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"Zu alt" für den Arbeitsmarkt?

07.01.2011
Warum Leute über 40 als "Altes Eisen" gelten und was man dagegen tun kann, sagt Barbara Kettl-Römer.

Warum Mitarbeiter über 40 häufig zum "Alten Eisen" gezählt werden und was man dagegen tun kann, sagt Barbara Kettl-Römer im Interview.

?? Warum ist 40 auf dem deutschen und österreichischen Arbeitsmarkt eine derart magische Zahl, ab der die Jobchancen drastisch schwinden?

Es ist sicher nicht so, dass mit 39 noch alles in Ordnung ist und man einen Tag nach dem 40. Geburtstag plötzlich den Stempel "Altes Eisen" auf der Stirn trägt. Trotzdem ist ein "Thirtysomething" irgendwie noch jung, ein Vierziger aber nicht mehr. Mit 40 ist man keine hoffnungsvolle Nachwuchskraft mehr, der man viel Entwicklungspotenzial einräumt, sondern man muss sein Potenzial bereits ausschöpfen und demonstrieren, dass man etwas kann.

Wer mit Anfang 40 im Berufsleben steht, hat seinen beruflichen Weg im Prinzip gefunden, hat einiges an Erfahrung gesammelt, hat sich eventuell an einen Partner gebunden, vielleicht eine Familie gegründet. Damit sind Sie einfach nicht mehr so hungrig, unbedingt einsatzbereit und flexibel wie ein jüngerer Kollege, der noch dabei ist, sich und seinen Weg zu finden. Von "nicht mehr so hungrig und flexibel" ist es dann oft nicht mehr weit zu "unflexibel und zu wenig leistungsbereit" - jedenfalls in den Köpfen vieler Führungskräfte.

?? Wie soll/kann man als Betroffener damit umgehen, wenn man einerseits als zu alt für den Arbeitsmarkt eingestuft wird, andererseits das Rentenalter kontinuierlich erhöht wird?

"Zu alt für den Arbeitsmarkt" bezieht sich sehr oft gar nicht auf das Lebensalter, sondern auf die tatsächliche oder vermutete Qualifikation und Leistungsfähigkeit. Wer fachlich fähig, einsatzbereit und produktiv ist, wird auch mit 50 oder 60 im Unternehmen noch geschätzt.

Natürlich gibt es Branchen und einzelne Unternehmen, die einem extremen Jugendkult frönen. Dazu gehören besonders bestimmte Medien, IT-Unternehmen oder die Werbebranche. Wer in einer solchen Branche arbeitet, sollte nicht darauf hoffen, für ihn werde es eine Ausnahme geben, sondern sich lieber mit Ende 30, Anfang 40 eine Alternative überlegen, sich beispielsweise selbstständig machen oder in eine ähnliche Position in einer anderen Branche wechseln.

Ähnliches gilt für Arbeitnehmer, die besonderen körperlichen Belastungen ausgesetzt sind, denen sie im reiferen Alter nicht mehr standhalten können. Der gerne zitierte Dachdecker oder Maurer kann natürlich mit 55 nicht mehr auf dem Dach herumspringen oder den ganzen Tag Ziegel schleppen. Er kann aber in der Disposition, im Qualitätsmanagement oder in der Ausbildung oder als Spezialist für kniffelige Aufträge arbeiten. Vielleicht auch in Teilzeit. Er sollte sich jedenfalls nicht darauf verlassen, man werde ihn früher in Pension gehen lassen oder der Arbeitgeber werde sich für ihn schon etwas überlegen. Der spätere Renteneintritt wird sich angesichts der bekannten demografischen Entwicklung nicht verhindern lassen.

Demografische Entwicklung

?? Wird sich das Problem für ältere Arbeitnehmer nicht, dank der demografischen Entwicklung, in Zukunft von selbst erledigen? Wann rechnen Sie mit einer spürbaren Besserung für ältere Arbeitnehmer aufgrund dieser Entwicklung?

Viele Unternehmen sind sich heute schon der Tatsache bewusst, dass sie sich nicht mehr nur die jungen Leute aus dem Arbeitsmarkt herauspicken können und dass es schon jetzt schwierig ist, ausreichend qualifiziertes Personal zu bekommen. Gerade die Mittelständler haben deswegen in der Wirtschaftskrise alles getan, um ihre Belegschaften zu halten. Auch das "Employability Management", das dazu dienen soll, die Belegschaft möglichst lange fit, qualifiziert und leistungsfähig zu halten, verbreitet sich zunehmend. Eine gewisse Besserung der Situation für Ältere ist also heute schon zu erkennen.

?? Dann ist aber doch das Thema "Wie bleibe ich top im Job" nicht mehr so bedeutend?

Doch. Den hohen Anforderungen der heutigen Arbeitswelt können Sie nicht ausweichen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind die Arbeitskosten sehr hoch, und der Wettbewerb, in dem die Unternehmen global stehen, ist hart. Deswegen müssen die Arbeitnehmer einfach enorm produktiv und leistungsfähig sein. Die Unternehmen können und werden da keine Schutzräume für Ältere schaffen. Der Druck wird sicher nicht abnehmen.

Wer dabeibleiben und den Belastungen standhalten will, muss sich also laufend weiterqualifizieren, sich aktiv an Veränderungen anpassen, sich neuen Herausforderungen stellen, einsatzbereit sein und seine Gesundheit erhalten. Aber noch verhalten sich zu viele Arbeitnehmer jenseits der 40 zu passiv. Viele vertrauen auf den Kündigungsschutz und hoffen, dass sie sich bis zur Rente noch irgendwie durchwursteln können. Das aber ist jetzt schon gefährlich und wird in Zukunft gar nicht mehr funktionieren.

