Die Welt ist Microsoft nicht genug

Windows 10 wird eine Lizenz zum Gelddrucken

02.10.2014 von Axel Oppermann
Mit Windows 10 geht es für Microsoft darum, etablierte Geschäftsbereiche abzusichern, verlorenes Vertrauen und Sympathie zurückzugewinnen und das Produkt auf neue Lösungsfelder auszurichten. Es besteht kein Zweifel – das neue Windows wird eine Lizenz zum Gelddrucken.

Klar ist, spätestens seit Chaplins "Großem Diktator", dass Feuerkraft alleine nicht reicht, man muss auch zielen können, will man mehr treffen als die Latrine des Feindes. Dessen ist sich Microsoft mittlerweile auch gewahr: Zu schwer wiegt die Kritik am aktuellen Betriebssystem Windows 8.1. Zu groß der Hype und die Lobhudelei um die Betriebssysteme aus den Häusern Apple und Google. Und zu bedeutsam ist der Markt für Microsoft, bedeutet er doch Erträge in Milliardenhöhe. Deshalb war es wichtig, den neuen Hoffnungsträger gezielt, wirkungsvoll und wohlplatziert zu präsentieren. Dies gelang Microsoft.

Was steckt unter der Haube?

Microsoft erzielt den Großteil seiner Gewinne - zuletzt waren es bei knapp 87 Milliarden Dollar Umsatz über 20 Milliarden Dollar - insbesondere mit Geschäftskunden, also mit professionellen Anwendern. Es ist besonders wichtig, diese Zielgruppe stärker als in der nahen Vergangenheit zu umschmeicheln. Und deshalb setzt Microsoft bei der Positionierung des "Windows 10" getauften Major-Release voll auf Geschäftsanwender. Die Neuerungen unter der Haube zielen vollumfänglich auf moderne Business-Anforderungen ab. Ein integrierter Identifikationsschutz ermöglicht ein vereinfachtes Anmelden am Gerät, bei Apps oder auf Webseiten. Eine zweifache Prüfung basierend auf dem Prinzip einer Smartcard ist bereits in der Plattform integriert. Aber auch an einen verbesserten Schutz vor Datenverlusten oder ein eingebauter Mailware-Schutz zählen hierzu. Alles Anforderungen von Unternehmen, die aber gleichzeitig auch - in unterschiedlichen Ausprägungen - dem Privatanwender zugutekommen.

Windows 10 Technology Preview
Windows 10 Technology Preview
Der Executive Vice President Terry Myerson und Corporate Vice President Joe Belfiore von Microsofts Operating Systems Group stellen Windows 10 vor.
Windows 10 Technology Preview
Windows 10 soll über alle Geräteklassen hinweg laufen.
Windows 10 Technology Preview
Das klassische Startmenü kehrt mit Windows 10 zurück. Es gibt dabei einige Erweiterungen zum Personalisieren des Menüs.
Windows 10 Technology Preview
Apps lassen sich in Windows 10 auch im Fenstermodus betreiben; wie von "normalen" Windows-Programmen gewohnt.
Windows 10 Technology Preview
Multiple Desktops sollen mehr Ordnung ermöglichen. So lassen sich beispielsweise private und geschäftliche Applikationen besser trennen.
Windows 10 Technology Preview
Apps, Programme und Ordner lassen sich in das Startmenü "pinnen". Apps mit sogenannten "Live Tiles" zeigen sich aktualisierende Inhalte.
Windows 10 Technology Preview
Mit der neuen Snap-Funktion lassen sich zukünftig bis zu vier Apps gleichzeitig auf dem Bildschirm anordnen.
Windows 10 Technology Preview
Der neue "Task-View Button" in der Taskbar erlaubt mit einem Klick, sich einen Überblick über alle laufenden Programme und Apps zu verschaffen.

Ein Windows für alle Geräte

Windows 10 soll sich zukünftig an das jeweilige Gerät anpassen, das Nutzer verwenden - also von der Xbox bis zu PCs, über Smartphones und Tablets bis hin zu raumfüllenden Monitorsystemen und Embedded Systems. Ziel ist es, eine konsistente Nutzererfahrung auf allen Windows-Devices zu ermöglichen. Das jeweilige User-Interface kann hierbei auf das jeweiligen Gerät und das Nutzerverhalten angepasst werden. Hierdurch wird ermöglicht, eine Vielzahl von Anwendungen und Apps auf allen Geräten geschmeidig und wiederspruchfrei zu Nutzen. Sollte dieses Konzept aufgehen, es also von den Anwendern angenommen werden, kann sich Microsoft gegenüber anderen Anbietern einen entscheidenden Vorteil erarbeiten.

