Diskussion mit Microsoft, Fujitsu, Azlan und Experton

Wie Reseller in der Cloud überleben können (Teil 2)

20.05.2010
Ist Cloud-Computing nur ein neuer Hype, auf den sich die Hersteller stürzen oder schaffen Themen wie Hosting, Infrastructure und Software as a Service (IaaS, SaaS) tatsächlich neue Umsatzpotenziale für Händler. ChannelPartner wollte wissen, welche Voraussetzungen Hersteller, Distributoren und Fachhändler erfüllen müssen, damit alle Beteiligten an diesem Markt partizipieren können.
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Ist Cloud-Computing nur ein neuer Hype, auf den sich die Hersteller stürzen oder schaffen Themen wie Hosting, Infrastructure und Software as a Service (IaaS, SaaS) tatsächlich neue Umsatzpotenziale für Händler. Die ChannelPartner-Redakteure Ronald Wiltscheck und Beate Wöhe wollten wissen, welche Voraussetzungen Hersteller, Distributoren und Fachhändler erfüllen müssen, damit alle Beteiligten an diesem Markt partizipieren können.
Sie haben Teil 1 des Roundtables verpasst? Sie finden den Teil unter diesem Link.

Die Gesprächsteilnehmer

Birgit Schreiber, Channel-Business-Develoment-Managerin bei Fujitsu

Oliver Gürtler, Direktor Partner Strategy & Programs bei Microsoft

Steve Janata, Senior Advisor bei Experton Group

Marc Müller, Geschäftsführer bei Azlan

CP: Was sollte ein Reseller seine Kunden fragen?
Janata: Er braucht die Fragen nicht dem Kunden zu stellen, sondern kann sich selbst fragen: Welche Größe hat dieser Kunde? Allein daran kann der Reseller schon ableiten, für welche Cloud-Möglichkeiten sein Kunde affin ist. Ein kleines Unternehmen wird eher standardisierte Software einsetzen, während der Reseller in einem Großkonzern besser Test- und Entwicklungsumgebungen anbieten kann. Das Angebot hängt sehr von der Größe ab und nur in Teilen von der Branchenausrichtung.

Schreiber: In den Bereichen IaaS (Infrastructure-as-a-Service) und Saas (Software-as-a-Service) ist zum Beispiel eine gute Frage nach möglichem schwankendem Bedarf. Das kann beispielsweise in Projektthemen, in Testszenarien, bei saisonalen Schwankungen oder bei Ausgliederungen der Fall sein. Ein guter Indikator ist immer das Wort: Flexibilität. Weitere Themen, die der Händler ansprechen kann, sind Datensicherheit und Back-up-Szenarien sowie eine mögliche Entlastung der IT-Abteilung in Bezug auf Standardthemen.

Marc Müller, Geschäftsführer Azlan GmbH: "Im Moment sehen wir uns als Informations-Broker."
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Müller: Wenn wir mal ehrlich sind, betreuen viele unserer Fachhandelspartner den Kunden ja nicht in Gänze. Für die von ihnen unterstützten Bereiche sollten sie einen Cloud Service in irgendeiner Form in der Hinterhand haben oder zumindest einen Pseudo-Cloud-Service. Das kann auch ein vernünftiges Outsourcing für mehrere ihrer Kunden sein. Klassische Infrastructure-Partner werden sehr schnell auf eines der Angebote im Bereich Lotus oder Microsoft zugreifen sie dann angebot- und nicht nachfrageorientiert in die Unternehmen einbringen. Ich habe in unserem Umfeld bisher wenig Partner kennengelernt, die das alles können. Viele wollen es ja auch gar nicht, weil sie sich erst einmal Teile ihres Geschäftes kaputt machen. Deshalb macht es Sinn, in einzelnen Bereichen langsam mit Prozessen zu starten, die man wirklich beherrscht.

Gürtler: Wir empfehlen unseren Partnern auf jeden Fall, den Kunden mit einem Cloud-Ansatz zu beraten. Ich fand die Darstellung in der Studie von Experton Group hinsichtlich der Treiber von Cloud Computing ganz gut. Vorab sind Fragen nach der nötigen Infrastruktur zu klären und ob Green-IT eine Rolle spielt. Das sind die technischen Kriterien. Auf der anderen Seite stehen die beim Kunden vorhandenen Unternehmensstrukturen. Bestehen Ansatzpunkte für klassische Cloud- oder Hosting-Argumente, wie verteilte Standorte oder viele Heimarbeitsplätze? Kann der Händler über Cloud Computing Kriterien wie Agilität, Flexibilität oder Kostensenkungen beeinflussen? Es wäre falsch, den Kunden heute nicht mit Cloud Computing zu adressieren, denn sonst macht es ein Anderer.

CP: Herr Janata, sind Sie der gleichen Meinung?
Janata: Ich kann nur jedem Händler raten: Just do it! Allerdings sollte er sich ganz bewusst den richtigen Anbieter auswählen. Die langfristigen Strategien des Herstellers beantworten oft die Frage, ob es ihn auch in drei Jahren noch gibt. Auch die Standorte der Rechenzentren sollte man nicht außer Acht lassen. Irgendwo auf Honolulu, ist das vielleicht nicht so unbedingt geeignet. Es ist zwar schön dort, aber als Rechenzentrumsstandort nicht unbedingt geeignet.

