Ausschreibung für Microsoft-Standardsoftware

Zwang zur Gebrauchtsoftware?

28.11.2008
Bei der Beschaffung von Standardsoftware unter der VOL/A stellen sich grundsätzliche Fragen. Rechtsanwalt Thomas Feil gibt einen Überblick.

Diese Fragen lauten beispielsweise: Muss bei Standardsoftware auch Open-Source-Software als alternatives Angebot akzeptiert werden und wie sind die häufig kostenlosen Open-Source-Lizenzen mit in die Bewertung hineinzunehmen? Dürfen allein Microsoft-Produkte ausgeschrieben werden?

Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf hatte mit einem Beschluss vom 23.05.2008 (Az.: VK-7/08-L) eine weitere Frage hinzugefügt: "Muss bei der Beschaffung von Standardsoftware alternativ auch ein Angebot von Gebrauchtsoftware berücksichtigt werden?"

Pflicht zur produktneutralen Ausschreibung

Grundsätzlich verstößt eine hersteller- oder produktspezifische Ausschreibung gegen das Diskriminierungsverbot des § 97 Abs. 2 GWB. Außerdem verstößt eine hersteller- oder produktspezifische Ausschreibung gegen § 2 Nr. 2 VOL/A. Nach dieser Vorschrift sind wettbewerbsbeschränkende und unlautere Maßnahmen zu bekämpfen. Aus § 97 Abs. 2 GWB und § 2 Nr. 2 VOL/A ergibt sich, dass grundsätzlich die Anforderungen an Leistungen produkt-neutral zu beschreiben sind.

Sondersituation Kompatibilitätsprobleme

Einige Stimmen in der juristischen Literatur verweisen darauf, dass eine Entscheidung des OLG Frankfurt (Beschluss vom 28.10.2003, Az.: 11 Verg 9/03) beim Risiko von Kompatibilitätsproblemen eine Abweichung von der produktneutralen Ausschreibung zulassen würde. Bei dieser Entscheidung sind allerdings die Besonderheiten des Einzelfalls zu beachten. Bei dem Auftraggeber handelte es sich um eine Universität, die hinsichtlich der zu beschaffenden Produkte hohe Ansprüche an Genauigkeit und Zuverlässigkeit stellte. Eine nie völlig auszuschließende Gefahr von Kompatibilitätsproblemen kann für den öffentlichen Auftraggeber nicht als Rechtfertigung dienen, von dem vergaberechtlichen Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung abzuweichen.

Alternative Gebrauchtsoftware?

In dem Verfahren vor der Vergabekammer der Bezirksregierung Düsseldorf ging es um eine europaweite Ausschreibung für Microsoft-Standardsoftware für das Land Nordrhein-Westfalen. Ausschreibende Stelle war der Landesbetrieb für Datenverarbeitung und Statistik. Der Landesbetrieb hatte gefordert, dass der Anbieter ein autorisierter MS-Large-Account Reseller (LAR) ist. In den Teilnahmebedingungen hieß es, dass an dem Verfahren nur Handelspartner zugelassen sind, die LAR-Status haben. Handelspartner, die diesen Status nicht nachweisen können, werden aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen. Gegen diese Art der Ausschreibung wandte sich ein Anbieter von Gebrauchtsoftware und verwies darauf, dass die Ausschreibung nicht diskriminierungsfrei sei. Auch ein Anbieter von gebrauchter Software müsse die Möglichkeit haben, sich an entsprechenden Ausschreibungen zu beteiligen.

In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, dass die Rechtsunsicherheiten beim Handel mit Gebrauchtlizenzen grundsätzlich nicht ausreichen, um gebrauchte Software aus dem Kreis der Anbieter auszuschließen. Die Vergabekammer verweist darauf, dass es durchaus positive Entscheidungen gibt, die eine Zulässigkeit des Handels mit Gebrauchtsoftware annehmen. Eine im Detail anzustellende Prüfung der Leistungsfähigkeit eines Anbieters von Gebrauchtsoftware erscheint daher offen und berechtigt die Vergabestelle nicht zu der Prognose, dass Gebrauchtsoftwareanbieter gar keine Möglichkeit hätten, zu einem Vertragsschluss mit dem Auftraggeber zu kommen.

Besonders störte sich die Vergabekammer aber an der Forderung, dass Bieter nur ein autorisierter MS-Large-Account Reseller (LAR) sein kann. Für eine solche Forderung sieht die Vergabekammer keine Rechtfertigung gegeben. Der von dem Landesbetrieb angebrachte Verweis auf den Select-Vertrag des Bundesinnenministeriums ließ die Vergabekammer nicht gelten. Hierin sah sie einen vom Auftraggeber willentlich und ohne rechtliche Notwendigkeit geschaffenen Umstand, auf den sich der Landesbetrieb nicht berufen könne. Die Ausführungen im Nachprüfungsverfahren beziehen sich nicht ausdrücklich allein auf die Angebote von Gebraucht-Software, sondern erörtern allgemein eine einschränkende Anforderung, die seitens des Auftraggebers in der Ausschreibung formuliert wurde.

Darüber hinaus kritisiert die Vergabekammer, dass die Gesamtleistung nicht in Lose zu unterteilt wurde. Gründe für das Unterlassen der Aufteilung in Lose liegen nicht auf der Hand. Auch war das voraussichtliche Gesamtvolumen der Beschaffung nur sehr vage in der Ausschreibung beschreiben worden. Dies wird von der Vergabekammer ebenfalls beanstandet.

Die Aufstellung des Eignungskriteriums "LAR-Händler" sowie die weiteren vergaberechtlichen Fehler führten zu einer Verletzung der Rechte des Gebrauchtsoftwarehändlers. Weitergehende Entscheidungen musste die Vergabekammer nicht treffen, da durch die ausschreibende Stelle vor dem Beschluss in dem Nachprüfungsverfahren die Aufhebung der Ausschreibung erklärt wurde.

Zusammenfassung und Praxishinweis

Die Vergabekammer weist in ihrer Entscheidung deutlich darauf hin, dass die Angebote von Gebrauchtsoftware mit dem Hinweis auf rechtliche Unsicherheiten nicht von vornherein ausgeschlossen werden können. Hier braucht es gute Gründe, um bei Ausschreibungen künftig ausschließlich neue Standardsoftware zu fordern. Hauptkritikpunkt ist allerdings die von dem Auftraggeber aufgestellte Forderung, dass nur bestimmte qualifizierte Händler Angebote abgeben dürfen. Diese Einschränkung des Bieterkreises hat die Vergabekammer verworfen.

Autor: Rechtsanwalt Thomas Feil

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