Wie sich Unternehmen gegen Haftungsansprüche in der bAV absichern können

23.05.2007 von Fiala 
Bei der Entgeltumwandlung kommt dem Arbeitgeber die Rolle eines "uneigennützigen Treuhänders" zu, also die Pflicht, sich im Interesse der Mitarbeiter ein günstiges Angebot auszusuchen.

Der Fall: Arbeitnehmer verliert rund 90 Prozent seiner betrieblichen Altersversorgung. Anna M. (Name geändert) hatte ihren Arbeitgeber gebeten, für Sie einen Teil Ihres Gehaltes in einer betrieblichen Altersversorgung anzulegen (Entgeltumwandlung). Nachdem 6.230 Euro binnen dreier Jahre in ein "betriebliches Versorgungswerk" vom Arbeitgeber überwiesen waren endete das Arbeitsverhältnis. Das betriebliche Versorgungswerk teilte mit, dass 639 Euro von "ihrem umgewandelten Gehalt" noch da waren - der Rest war für Kosten (z.B. Provisionen) verbraucht.

Vor dem Landesarbeitsgericht München wurde der Arbeitgeber verurteilt, der Mitarbeiterin die fehlenden 90 Prozent (abermals) als Lohn zu bezahlen. Für den Arbeitgeber wird diese "Erfahrung mit dem Finanzvertrieb" jedoch durch Abgaben noch teurer werden, denn es fällt noch Sozialversicherung an, die nach drei Monaten dem Mitarbeiter nicht mehr rückwirkend belastet werden kann.

Der Arbeitgeber sah 20prozentigen-Abgabenvorteil bei der betrieblichen Vorsorge - über das Risiko 120 Prozent und mehr am Ende per Saldo "drauf zu zahlen" war er nicht beraten worden.

Verfassungswidrige Kostenbelastung

Bei der Kapitallebensversicherung bekommt der Vermittler eine Provision als Teil der Abschlusskosten. Der Versicherungsmathematiker August Zillmer führte im vorletzten Jahrhundert eine Methode ein, wonach mit den Prämien der ersten Jahre erst mal diese Abschlußkosten vom Kunden über die Prämien bezahlt werden mussten. Daher war der sogenannte Wert in den ersten Jahren "null" - und dies ist nicht nur "eine Anlegerschädigung" (Prof. Dr. Michael Adams, Univ. Köln) sondern schlicht verfassungswidrig (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 15.02.2006, Az. 1 BvR 1317/96).

Neues Urteil: Arbeitgeber in der Haftungsfalle

Die neue Entscheidung des Landesarbeitsgericht München (Urteil vom 15.03.2007, Az. 4 Sa 1152106) betrifft jeden Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung (Direktversicherung, Pensionszusage, Pensionsfonds, Pensionskasse, rückgedeckte Unterstützungskasse). Sind nicht zu jedem Zeitpunkt in etwa die Summe der einbezahlten Beiträge vorhanden, steht der Arbeitgeber in der Ausfallhaftung bei Entgeltumwandlung. Die Vereinbarungen mit den Mitarbeitern und dem Träger der betrieblichen Altersversorgung sind schlicht unwirksam - daher kommt eine doppelte Rückabwicklung in Frage.

Arbeitsrecht schlägt Versicherungsrecht: Im Versicherungsvertrag kann legal gut die Hälfte der Beiträge für Abschlusskosten in den ersten Jahren kalkuliert sein - nach dem Arbeitsrecht ist dies wegen der verschuldensunabhängigen Fürsorgepflicht als Arbeitgeber und dem Gebot der Wertgleichheit unmöglich. Die Arbeitgeberhaftung kann nicht durch "Mitarbeiter-Aufklärung" beseitigt werden.

Mitarbeiter können, spätestens wenn sie aus dem Betrieb ausscheiden, den Arbeitgeber auf Zahlung einer fehlenden Wert-Differenz verklagen. Betriebsräte können einen Wirtschaftsausschuss zur Sanierung bestellen. Auch Tarifverträge enthalten insoweit nichtige Vorschriften. Klarheit bringt dem Arbeitgeber, ob er zu den wohl über 90 Prozent Betroffenen gehört, oft nur das Gespräch mit einem unabhängigen Aktuar (z.B. pkv-gutachter.de).

Gründe für zeitnahe Sanierung

Bei der Entgeltumwandlung kommt dem Arbeitgeber die Rolle eines "uneigennützigen Treuhänders" (OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.03.1992) zu, also die Pflicht, sich im Interesse der Mitarbeiter ein günstiges Angebot auszusuchen. Die im Zeitablauf wachsende Arbeitgeberhaftung kann eine Bilanzberichtigung nahelegen.

Manches Versorgungswerk scheute nicht davor zurück, durch Hausjuristen die Arbeitgeber mit Unwahrheiten zu beruhigen: Arbeitgebern wird die oft negative Rendite nebst Haftungsfolgen gerade in den ersten 10-20 Jahren von den allermeisten Versorgungswerken verschwiegen: Haftungsansprüche der Mitarbeiter verjähren nach 30 Jahren. Arbeitgeber haben ab Kenntnis oft nur 3 Jahre Zeit, ihr Geld komplett zurück zu holen.

Der Autor: Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt (München), , MBA Finanzdienstleistungen (Univ.Wales), geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Lehrbeauftragter für Bürgerliches Recht und Versicherungsrecht (Univ. of Cooperative Education), Bankkaufmann. Kontakt und weitere Informationen: www.fiala.de. (mf)