Neues Design

Selbst in der vorgestellten technischen Vorschau, bei der es sich um eine sehr frühe Version handelt, zeigten sich umfassende Anpassungen in Design und Systematik. Im neuen Windows kommt das bekannte Startmenü zurück und damit die Möglichkeit, direkt auf wichtige Elemente zuzugreifen. Mit einem Klick gelangt der Anwender zu den Funktionen und Dokumenten, die er am häufigsten nutzt. Zudem wird es im Startmenü einen neuen Bereich geben, in dem Nutzer direkt auf favorisierte Apps, Programme, Kontakte und Webseiten zugreifen können. Apps aus dem Windows-Store öffnen sich in der neuen Windows-Version wie Desktop-Programme. Sie lassen sich in der Größe flexibel ändern und können, wie von Programmfenstern gewohnt, hin- und hergeschoben werden. Zudem werden die Apps eine Titelleiste haben zum direkten Schließen, Minimieren und Maximieren. Mit der neuen Snap-Funktion lassen sich zukünftig bis zu vier Apps gleichzeitig auf dem Bildschirm anordnen. Auch wenn es sich hierbei überwiegend um Spielereien und die Beseitigung von Luxusproblemen handelt, geht Microsoft hier konsequent auf die Forderungen der Anwender ein.

Anwender werden mit einbezogen

Das eigentliche Highlight, die eigentliche Revolution in Windows 10, liegt nicht in Funktionen oder Optik. Sondern darin, wie Windows entwickelt und wie das Betriebssystem ausgerollt wird. Microsoft will die Anwender früher und umfangreicher in die Entwicklung der neuen Updates, Funktionen und Erweiterungen einbeziehen. In das Produkt soll einfließen, was der Kunde will. Hierzu werden agile Entwicklungsmodelle genutzt, um das Feedback der Anwender in das Produkt einfließen zu lassen. Das bedeutet: Der Anwender bestimmt die Funktionen - der Anwender bestimmt die Entwicklung. Die klassische Produkt-Roadmap rückt in den Hintergrund.

Um dies zu ermöglichen, hat Microsoft Windows 10 relativ früh vorgestellt. Gut acht bis zehn Monate vor dem Erscheinen kommt die technische Vorschau auf den Markt. Interessierte Anwender haben ab heute die Möglichkeit, sich Windows 10 herunterzuladen. Entwickler und Anwendern tauschen sich in einem engen Feedback-Loop aus. Die neuen Funktionen werden regelmäßig und zeitnah ausgespielt.

Für Microsoft ist dieser Ansatz aus mindestens zwei Gründen wertvoll: Erstens können Neuerungen schnell ausgespielt werden. Das Produkt wird als dynamisch und agil wahrgenommen. Zweitens: Es ist ein geniales Marketinginstrument. So kann Microsoft immer damit aufwarten, dass die Anforderungen der Anwender umgesetzt würden. Credo: Ihr bekommt das, was ihr wollt. Spielraum für Kritik wird reduziert. Es ist eine Form der Kapitalisierung der Basisdemokratie.

Wie geht es weiter?

In den kommenden Monaten wird Microsoft zahlreiche Erweiterungen und Neuerungen bereitstellen. Auch wird ein erweitertes bzw. angepasstes Lizenzmodell kommen. Nachdem mit der technischen Vorschau primär Geschäftsanwender angesprochen wurden, muss zeitnah etwas "Zucker" für die Privatanwender folgen. So kann davon ausgegangen werden, dass Microsoft zum Start des Jahres 2015 einige News und Funktionen für Anwender vorstellt. In einem weiteren Schritt wird es darum gehen, die Entwickler abzuholen und das Gesamtbild zu schärfen. Also zu beweisen, dass die Integration über die Plattformen hinweg funktioniert. Insbesondere auch im Zusammenspiel mit den Cloud-Lösungen des Konzerns.

Lizenz zum Gelddrucken

Windows 10 wird die Grundlage für langfristig kommerzielle Erfolge von Microsoft werden. Die Ausrichtung des Betriebssystems von der auf Privatanwender fokussierten Spielekonsole Xbox bis hin zur Integration in das "Internet of Things" wird Erlöse aus etablierten und neuen Anwendungsszenarien generieren. Die Einsatzmöglichkeiten vom Smartphone bis hin zum 100-Zoll-Monitor sind einzigartig und deswegen für Entwickler wie Anwender gleichermaßen interessant. Zwischen Erfolg und Niederlage steht nicht das Produkt, sondern das Marketing. Es geht um nicht viel weniger, als die Wahrnehmung beim Kunden zu ändern. (rw)