Wichtig bei Maschinen und Anlagen

Wie viel Instandhaltung muss sein?

05.08.2009
Wie Sie die Gratwanderung zwischen Verfügbarkeit und Kosten meistern, beschreibt Herbert Diehl.

Unternehmen müssen, damit sie leistungsfähig bleiben, ihre Anlagen nebst Maschinen und Apparaten instandhalten oder im Bedarfsfall durch neue ersetzen. Für diesen Prozess gibt es in vielen Firmen keine klaren Entscheidungskriterien und Handlungsanweisungen. Und aufgrund des steigenden Kostendrucks stellen deren Betriebsleiter und Asset-Manager zunehmend vor der Frage: Wie viel der lohnintensiven Instandhaltung brauchen wir eigentlich?

Konkret bewegen sich Betriebsleiter ständig in folgendem Spannungsfeld: Einerseits müssen sie eine hohe Verfügbarkeit der Anlagen sicherstellen, andererseits die Kosten der Instandhaltung im Auge behalten. Sie müssen zudem eine Vielzahl von Aspekten wie Alter und Beanspruchung der Komponenten sowie Auswirkung von Störungen auf den Anlagenbetrieb beim Beantworten folgender Fragen beachten:

- In welchen Intervallen sollen wir unsere Maschinen und Anlagen inspizieren und warten? Und:

- Wann rechnet sich für uns noch ein Instandsetzen, und wann sollten wir eine Neuanschaffung erwägen?

Mit diesen Fragen muss sich jedes Unternehmen mehr und minder intensiv befassen. Sonst kann es auf Dauer seine Leistung nicht erbringen und wirtschaftlich arbeiten - unabhängig davon, ob es sich bei den genutzten Produktionsmitteln um Maschinen, Transportfahrzeuge oder Leitungsnetze handelt. Dabei fokussieren sich die einzelnen (Detail-)Fragen auf folgende drei Kernfragen:

- Was muss als Nächstes getan werden? (Zeithorizont)

- Was hat höchste Priorität? (Risiken und Bedeutung für das Unternehmen)

- Was ist wirtschaftlicher? (Instandhaltung oder Investition?)

Zum Beantworten dieser Fragen benötigen die Unternehmen verbindliche Leitlinien. Denn werden die damit verbundenen Entscheidungen auf der operativen Ebene eher individuell getroffen, kann die Einzelentscheidung trotz aller Erfahrung des jeweiligen Mitarbeiters im Widerspruch zu den Unternehmenszielen stehen - zum Beispiel weil anlagenwirtschaftliche Aspekte (Asset-Management) nicht ausreichend berücksichtigt werden. Diese Gefahr kann durch ein Festlegen von Entscheidungswegen und -kriterien beseitigt werden.

Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit sicherstellen

Speziell Großunternehmen können sich beim Instandhalten nicht auf ein Vorgehen stützen, das primär auf der individuellen Erfahrung basiert. Aufgrund ihrer Größe und vielfach auch Komplexität und Interdependenz ihrer Anlagen benötigen sie eine ganzheitliche, anlagenwirtschaftliche Betrachtung nebst daraus abgeleiteter Instandhaltungsstrategie, die sicherstellt, dass das Unternehmen seine Leistungen erbringen kann und die Ressourcen effektiv genutzt werden

Es geht somit bei der Frage nach der besten Instandhaltungsstrategie um das Erfüllen folgender Anforderungen:

- In der Instandhaltungsstrategie muss sich die Asset-Strategie (Anlagenwirtschaft) des Unternehmens widerspiegeln.

- Die gewünschte Anlagenverfügbarkeit beziehungsweise Versorgungssicherheit muss gewährleistet werden. Und:

- Die für die Instandhaltung erforderlichen Ressourcen werden soweit möglich und sinnvoll minimiert.

Alle strategischen Überlegungen bezüglich Anlagenwirtschaft sollten in einer sogenannten Asset-Strategie zusammengefasst sein, die mit den Ausprägungen Wertsteigerung, Werterhalt und Wertverzehr die grundsätzliche Ausrichtung der künftigen Instandhaltungsaktivitäten für ein definiertes Zeitfenster vorgibt. Bei deren Formulierung sind seitens der Unternehmensleitung die Qualitätsanforderungen der Kunden (auch internen) und die Ausrichtung des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen.

