualifizierte und berufserfahrene IT-Mitarbeiter mitzumischen. Sie müssen sich intensiver um Bewerber bemühen. Wer nicht über Produkte auf sich aufmerksam machen kann, braucht bei der Personalsuche Elan und gute Ideen. Drei Mittelständler zeigen, dass das möglich ist.
München zieht viele Absolventen an. Mit guten Verdienstmöglichkeiten, namhaften Konzernen sowie einem großen Freizeit- und Kulturangebot lockt die bayerische Landeshauptstadt. Doch in den Augen von mittelständischen Arbeitgebern sieht das ganz anders aus. "München ist ein schwieriger Markt, sagt Manfred Klunk, IT-Leiter der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) in München. "Die Konkurrenz unter den attraktiven Arbeitgebern ist groß, manchen Bewerber schrecken auch die hohen Lebenshaltungskosten. Außerdem kennen uns viele nicht, gibt der CIO zu bedenken.
Wer als Informatiker in einem Inserat KVB liest, denkt vielleicht nicht gleich an attraktive IT-Aufgaben. Doch dieser Eindruck trügt, denn unter den rund 1720 KVB-Angestellten bildet das Team von IT-Leiter Klunk mit rund 160 Mitarbeitern eine große Abteilung. Je nach Projekt ergänzen weitere 20 bis 35 externe IT-Spezialisten die Truppe. Momentan sucht Klunk nach rund 15 weiteren neuen Kollegen.
Der Standort ist entscheidend
Auch Stefan Sauskat, IT-Leiter von Kirchhoff Automotive, muss Bewerber erst vom Standort überzeugen. Iserlohn mag zwar idyllisch gelegen sein, doch viele müssen erst ihre Erdkundekenntnisse hervorkramen oder mit einer elektronischen Landkarte im Netz den Ort ausfindig machen. Dabei agiert der Automobilzulieferer als Global Player in zwölf Ländern und beschäftigt rund 7.800 Mitarbeiter, doch die Wurzeln des Traditionsunternehmens liegen im Sauerland.
"Wir sind ein mittelständisches, familiengeführtes Unternehmen mit flachen Hierarchien und klaren Strukturen, erklärt Stefan Sauskat, der selbst vor einigen Jahren aus der Region Stuttgart nach Iserlohn umgezogen ist. Momentan beschäftigt das Unternehmen 42 IT-Mitarbeiter, etwa die Hälfte ist in Deutschland angesiedelt. Doch Sauskat betont, dass diese Mitarbeiter in internationale Projekte eingebunden sind und viel reisen.
Doch bevor jemand einen Arbeitsvertrag unterschreibt, muss CIO Sauskat die Bewerber vom Standort überzeugen. "Günstigere Lebenshaltungskosten sind nicht so wichtig, erzählt der IT-Leiter. Flexible Arbeitszeitgestaltung oder eine Betriebskindertagesstätte zählen dagegen zu den Pluspunkten, ebenso wie die Karriereperspektiven in einem stark wachsenden, internationalen Unternehmen. Statt Zeiterfassung setzt der Mittelständler auf Vertrauensarbeitszeit, auch Home-Office-Angebote gibt es. Das Gehaltsniveau entspricht dem anderer Automobilzulieferer in Deutschland.
Berlin als Standort klingt dagegen für viele Bewerber reizvoll. Auch Plattform Immoscout nutzen viele, wenn sie eine Wohnung mieten oder kaufen möchten. Doch ein bekannter Name alleine lockt nicht automatisch Bewerber an. Immoscout beschäftigt rund 550 Mitarbeiter, etwa 120 dieser Angestellten arbeiten in der IT-Abteilung. Die Start-up-Mentalität ist auch nach zwölf Jahren nicht verflogen, wie Personalleiter Lars Schmidt betont. Doch wenn es um das Recruiting geht, plagen ihn ähnliche Sorgen wie andere mittelständische Firmen. Momentan listet die Homepage etwa 60 offene Positionen, etwa 23 davon in der IT.
Lars Schmidt setzt auf ganz unterschiedliche Strategien, um Immoscout bei Bewerbern bekannter zu machen. Klassisches Personal-Marketing, Hochschulkontakte und Messen gehören dazu. Auf der Bewertungsplattform kununu können Interessenten nachlesen, was Mitarbeiter oder Praktikanten über das Unternehmen denken. Über professionell produzierte Videos mit Mitarbeitern sollen Bewerber einen authentischen Eindruck von der Arbeitsatmosphäre im Großraumbüro erhalten.
Fachkenntnisse lassen sich lernen
Immoscout konkurriert mit vielen anderen Unternehmen um talentierte Bewerber. Das erwachsen gewordene Start-up wünscht sich Mitarbeiter, die sich schnell auf Neues einstellen können, experimentierfreudig und offen sind. "Fachkenntnisse lassen sich einfacher lernen, sagt der Personalchef, die passende Arbeitseinstellung dagegen weniger. Auch wenn solche Mitarbeiter schwerer zu finden sind, möchte Schmidt keine allzu großen Abstriche beim Anforderungsprofil machen. Als "hart aber fair umschreibt der Personalchef die Vorstellungsgespräche. Irritierend ist es dagegen für Schmidt, dass in Bewerberinterviews ganze andere Themen im Mittelpunkt stehen. "Seit ein paar Jahren fragen Berufsanfänger nach Work-Life-Balance, wünschen sich Sicherheit und eine betriebliche Altersversorgung.?
