Zu hohe Margen in der UE-Industrie

06.09.2001

Neun Tage Hightechschau im Schatten des Funkturms: Aber ist Berlin noch eine Reise wert? Zumindest kamen weniger Besucher zur IFA als vor zwei Jahren. Und von den prognostizerten acht Milliarden Mark Umsatz blieben den Ausstellern gerade einmal vier übrig (lesen Sie dazu auch den IFA-Bericht auf Seite 10).

Warum kann die IFA nicht mit den jährlich steigenden Rekordzahlen der Cebit mithalten? Sind die Deutschen messemüde geworden? Oder gab es einfach keine Highlights, die einen Besuch der Messe rechtfertigen würden?

Blinkende und flackernde Großbildschirme sowie fantasievoll gestaltete Messestände konnten nicht darüber hinwegtäuschen: Wirklich neue und innovative Produkte gab es auf der IFA nicht zu bewundern. "Glücklicherweise kochen die Anderen auch nur mit Wasser", war ein gängiger Spruch der Aussteller, wenn man mal nach ihrem persönlichen Eindruck der Messe fragte. Mit anderen Worten: Viele Hersteller waren froh, dass die Konkurrenz auch nicht mehr zu bieten hatte als sie selbst.

Als Beispiel mag hier der digitale Videorekorder dienen, der im Vorfeld als großes Schlagwort auftauchte. Alle Hersteller, die etwas auf sich hielten, zeigten in Berlin die ersten Modelle. Als Grundgerät dient entweder eine beschreibbare DVD oder eine Festplatte zur Speicherung der Filmdaten. Doch gleich welche Technik: Bei Kosten von etwa 3.000 Mark dürften sich die Absatzchancen für die digitale Zukunft der Fernsehaufzeichnung in Grenzen halten. Erschwerend kommt bei DVD-Geräten noch das Gerangel der Hersteller in puncto Standard hinzu. Vier verschiedene Systeme buhlen zur Zeit um die Vorherrschaft. Und welches sich durchsetzen wird, steht noch in den Sternen.

Doch welche Features heben den digitalen Videorekorder vom deutlich preisgünstigeren VHS-Gerät ab? Schneller, schöner und besser sticht nicht als Verkaufsargument. Wenn ein Käufer sich für einen digitalen Videorekorder entscheidet, setzt er sehr hohe Erwartungen in das Gerät. Denn schließlich bezahlt er rund drei- bis viermal mehr als für einen guten VHS-Rekorder. Der Grund für den hohen Preis ist aber ganz einfach. Hersteller der UE-Industrie rechnen immer noch mit viel zu hohen Margen. Schaut man sich einen digitalen Videorekorder mit integrierter Festplatte einmal genauer an, stellt man schnell fest, dass im Inneren nur ein abgespeckter PC werkelt. Und da hier auch ein älterer Prozessor noch gut mit dem aufkommenden Datenvolumen mithalten kann und Festplatten heute auch fast nichts mehr kosten, drängt sich die Frage auf: Durch was ist der hohe Preis gerechtfertigt? Ein alter PC - mit einer Tunerkarte und einer großen Festplatte aufgerüstet - erledigt zu einem Spottpreis die gleiche Aufgabe.

Während in der IT-Branche mit immer weiter schrumpfenden Margen kalkuliert wird, glaubt die UE-Industrie weiter an ihren alten Privilegien festhalten zu können. Doch der Kunde ist nicht dumm. Wenn die IT-Industrie clever ist, bringt sie schnell alternative Produkte zu Preisen auf den Markt, die sich wirklich jeder leisten kann. Und dann geraten die großen Hersteller der Unterhaltungselektronik rasch ins Hintertreffen.

Hans-Jürgen Humbert

hhumbert@computerpartner.de