Wertestrategie festlegen

Der erste Schritt beim Planen der Instandhaltungsmaßnahmen besteht darin, eine Wertestrategie für den jeweiligen Betrieb oder die jeweilige Anlage festzulegen. Dabei wird zunächst ermittelt, welche Anforderungen an den Betrieb gestellt werden (von Kunden, Gesetzgeber, Unternehmensleitung, weiteren Interessengruppen).

Diese Informationen fließen in die Wertestrategie für die betreffende Anlage ein. Aus der Wertestrategie, die ein Teil der Asset-Strategie ist, wird wiederum die Instandhaltungsstrategie abgeleitet. Sie legt die generelle Vorgehensweise fest, wie im Einzelfall zu ermitteln ist, ob die Instandhaltungsmaßnahmen eher auf eine Wertsteigerung, einen Werterhalt oder einen Wertverzehr abzielen sollten.

Im Rahmen der festgelegten Wertestrategie sind folgende drei Schritte konsequent zu bearbeiten:

- Schritt 1: Risiken der jeweiligen Teilanlagen bewerten

- Schritt 2: Instandhaltungsstrategie ableiten

- Schritt 3: Instandhaltungsmaßnahmen und Ersatzinvestitionen festlegen

Schritt 1: Risiken bewerten

Ist die Wertstrategie definiert, gilt es im zweiten Schritt daraus, die passende Instandhaltungsstrategie abzuleiten. Dabei hat sich ein risikobasierter Ansatz bewährt. Das heißt, für jede Anlage und Teilanlage wird eine Risikobetrachtung durchgeführt, bei der anhand definierter Kriterien die Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Störung und deren mögliche Auswirkung für die Anlage oder das Unternehmen bewertet werden.

Risiko = Eintrittswahrscheinlichkeit (W) x Auswirkung der Störung (A)

Ausgehend von der Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Störung der Verfügbarkeit in einem definierten Zeitfenster auftritt und wie stark deren Auswirkung ist, wird anschließend entschieden, ob der Betreiber eher eine zu-stands-, zeit- oder ausfallgesteuerte Instandhaltungsstrategie verfolgt.

Um die hierfür nötige Risikoabschätzung vornehmen zu können, ist es erforderlich, die Auswirkungen möglicher Schadensfälle zum Beispiel bezüglich monetärer Verluste oder Beeinträchtigung des bestimmungsgemäßen Betriebs zu bewerten. Die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Störung wird anhand der Faktoren Alter der Anlage, Beanspruchung und Redundanz ermittelt.

Schritt 2: Instandhaltungsstrategie ableiten

Anhand der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Störung sowie deren Auswirkungen könnten die (Teil-)Anlagen zum Beispiel den drei Risikoklassen A, B und C zugeordnet werden. Dabei bedeutet "A" ein hohes Risiko und verlangt somit nach technischen und organisatorischen Maßnahmen, die stark risikomindernd wirken. "B" hingegen bedeu-tet mittleres Risiko. Das heißt, zur Risikominderung sind wirkungsvolle Maßnahmen wie intensive Inspektion der Anlagen erforderlich. Der Bereich "C" bedeutet geringes Risiko. Hier sind in der Regel keine vorbeugenden Maßnahmen zur Schadensbegrenzung erforderlich.

Die konkrete Instandhaltungsstrategie wird anhand der jeweiligen Risikoklasse festgelegt, da die Instandhaltung sich unmittelbar auf das Ausfallrisiko und somit auf die Anlagenverfügbarkeit beziehungsweise Versorgungssicherheit auswirkt.

Für Anlagen mit einem hohen Risiko A empfiehlt sich meist eine zustandsgesteuerte Instandhaltungsstrategie. Das heißt, abhängig vom technischen Zustand der Anlage wird entschieden, wie oft die Anlage inspiziert und gewartet wird und welche "Vorsorgemaßnahmen" ergriffen werden. Dies ist die aufwendigste und somit teuerste Instandhaltungsstrategie.

Bei Anlagen mit einem mittleren Risiko (B) hingegen empfiehlt es sich, diese in festen Zeitintervallen sozusagen routinemäßig zu inspizieren - zum Beispiel alle drei Monate. Und (Teil-)Anlagen mit einem niedrigen Risiko (C)? Dort wird in der Regel eine ausfallgesteuerte Instandhaltung favorisiert. Das heißt, die Handwerker oder Techniker werden erst aktiv, wenn sie die Information erhalten "Beim Anschluss x ...." oder "Bei der Leitung y treten Störungen auf".