Problematisch ist die Lage bei gering qualifizierten Älteren, bei angelernten Kräften und solchen, die schon länger arbeitslos sind. Ich glaube nicht, dass diese nur aufgrund der demografischen Entwicklung bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben werden.

?? Was kann jeder Einzelne tun, um "jobfit" zu bleiben? Wie kann man die eigene Beschäftigungsfähigkeit erhalten bzw. verbessern?

Zunächst müssen Sie ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass Sie kein passiver Arbeit-Nehmer sind, sondern ein "Arbeitsmarkt-Unternehmer", der seine eigenen Fähigkeiten und Leistungen anbietet. In erster Linie sind Sie selbst dafür verantwortlich, sich arbeitsmarktfit zu halten - und das so lange, wie Sie am Arbeitsmarkt teilnehmen wollen oder müssen. Die einzelnen Bausteine der Jobfitness sind neben der Eigenverantwortung Initiative, lebenslanges Lernen, Flexibilität, Kommunikations- und Teamfähigkeit, Realismus und Frustrationstoleranz. Natürlich kann nicht jeder alles perfekt beherrschen, aber es geht darum, sich der Anforderungen bewusst zu werden und an sich zu arbeiten, sich kontinuierlich zu entwickeln und nie in geistige Trägheit und Passivität zu verfallen. Das kann man als Zumutung betrachten. Ich sehe es als Bereicherung.

Defizite bei der Selbstvermarktung

?? Sie schreiben, über 40-Jährige verkaufen sich bei Bewerbungen oft nicht gut. Woran liegt das? Ist das eine Generation, die das Selfmarketing nie richtig gelernt hat?

Ja, in unserer Generation ist die "Sei wie das Veilchen im Moose"- bzw. "Gib nicht so an!"-Maxime noch sehr verbreitet. Wir hoffen entweder, unsere Leistung werde schon für sich selbst sprechen. Das ist sympathisch, aber unrealistisch. Oder wir denken: "Ich will mich doch nicht verbiegen" und beharren darauf, unangepasst, unmodisch und unflexibel zu sein. Das ist naiv. Unternehmen suchen nicht nach Bescheidenheit oder Charakterschärfe. Sie suchen schlicht einigermaßen verträgliche und tüchtige Menschen mit bestimmten Fähigkeiten zur Problemlösung und Wertschöpfung. Und die müssen natürlich professionell angeboten und "verkauft" werden. Da besteht in der Generation 40 plus sicher noch Nachholbedarf.

?? Sie raten dazu, nicht zu lange in ein und demselben Unternehmen zu bleiben. Ist das in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit nicht sehr riskant?

Was ist riskanter: sich nach einigen Jahren in einem Unternehmen eine etwas höherwertige Stelle in einem anderen Unternehmen zu suchen, auch wenn man dort nicht sofort höchsten Kündigungsschutz hat, oder nach 25 Jahren im selben Unternehmen plötzlich auf der Straße zu stehen, weil der Betrieb geschlossen wurde? Wer 25 Jahre lang dasselbe im selben Unternehmen gemacht hat, gilt als eingefahren und nicht mehr lernfähig, und das sicher nicht ganz zu Unrecht. Wer öfter mal gewechselt hat, hat gezeigt, dass er die Fähigkeit hat, sich neu zu orientieren, neue Probleme zu lösen und sich an neue Anforderungen anzupassen. So jemand findet viel leichter wieder eine neue Stelle.

?? Kommunikationsprobleme treten oft dann auf, wenn der Chef jünger ist. Welche Regeln sollten über 40-Jährige hier beachten?

Der Chef ist der Chef, egal wie alt er ist. Kein Chef kann es sich auf Dauer bieten lassen, wenn ein Mitarbeiter bestimmte Anweisungen boykottiert, ihn ungefragt belehren will und ihm immer wieder signalisiert, dass er ihn nicht ernst nimmt. "Das habe ich schon immer so gemacht" oder "Für mich gelten hier Sonderregeln" sind Antworten, die kein Chef akzeptieren wird, genauso wenig wie "Dafür haben Sie doch viel zu wenig Erfahrung!"

Im Einzelfall ist es sicher hart, wenn da plötzlich ein Vorgesetzter sitzt, der dem Alter nach der eigene Sohn bzw. die Tochter sein könnte. Als souveräner Arbeitnehmer, der sich seines Wertes bewusst ist, können Sie damit aber professionell umgehen: Behandeln Sie Ihren jungen Chef wie jeden anderen Vorgesetzten auch und setzen Sie sich nach Kräften für die Ihnen zugewiesenen Aufgaben ein. Versuchen Sie nicht, ihn zu boykottieren oder zu erziehen, das klappt sowieso nicht. Machen Sie Vorschläge nicht gönnerhaft, sondern konstruktiv: "Ich habe da mal eine ähnliche Situation erlebt, da haben wir XY gemacht …" Es ist ja nicht leicht, in jungen Jahren schon Chef sein zu müssen - Sie mit Ihrer Erfahrung können es sich doch leisten, großzügig und wohlwollend zu sein! (oe)

Barbara Kettl-Römer ist die Verfasserin des Buches "Ü 40 und top im Job".

Kontakt:

Melanie Alwang, PR Check, E-Mail: melanie.alwang@pr-check.de