DirectAccess, BitLocker to Go, BranchCache

Windows 7 verlangt nach neuem Server

11.11.2008 von Wolfgang Sommergut
Im Unternehmensnetz wartet der Vista-Nachfolger mit einigen interessanten Neuerungen auf. Die meisten davon setzen aber das Release 2 ("R2") des Windows Server 2008 voraus.

Wenn es nach Microsoft geht, dann soll sich die schleppende Verbreitung von Vista in Unternehmen bei Windows 7 keinesfalls wiederholen. Um dieses Ziel zu erreichen, will das Unternehmen einige gravierende Fehler vermeiden, die der Akzeptanz von Vista schadeten. Dazu zählt einerseits, dass keine aufwändigen Features angekündigt werden, die dann während einer überlangen Entwicklungsphase auf der Strecke bleiben. Windows 7 tritt daher als moderate Weiterentwicklung von Vista an, das seinem Vorgänger bereits nach drei Jahren folgen soll.

Der Umstellung auf Vista steht in vielen Firmen entgegen, dass das System aufgrund einiger grundlegender architektonischer Änderungen im Zusammenspiel mit bestehender Hard- und Software Kompatibilitätsprobleme bereitet. Microsoft betont die Notwendigkeit dieser weit reichenden Umbauten in den Windows-Fundamenten und weist auf die dadurch erzielten Fortschritte hinsichtlich der Sicherheit hin.

Windows 7 mit Vista-Unterbau

Eine Lektion, die der Hersteller aus dem holprigen Übergang von XP nach Vista gezogen hat, besteht darin, dass er bei Windows 7 auf gravierende Eingriffe in den Systemunterbau verzichten will. Microsoft verspricht daher Anwendern, die bereits auf Vista migriert sind, einen sanften Umstieg auf Windows 7. All jene aber, die Vista zugunsten seines Nachfolgers überspringen und sich die Schwierigkeiten des Upgrades ersparen wollen, erwartet daher mit Windows 7 eine ähnliche Hürde wie mit Vista.

Neben der überarbeiteten Taskleiste zählt die so genannte Jumplist zählt für den Endbenutzer zu den auffälligsten Neuerungen von Windows 7.

Wenn die Version 7 wie geplant Ende 2009 auf den Markt kommt, dann ist XP bereits mehr als acht Jahre alt. Nicht nur der auslaufende Mainstream Support, sondern auch der technische Rückstand gegenüber der aktuellen Version dürfte dann viele Anwender an ein Update denken lassen.

Neben einigen Verbesserungen in der Bedienerführung oder der enger integrierten Desktop-Suche soll auch sanfter Druck die Unternehmen zum Umstieg bewegen. Ein Mittel besteht darin, wesentliche Neuerungen des Windows Server 2008 R2, der 2010 auf den Markt kommen soll, den Clients unter Windows 7 vorzubehalten.

Exklusive USB-Verschlüsselung

Zu den interessanten Neuerungen zählt vor allem "DirectAccess", das als Alternative zu Virtual Private Networks (VPNs) den einfachen Zugriff auf das Firmennetz von außen über das Internet erlauben soll. Die Technik setzt IP v6 sowie IPsec voraus und soll dem Benutzer ein transparentes Arbeiten von unterwegs oder aus dem Home Office ermöglichen. Bis dato sieht Microsoft nicht vor, die dafür nötige Client-Komponente auf eine ältere Version von Windows geschweige denn auf ein Betriebssystem anderer Herkunft zu portieren.

Ähnlich verhält es sich mit den Sicherheits-Features "AppLocker" und "BitLocker To Go". Bei Ersterem handelt es sich um eine Funktion, mit der die Systemverwaltung die Ausführung von erwünschten Anwendungen im Firmennetz unterbinden kann. Dieses Feature lässt sich über Gruppenrichtlinien steuern und beschränkt sich nicht darauf, bestimmte Programme auszuschließen. Vielmehr kann die IT-Abteilung über Whitelists explizit festlegen, welche Applikationen zulässig sind, und damit die Ausführung aller anderen Software unterbinden

BitLocker To Go weitet die Laufwerksverschlüsselung auf Wechseldatenträger aus und kann dadurch dem Verlust vertraulicher Daten auf USB-Sticks vorbeugen. Referenten auf der diesjährigen TechEd in Barcelona betonten die Notwendigkeit dieses Features angesichts eines neuerlichen Datenschutzskandals in Großbritannien, bei dem ein Behördenmitarbeiter einen USB-Stick mit personenbezogenen Daten von 12 Millionen Bürgern auf einem Parkplatz verloren hatte.

WAN-Beschleuniger für Zweigstellen

Bei BranchCache handelt es sich um einen weiteren Infrastrukturdienst des Release 2 von Windows Server 2008. Er soll den Zugriff von Zweigstellen, die nur schmalbandig an die Firmenzentrale angebunden sind, auf Daten im Rechenzentrum beschleunigen. Zu diesem Zweck kann entweder ein R2-Server oder ein Windows-7-Client in der dezentralen Niederlassung als Zwischenspeicher dienen, so dass Informationen nur beim ersten Abruf über die langsame WAN-Verbindung übertragen werden müssen. Nachfolgende Anforderungen werden vom lokalen Zwischenspeicher bedient.

