Interview mit Also-Chef Michael Dressen

"Wir wollen drei Mal so viele Lieferanten"

04.08.2009
Während COS Insolvenz anmelden musste und Ingram Micro in Europa einen Umsatzrückgang um fast ein Drittel zu verkraften hat, laufen die Geschäfte bei Also Deutschland stabil. Die ChannelPartner-Redakteure Armin Weiler und Dr. Ronald Wiltscheck sprachen mit Also-Manager Michael Dressen.

Während COS Insolvenz anmelden musste und Ingram Micro in Europa einen Umsatzrückgang um fast ein Drittel zu verkraften hat, laufen die Geschäfte bei Also Deutschland stabil. Die ChannelPartner-Redakteure Armin Weiler und Dr. Ronald Wiltscheck sprachen mit Also-Manager Michael Dressen.

Herr Dressen, den Halbjahresergebnissen zufolge hat Also Deutschland weniger gelitten als die anderen großen Distributoren. Wie haben Sie das bewerkstelligt?

Michael Dressen: Mit drei Maßnahmenpaketen. Zum Ersten mit einem konsequenten Kostenmanagement, auch bei den Personalkosten. Gegenüber dem ersten Halbjahr 2008 haben wir die Anzahl der Mitarbeiter um rund zehn Prozent reduziert. Ende 2008 hatte Also Deutschland 350 Mitarbeiter beschäftigt. Hinzu kamen Ersparnisse durch verringerte Zinsen. Zum Zweiten haben wir unser Margenmanagement weiter verbessert. Unsere Preiserhöhungen ab August 2008 haben dazu geführt, dass wir zehn Prozent an Marktanteilen im Schnitt über alle Hersteller hinweg verloren haben. Diese Verluste haben wir aber mit höheren Margen überkompensiert. Und zum Dritten trennen wir uns seit Mitte 2008 von unprofitablen Bereichen. Zum Beispiel haben wir das Geschäft mit E-Tailern deutlich reduziert und konzentrieren uns dafür auf die mittleren und großen Fachhändler sowie die Retailer.

In Europa musste Ingram Micro im zweiten Quartal 2009 einen Umsatzeinbruch von 32 Prozent hinnehmen. Warum tut sich die Distribution so schwer?

Dressen: Vielleicht haben wir mit vier (Actebis, Also, Ingram und Tech Data: Anm. d. Red.) einfach zu viele große Distributoren in Deutschland. In Frankreich gibt es nur zwei, sogar in den USA nur drei Broadliner. Hierzulande wollen die großen Distributoren ihre Marktanteile um jeden Preis erhöhen und wundern sich dann, wenn ihre Gewinne sinken. Die Marketshare-Denke ist der falsche Ansatz. Deshalb verzichten wir lieber zugunsten der Marge auf Marktanteile.

Wachstum in angestammten Segmenten

Aber Sie wollen doch auch wachsen. Müssen Sie da nicht Ihr Portfolio erweitern?

Dressen: Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass ohne neue Hersteller Wachstum nicht mehr zu realisieren ist. Wenn wir wieder an die Wachstumsraten der vergangenen fünf Jahre von durchschnittlich 25 Prozent anknüpfen wollen, müssen wir unser Produktportfolio erweitern. Mit den bestehenden Lieferanten haben wir bereits im Durchschnitt betrachtet das Maximum erreicht unter der Bedingung, dass wir das Geschäft profitabel gestalten, was für uns unabdingbar ist. Mittelfristig, also bis Ende 2010, wollen wir die Anzahl der Hersteller, die uns beliefern, verdoppeln oder sogar verdreifachen. Genaueres dazu werden wir im Herbst 2009 mitteilen.

In welchen Segmenten wollen Sie aktiv werden?

Dressen: In den von uns bereits bedienten Bereichen, aber auch in Marktsegmenten mit niedrigen Eintrittsbarrieren. Wir werden sicherlich keine Hersteller verpflichten, deren Produkte hochgradig erklärungsbedürftig sind. Wir wollen sofort verkaufen. Da sind wir ergebnisoffen, es gibt viele Bereiche, in denen wir unterrepräsentiert sind.

Das Thema "Frachtkosten" spielt für Sie immer noch eine wichtige Rolle?

Dressen: Nach wie vor. Als wir uns dieser Thematik annahmen, kamen gerade mal 40 Prozent unserer Fachhändler für die Frachtkosten auf, 2006 konnten wir diesen Anteil auf 65 und im Vorjahr auf 99 Prozent steigern. Leider hapert es noch an der Deckungssumme, das heißt, wir können unseren Resellern noch nicht die gesamten Frachtkosten in Rechnung stellen. Und das eine Prozent unserer Händlerschaft, das gar keine Frachtkosten zahlt, tut uns noch wirklich weh.

Hersteller sind selber schuld

Derzeit tobt in der IT-Branche ein erbitterter Preiskampf. In den dazugehörigen CP-Foren "Schweinepreis-Alarm" und "CHIC" (Chancengleichheit im Channel) berichten bereits mehr als 200 Fachhändler über ihre Erfahrungen mit E-Tailern, die Produkte unter HEK anbieten.

Dressen: Diese Entwicklung haben die Hersteller billigend in Kauf genommen. Sie wollen ihre Marktanteile stetig erhöhen und ihre äußerst ehrgeizigen Quartalsumsatzziele erreichen, da schließen sie schon mal großzügige Bonusverträge mit bestimmten E-Tailern ab. Die Distribution verdient dabei fast gar nichts, deshalb haben wir unseren Umsatz in diesem Segment deutlich reduziert.

Das erste Halbjahr 2009 war schon schwierig; wie wird sich das Marktumfeld "IT-Fachhandel" in der zweiten Jahreshälfte entwickeln?

Dressen: Ich glaube, wir haben die Talsohle erreicht. Die Frage bleibt, wie lange wir dort verharren müssen. Ich persönlich glaube nicht, dass es dieses Jahr noch aufwärts gehen wird. Und das Jahresendgeschäft 2009 wird definitiv schwächer ausfallen als 2008. Im nächsten Jahr könnte es schon ein wenig aufwärts gehen, aber 2010 werden wir noch unterhalb des Niveaus der Vorjahre bleiben. Wir selbst rechnen mit keinem oder nur sehr geringem Umsatzzuwachs 2010. (rw)