Abmahnwelle durch Binary Service GmbH

Abmahnopfer schlagen zurück

22.08.2012 von Armin Weiler
Derzeit schwappt eine Abmahnwelle in die Briefkasten zahlreicher Händler. Der Grund: Ein fehlendes Impressum auf ihrer Facebook-Präsenz. Nun wollen sich die Opfer der Massenabmahnung wehren und gehen in die Offensive
Böse Überraschung für IT-Firmen mit Facebook-Profil: Massenweise hagelt es Abmahnungen wegen einem fehlendem Impressum.
Foto:

Derzeit schwappt eine Abmahnwelle in die Briefkasten zahlreicher Händler. Der Grund: Ein fehlendes Impressum auf ihrer Facebook-Präsenz. Nun wollen sich die Opfer der Massenabmahnung wehren und gehen in die Offensive.

Die "Wettbewerbsrechtliche Abmahnung mit Aufforderung zur einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung" der Kanzlei HWK, Rechtsanswalt Hans-Werner Kallert, gehen auf die Firma Binary Services GmbH mit Sitz in Regenstauf, zurück. In diesem ChannelPartner vorliegenden Schreiben wird ein direktes Konkurrenzverhältnis mit den Betroffenen angenommen: "Ihr Unternehmen ist, ebenso wie meine Mandantin, in dem Geschäftsbereich IT Service tätig, daher sind Sie ein(e) Mitbewerber(in) meiner Mandantin i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG", schreibt Rechtsanwalt Kallert. Seine Mandantin sei "ein Systemhaus mit stark erweitertem Kompetenzbereich". Allerdings ist die Regenstaufer Firma noch sehr jung, laut Unternehmensregister wurde das Systemhaus erst vor gut einem Jahr in Regensburg gegründet. Seit 24.11.2011 befindet sich der Sitz im benachbarten Regenstauf.

So bezweifeln viele von der Abmahnung Betroffene, dass es Binary Services tatsächlich nur um die korrekte Darstellungsform auf Facebook-Seiten geht. Mittlerweile sind schon weit über hundert Empfänger ähnlich lautender Abmahnungen der Kanzlei HWK bekannt. Und auch einer der beiden Geschäftsführer von Binary Services, Florian Blischke, ist in Sachen Abmahnungen kein unbeschriebenes Blatt: So ermittelte Blischke als Geschäftsführer der Firma BHIP reliable Netservices für Koch Media GmbH vermeintliche Urheberrechtsverletzer. Dass es dabei nicht immer korrekt zugegangen sein soll, berichten zahlreiche Internet-Blogs und Foreneinträge. Und man kennt sich in der Abmahnbranche: BHIP reliable Netservices residierte in Maxhütte-Haidhof, dort befindet sich auch die Kanzlei HWK. Erstaunlich für eine Anwaltskanzlei: Weder im Abmahnschreiben, noch im Telefonbuch ist eine Adresse angegeben. Man versteckt sich hinter einem Postfach. Allerdings gibt es im Telefonbuch einen Eintrag eines "Kallert H.-W." mit derselben Telefonnummer des "Rechtsanwalt Kallert Hans-Werner". Die letzte bekannte Adresse der BHIP reliable Netservices und die Adresse von "Kallert H. - W." liegen nur wenige Meter voneinander entfernt.

Eine Anfrage von ChannelPartner an Herrn Kallert bezüglich der aktuellen Abmahnungen blieb bis dato unbeantwortet. In einem Artikel des Handelsblatts wird jedoch berichtet, dass der Rechtsanwalt bereits Drohanrufe erhalten habe. Es fände eine regelrechte "Hetzjagd" statt. "Was da losgebrochen ist, dafür fehlt mir jedes Verständnis", wird der Anwalt zitiert.

Wie sich die Betroffenen zur Wehr setzen, lesen Sie auf den folgenden Seiten.

Betroffene gründen Facebook-Gruppe

Laut Impressum sind Florian Blischke und Marco Hahn die Geschäftsführer der Binary Services GmbH

Mittlerweile hat sich auf Facebook eine Gruppe Betroffener organisiert. Rund 130 Mitglieder sind es bereits und stündlich kommen neue hinzu. "Auch wir wurden von RA Kallert im Auftrag seiner Mandantin Binary Services GmbH abgemahnt. Derzeit halte ich die Bildung einer möglichst großen Gruppe von ebenfalls Betroffenen für einen der wichtigsten Schritte auf dem Weg zu Klarheit in dieser Angelegenheit", schreibt ein Mitglied der Geschlossenen Facebook-Gruppe "Abmahn-Opfer Binary Services". Auch ChannelPartner-Leser Manfred Riesterer vom Freiburger Systemhaus Connect Computer gehört zu den Abgemahnten. "Wir sind überhaupt keine Konkurrenten", wundert sich Riesterer. Dass sich ausgerechnet eine Facebook-Gruppe gründet, wo doch der Facebook-Auftritt der Grund für die Abmahnungen darstellt, hat auch für den Systemhauschef eine gewisse Ironie. "Nun nutzen wir eben die neuen Medien auf andere Weise", meint er.