Auf der Gegenstelle in der Firmenzentrale ist ein R2-Server unabdingbar. Im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE erklärte Stella Chernyak, Windows Client Group Product Manager, dass eine Unterstützung dieses Features für ältere Windows-Versionen nicht vorgesehen sei.

Bevorzugter Client für Terminaldienste

Aufgrund der engen Kopplung von Windows 7 und Server 2008 R2 bricht Microsoft auch mit der Praxis, die Client-Software der Terminaldienste für ältere Ausführungen des Betriebssystems bereitzustellen. So kann etwa RDP 6.1, das die neuesten Features von Windows Server 2008 unterstützt, auch für XP von Microsofts Website heruntergeladen werden. Ähnlich verfuhr das Unternehmen schon früher und portierte das mit XP ausgelieferte RDP 6.0 sogar auf Windows 95 zurück.

Die nächste Variante von RDP, die voraussichtlich die Versionsnummer 7 tragen wird, bringt deutliche Verbesserungen bei Video- sowie Audio-Anwendungen und ist für die angekündigte virtuelle Desktop-Lösung von besonderer Bedeutung. Nach den bisherigen Plänen bleiben sie ebenfalls Windows 7 vorbehalten.

Marketing bewirbt Abhängigkeit

Angesichts von Microsofts Versprechen, dass Anwendungen und Hardware, die mit Vista problemlos zusammenarbeiten, auch unter Windows 7 reibungslos funktionieren werden, dürfte es nicht an großen technischen Hürden scheitern, die Client-Module der neuen Server-Dienste auch für Vista bereitzustellen.

Microsoft verkauft es als wesentliches neues Feature von Windows Server 2008 R2, dass eine Reihe von Neuerungen nur mit Windows 7 funktionieren.

Microsoft versucht die enge Abhängigkeit des neuen Server- und Client-Betriebssystems in einer Marketing-Aktion unter dem Slogan "Better Together with Windows 7" als Vorzug zu verkaufen. Dieses Vorhaben scheint Microsoft angesichts des Update-Staus in vielen Firmen und der Marktmacht seines Betriebssystems erfolgversprechend, auch wenn besonders die Vista-Anwender darüber wenig erfreut sein dürften. Nachdem sie Microsofts Appellen zum Umstieg gefolgt sind, müssen sie ab 2010 eine weitere Migration einplanen oder vorerst auf wichtige Plattformdienste des R2-Servers verzichten.

Mit dem eingeschlagenen Weg könnte Microsoft daher nicht nur die Akzeptanz der beiden neuen Systeme erhöhen, sondern riskiert im Gegenteil auch, dass eine Zurückhaltung der Anwender bei Windows 7 auch den Server 2008 R2 ausbremst. Dessen wichtigste Neuerung, die nicht von der Windows-7-Nutzung abhängt, besteht im Update von Hyper-V. Die nächste Version von Microsofts Hypervisor unterstützt fortgeschrittene Features wie den Umzug von virtuellen Servern während des laufenden Betriebs ("Live Migration").

MDOP für Client-Virtualisierung

Immerhin dürfen sich Anwender von XP und Vista bei Virtualisierungsfunktionen für den Desktop nicht gänzlich abgehängt fühlen. Zwar bietet Windows 7 mit "VHD Boot" eine interessante Neuheit, die es erlaubt, physikalische Installationen vom Image einer virtuellen Maschine hochzufahren. Hinsichtlich übergreifender Plattformdienste wäre indes App-V (ehemals "Softgrid") ein Kandidat gewesen, um für die Anwendungsvirtualisierung ähnliche Abhängigkeiten zwischen Client und Server zu erzeugen wie bei anderen neuen Features. Nicht zuletzt wegen des drohenden Ärgers mit den Wettbewerbshütern der EU verzichtet Microsoft aber darauf, dieses Tool in das Betriebssystem zu packen.

Dabei wäre es technisch durchaus sinnvoll, dieses neue Ausführungsmodell für Anwendungen tiefer im System zu verankern. App-V wird als Teil des "Desktop Optimization Pack" (MDOP) ausgeliefert, das neben vier weiteren Tools zukünftig auch die von Kidaro zugekaufte Technik enthält. Damit lässt sich Virtual PC besser verwalten und nutzen, so dass etwa nicht immer nur der komplette Desktop des virtuellen PC eingeblendet wird, sondern wahlweise nur einzelne Anwendungsfenster auf der Oberfläche des Host-Systems erscheinen.

MDOP wurde auf der TechEd in Barcelona als die sich in der Version 1.0 am schnellsten verkaufende Software aus Redmond gefeiert. Dies dürfte nicht zuletzt am Preis liegen, der für Assurance-Kunden zehn Euro pro Arbeitsplatz kaum übersteigt. Die einzelnen Tools kosteten vorher zusammen über 200 Dollar.