Die Zusammenarbeit mit Personalagenturen oder Headhuntern ergänzt oftmals das eigene Recruiting von mittelständischen Unternehmen. Manfred Klunk von der KVB beispielsweise muss dafür allerdings ein festgelegtes Procedere einhalten. Erst wenn über eine interne Stellenausschreibung kein passender Kandidat gefunden wurde, kann das Gesuch in einer der gängigen Personalbörsen im Netz ausgeschrieben werden. "Wir veröffentlichen unsere Jobangebote seit neuestem auch in den Nachbarländern Schweiz, Österreich und Italien. Zusätzlich testen wir auch Jobbörsen in Spanien, erläutert Klunk.
Findet sich auf diesem Weg kein passender Interessent, wendet sich das Unternehmen an einen Headhunter. "Wir haben sehr gute Erfahrungen mit Headhuntern gemacht, so Klunk. Anders als in einer knappen Stellenanzeige gelingt es den Personalberatern, Bewerber auch von einem Unternehmen zu überzeugen, das diese oftmals nicht kannten. Doch trotz externer Hilfe braucht Klunk vor allem Geduld, denn es kann zwischen zwölf und 15 Monate dauern, bis ein neuer Arbeitsvertrag unterschrieben ist.
Auch Berater spüren, wie angespannt der Arbeitsmarkt ist. Längst strecken auch Headhunter ihre Fühler innerhalb Europas aus und suchen dort nach Fachkräften. "Seit diesem Jahr sind viele Kunden bereit, gut qualifizierte Mitarbeiter einzustellen, auch ohne Deutschkenntnisse?, berichtet Ralica Yancheva von der Personalberatung Conargus in München. Allerdings müssten Bewerber bereit sein, die Sprache später zu erlernen.
"Mittelständische Industrieunternehmen haben es schwerer als mittelständische IT-Unternehmen, als attraktive IT-Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, ergänzt Yancheva. Die Headhunterin sucht häufig im Auftrag von Mittelständlern nach passenden IT-Führungs- und Fachkräften. Zu ihrem Job gehört es auch, den Bewerbern zu erklären, was sie erwartet und weshalb sich ein Jobwechsel lohnen könnte. "Oftmals kennen die Kandidaten die große und komplexe IT-Landschaft und die damit verbundenen Perspektiven innerhalb des Industrieunternehmens nicht. Wir müssen sie informieren und für die Position begeistern, erläutert Yancheva ihre Arbeit.
Recruiting mit Social Media
Auch Lars Schmidt von Immoscout kooperiert mit einer Berliner Personalberatung, die das Internet-Geschäft kennt. "Wir wenden uns nicht unbedingt an die großen Beratungen, sondern arbeiten mit Kleineren zusammen?, sagt Schmidt. Kirchhoff Automotive nutzt von der eigenen Homepage über Jobbörsen und IT-Plattformen viele unterschiedliche Wege, um Bewerber auf sich aufmerksam zu machen. Seit knapp zwei Jahren arbeitet Sauskat auch mit einem Recruiting-Büro zusammen, wenn es etwa um SAP-Spezialisten geht. Durchschnittlich drei bis sechs Monate dauert es, bis für eine Position der passende Bewerber gefunden ist.
Zwar sind viele Arbeitgeber den sozialen Medien gegenüber aufgeschlossen, manche versuchen über Xing oder Linkedin Bewerber anzusprechen, doch Facebook gilt für viele als private Spielwiese und ungeeignet, um dort Jobangebote zu veröffentlichen. "Für die Personalsuche ist Facebook ungeeignet, Xing ist hier die bessere Plattform, sagt Lars Schmidt von Immoscout. Auch Preise wie "Great Places to Work oder die Auszeichnung "Top Arbeitgeber helfen den Unternehmen, dass sie von Jobsuchenden wahrgenommen werden. Manche Firmen nutzen auch eigene Programme wie "Mitarbeiter werben Mitarbeiter oder bauen früh Kontakte zu Hochschulen auf, um schon Studenten für sich zu begeistern, bevor diese an die Jobsuche denken.
Gerade mittelständische Unternehmen brauchen einen längeren Atem, wenn sie neue Mitarbeiter suchen. Deshalb kommt die angespannte Lage auf dem IT-Arbeitsmarkt für sie nicht unverhofft oder plötzlich. Manche Firmen überbrücken Engpässe mit externen Beratern. "Wir planen unsere IT-Projekte und den Personalbedarf langfristig. Bisher musste kein Projekt auf Eis gelegt werden, weil uns die Mitarbeiter fehlten, sagt KVB-CIO Manfred Klunk.
Fazit:
Das Web bietet karriereorientierten Arbeitnehmer viele Verlockungen. Vorbei sind die Zeiten, in denen Angestellte ihrer Firma bis zur Rente treu ergeben sind. Eine Umfrage der Jobbörse Monster zeigt, dass viele Menschen auf der Suche nach neuen Jobperspektiven sind. 22 Prozent der Befragten gaben an, dass sie zwar einen festen Arbeitsplatz haben, gleichzeitig jedoch offen für neue Möglichkeiten sind. Dagegen sucht ein knappes Drittel mit festem Job aktiv ganz gezielt nach einer neuen Position. Firmen sind also gut beraten, sich nicht nur auf das Recruiting neuer Mitarbeiter zu konzentrieren, sondern auch den Angestellten an Bord Perspektiven zu bieten.