Die Facebook-Gruppe hat nun wohl Aufmerksamkeit nicht nur bei den Betroffenen geweckt: Die Initiatoren berichten von Versuchen, einen "Maulwurf" in die Gruppe einzuschleusen. Zudem wurde einer der Gründer bei Facebook als Spammer denunziert. Wer allerdings hinter diesen Aktionen steckt, ist schwer nachzuweisen.

"Nicht unterschreiben", rät der Anwalt

"Nicht unterschreiben, nicht bezahlen!", raten die Anwälte.

Armin Brunner, ebenfalls Mitglied der Facebook-Gruppe, hat sich juristischen Beistand bei den Anwälten von Abmahnhelfer.de gesucht. Diese werden nun ein Sammelvorgehen gegen Abmahnungen der Kanzlei HWK vorbereiten. "Grundsätzlich liegt zwar ein Verstoß zugrunde, der abmahnfähig ist", erläutert Rechtsanwalt Johannes von Rüden. Er vermutet jedoch "sachfremde Motive" hinter den Abmahnungen. Betroffenen rät von Rüden, die Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht voreilig abzugeben und auch nicht die geforderten Beträge zu bezahlen, auch wenn sie mit 265,70 Euro nicht besonders hoch sind. "Die Forderung ist gering, deshalb zahlen viele", weiß der Anwalt. Die Empfänger der Abmahnung sollen sich vielmehr juristischen Beistand suchen. Abmahnhelfer.de vertritt bereits rund 80 Fälle. Manche Anwälte, die ebenfalls mit der Sache befasst sind, gehen von über 1.000 Abmahnungen durch Binary Services und der Kanzlei HWK aus.

In der Gruppe wird auch von Anrufen der Kanzlei berichtet, in denen nochmals die Rücksendung des Schriftstücks gefordert wird. Zudem soll bereits Mitgliedern, die sich juristischen Beistand geholt haben, ein "Vergleich" angeboten worden sein. "Offensichtlich bekommt man auf der Gegenseite kalte Füße", wird in der Gruppe vermutet. "Die fragten nur nach einer außergerichtlichen Einigung, als ich erwähnte, dass ich die Sache einem Anwalt übergeben habe, wurde sofort aufgelegt", erzählt ein Angerufener.

Facebook ist nicht ganz unschuldig

Bei der ganzen Auseinandersetzung gerät aber gerne in Vergessenheit, dass der Auslöser der ganzen Probleme die Darstellung von Unternehmenspräsenzen auf Facebook ist. So sehen die Betroffenen auch das soziale Netzwerk in der Pflicht: "Ein rechtssicheres Impressum ist derzeit auf Facebook-Seiten nicht erstellbar", beklagt ein Gruppenmitglied gegenüber ChannelPartner. Er weist zudem darauf hin, dass auch die Darstellung auf mobilen Geräten problematisch ist. "Ich persönlich werde, solange die Rechtslage derart unsicher ist, die Facebook-Seite für offline nehmen und fordere Facebook auf, hier schnell und rechtssicher nachzubessern", betont der IT-Spezialist. Leider sei es aber nahezu unmöglich, mit Facebook Kontakt aufzunehmen. Auch ChannelPartner hat versucht, bei Facebook eine Stellungnahme zu bekommen. Wir werden im Falle einer Antwort darüber berichten.

Die Abgemahnten werden nicht klein bei geben. Doch sie sehen auch den Gesetzgeber gefragt: "Wir alle wollen erreichen, dass so etwas in Zukunft vom Gesetzgeber unterbunden wird. Es kann nicht sein, dass Firmen Abmahnungen zum Geschäftsmodell machen, das vor allem ist es nicht im Sinne des UWG", schreibt einer. So kämpfen sie weiter, dass "Erpressen durch Impressen", wie es ein Leidengenosse ausdrückt, nicht zur Methode wird. (awe)

Meinung des Redakteurs

Eines vorweg: Es gibt tatsächlich eine Anbieterkennzeichnungspflicht, wie sie auch in dem Abmahnschreiben der Kanzlei HWK erwähnt wird. Wer dieser Pflicht nicht nachkommt, muss mit entsprechenden Folgen rechnen.

Was allerdings ein Systemhaus in Regenstauf, das liegt irgendwo in der Oberpfalz, dazu veranlasst, massenweise vermeintliche Konkurrenten wegen des fehlenden Impressums auf einer Facebook-Präsenz abzumahnen, ist fragwürdig. Einen Wettbewerbsnachteil für Binary Services kann man beim besten Willen nicht erkennen. Ist es dann die Aktion von selbst ernannten Web-Sheriffs, die für ein rechtlich korrektes Internet kämpfen? Zweifel sind angebracht.

Alleine die große Zahl der Abmahnungen lässt den Verdacht aufkommen, dass hier nur zum Zweck der Profitmaximierung einer Anwaltskanzlei Passende Opfer gesucht wurden. Heute sind IT-Reseller in das Visier geraten, morgen können es Gemüsehändler oder Krabbelgruppen sein.

So kann man den Initiatoren der Facebook-Gruppe sowie den Betroffenen, die juristisch gegen die Abmahnungen vorgehen, nur viel Erfolg wünschen, denn die Auswüchse, die das deutsche Abmahnwesen mittlerweile angenommen hat, sind alles andere als gesund.

Armin Weiler

Chefreporter ChannelPartner