Schritt 3: Instandhaltungsmaßnahmen und Investitionen planen

Die Basis für das Planen aller Instandhaltungsmaßnahmen bildet also eine Risikobewertung nebst hieraus abgeleiteter Instandhaltungsstrategie . Die für die einzelnen (Teil-)Anlagen definierte Instandhaltungsstrategie dient dann wiederum als Grundlage für das Planen der konkreten Wartungs- und Inspektionsmaßnahmen.

So wird zum Beispiel anhand des technischen Zustands einer Maschine entschieden, in welchem Intervall eine Wartung oder Inspektion erfolgt, wobei selbstverständlich die Vorgaben des Gesetzesgebers sowie Herstellers beachtet werden. Die definierten Wartungs- und Inspektionsmaßnahmen werden dann wiederum in einem Jahres-plan "Wartung und Inspektion" fixiert.

Die bei den Inspektionen dokumentierten Feststellungen dienen hierbei als Grundlage für das konkrete Planen der Instandhaltungsmaßnahmen und für die Investitionsentscheidungen. Ergibt eine Inspektion, dass in einem definierten Planungszeitraum mit einem Ausfall gewisser Komponenten zu rechnen ist, dann muss der Betriebsleiter prüfen: Ist eine Instandsetzung möglich und sinnvoll?

Als Grundlage für diese Endscheidungen werden technische und monetäre Grenzwerte zwischen Betriebsleitung und Instandhaltung vereinbart. Letztendlich ist immer die langfristig kostengünstigere Lösung gefragt. Dabei werden mögliche Spareffekte aufgrund einer höheren Energieeffizienz sowie eines geringeren Instandhaltungsaufwands berücksichtigt.

Abschließende Bewertung

Ein solches strategiefokussierten Instandhaltungsmanagement hat folgende Vorteile:

- Beim Festlegen der Instandhaltungsmaßnahmen stehen die Unternehmensziele und die Anlagenverfügbarkeit im Vordergrund.

- Die Bewertung von Risiken sowie die Entscheidungswege und -kriterien sind standardisiert.

- Die Betriebskosten können unter Berücksichtigung der Risiken gezielt reduziert werden.

- Die Entscheidungen/Vorgehensweisen sind für alle Unternehmensebenen transparent.

- Die Diskussion der Instandhalter mit den Kostenverantwortlichen wird auf eine sachliche Basis gestellt.

- Betriebsmannschaft und Instandhaltung werden bezüg-lich Kosten (-reduzierung) sensibilisiert.

Typische Fehler beim Instandhaltungsmanagement

Beim Einführen eines solchen Instandhaltungsmanagements werden häufig folgende Fehler gemacht:

- Die Anlagenstruktur ist nicht (ausreichend) als Basis für die Bewertung herangezogen.

- Die Bewertungsfaktoren sind nicht präzise formuliert und lassen zu viel Interpretationsspielraum.

- Die operative Ebene (Betriebsmeister/Handwerker) wird in das Formulieren der Faktoren nicht eingebunden.

- Es sind keine klaren Ziele/Anforderungen an die Anlage formuliert.

- Der neue Prozess (Ablauf der Entscheidungsfindung) wird nicht regelmäßig angewendet und zeigt deshalb kaum Wirkung.

- Getroffene Entscheidungen, Festlegungen sowie Planungen werden ohne triftigen Grund revidiert

Werden diese Fehler vermieden, dann bekommen Betreiber und Instandhalter mit Hilfe des strategiefokussierten Instandhaltungsmanagements ein mächtiges und zugleich einfach zu handhabendes Werkzeug, um die Instandhaltungskosten zu reduzieren und die Verfügbarkeit der Anlage im geforderten Maß sicherzustellen. (oe)

Der Autor Herbert Diehl ist Diplom-Ingenieur Berater und Projektmanager bei der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner und Spezialist für Instandhaltungs- und Geschäftsprozessmanagement.

Kontakt:

E-Mail: h.diehl@kraus-und-partner.de, Internet: www.kraus-und-partner.de