CP: Gibt es denn eine Art Kompendium, in dem alle Hersteller, die Cloud-Services in irgendeiner Form anbieten, aufgeführt sind? Das wäre sehr hilfreich für Händler, die in das Thema einsteigen wollen.
Janata: Sie meinen außerhalb…

CP: Ja, außerhalb Ihrer Studie.
Janata: Es gibt kein zentrales Cloud-Telefonbuch für Deutschland, und ich halte das für eine der großen Chancen gerade für die Distribution. Aber da muss investiert werden, und die Distribution muss sich extrem agil zeigen, was, ich sag’ mal vorsichtig, gerade auf der Seite der Broadliner, nicht unbedingt die Stärke ist. Man hätte sich schon länger darauf vorbereiten können und sollen. Bis die Reseller selbst tief genug im Thema sind, kann - die Betonung liegt auf 'kann' - diese Rolle von der Distribution ausgefüllt werden.

CP: Herr Müller, möchten Sie dem etwas entgegnen?
Müller: Ich gebe Herrn Janata völlig Recht. Sehr viele Hersteller, die wir vertreten, haben selbst schon standardisierte Angebote. Aber es kommen neue Anbieter mit spannend klingenden Lösungen. Dann stellt sich die Frage: Würde man einem solchen Dienstleister Daten anvertrauen? Diese Szenarien abzusichern, auch rechtlich, ist nochmal eine andere Sache. Der Kunde kommt auch relativ leicht rein in eine Cloud, aber er will ja auch einmal wieder raus. Und da wird es dann schon spannender. Die Distributoren laufen hier im Moment fast hinterher.

Wie sieht der Markt in fünf Jahren aus?

CP: Hat Azlan stand heute ein Cloud-Konzept?
Müller: Ja, in diesem Segment arbeiten in Deutschland, Belgien und den Niederlanden rund 25 Mitarbeiter, die auch zwei Angebote gelauncht haben.

Schreiber: Ich finde den Aspekt der Internationalität von Herrn Müller interessant, der gerade in der Cloud ein sehr spannendes Thema ist. Reseller sollten sich auch über Cloud-Angebote in anderen Ländern informieren. Auch die gesetzlichen Richtlinien zum Datenschutz sind in diesem Zusammenhang zum Beispiel ein Thema.

Janata: Herr Gürtler, mich würde jetzt noch eines interessieren: Sie haben auf der BPOS-Seite Distributoren mit an Bord genommen. Ist das für Sie ein Übergangsmodell? Glauben Sie, dass es in fünf Jahren eine mehrstufige Wertschöpfungskette auf der Cloud-Seite geben wird?

Oliver Gürtler, Direktor Partner Strategy & Programs bei Microsoft: "Es wäre falsch, den Kunden heute nicht mit Cloud Computing zu adressieren, denn sonst macht es ein anderer."
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Gürtler: Einer unserer Haupt-Assets ist unser Partner-Channel, den kein anderer Hersteller hat. Und deswegen legen wir einen starken Fokus darauf, diesen Channel mitzunehmen und entsprechende Business-Modelle zu finden. Microsoft zieht dieses Modell mit Margen durch mit Lizenzgeschäfte über denselben Channel durch.

CP: Welche Rolle soll der Distributor bei diesem BPOS-Modell spielen?
Gürtler: Das Ziel ist, dass der Reseller seine Fragen weiterhin bei seinem Trusted Advisor, nämlich dem Distributor, adressieren kann und der Distributor auch Spaß hat, diese zu beantworten, also ein Businessmodell dahinter gelegt wird.

CP: Frau Schreiber, was glauben Sie, wird es in fünf Jahren in der Cloud geben und was wird auf keinen Fall in der Cloud zu finden sein?
Schreiber: Ich persönlich glaube nicht, dass wir in fünf Jahren schon den Status erreicht haben, dass sich alles in irgendeiner Form in der Cloud befindet. Das ist ein Prozess, der sicherlich, wenn er denn wirklich zu hundert Prozent jemals abgeschlossen sein würde, sich auf einen etwas längeren Zeitraum bezieht. Es wird auch immer Mischungen zwischen Public und Private Clouds geben. Es werden andere Player mit anderen Geschäftsmodellen am Markt sein. Auch die Themen werden über Infrastruktur mit Applikationen hinausgehen und Content sowie komplexere Prozesse werden eine Rolle spielen.

Gürtler: Ja, es wird eine Mischung aus verschiedenen Angeboten sein, und deswegen ist es auch wichtig, dass unsere Partner beide Richtungen betreuen können. Insgesamt erwarte ich mir aber schon, dass über das Cloud Computing auch ganz neue Mehrwerte in der IT entstehen. Auf der anderen Seite ist die Jugend, die mit Social Media aufgewachsen ist und ganz anders arbeitet als ich heute als Beispiel. Es wird sich einiges verändern, was wir heute noch gar nicht richtig abschätzen können. Deswegen bin ich sehr gespannt. Alle Marktteilnehmer sollten agil bleiben.

Steve Janata, Senior Advisor bei Experton Group: "Allerdings sollte sich der Händler ganz bewusst den richtigen Anbieter auswählen."
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Janata: Mit welcher Geschwindigkeit dieses Thema vorangeht, haben die Hersteller selbst in der Hand. Standards bei der Interoperabilität, das Ausräumen von Anwenderbedenken bezüglich des möglichen Rückzugs aus der Cloud oder Rechtssicherheit sind Punkte, die die Geschwindigkeit maßgeblich beeinflussen. In ihrem Marketing sollten sich manche Anbieter auch ein wenig zurücknehmen. Mittlerweile ist ja alles, was nicht am oder unter dem Tisch steht, schon als Cloud oder als Service gelabelt. Mal wieder ein wenig Bodenständigkeit reinzubringen, würde dem Markt gut tun. Auch die Anwender würden dadurch sehen, dass es sich nicht nur um einen Hype handelt, wie viele das Gefühl haben. (bw)