Vertrieb im Systemhaus

"Aktiv bleiben“ reicht in der Krise nicht aus

26.03.2024 von Olaf Kaiser
Wie sollten Systemhäuser reagieren, wenn Kunden Projekte verschieben und die eigene geschäftliche Zukunft unsicher ist? Da reicht eine „Nicht verzagen, weiter aktiv bleiben!“-Strategie oft nicht aus.

Wie können Systemhäuser in schwierigen wirschaftlichem Gesamtumfeld erfolgreich bleiben?
Der Schlüssel, um prekäre Lagen zu vermeiden, ist ein erfolgreicher Vertrieb. Als nahezu reflexartige Reaktion kommen oft gut gemeinte Ratschläge wie "aktiv bleiben", "jetzt noch mehr telefonieren", "die Sichtbarkeit erhöhen", "Führung zeigen", etc.

Bitte nicht nur Aktivität anzeigen lassen.
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Das ist alles richtig. Nur gilt das alles auch dann, wenn es keine Krise gibt. Hier feht es an den inhaltlichen Unterschieden zwischen dem Krise- und Nicht-Krise-Modus. Es ist ganz sicher besser, jetzt sehr aktiv zu kommunizieren und zu verkaufen. Das gilt allerdings immer und zu jeder Zeit.

Wo liegen also die Spezifika einer aktuellen Krisensituation und was kann uns über zusätzliche Aktivität hinaus noch weiterhelfen?

Welche Sensoriken sind im Vertrieb in Krisenzeiten wichtig?

Die beiden in einer Krise relevanten Fragen und damit wichtigsten Sensoren für eigene Maßnahmen im Systemhaus sind:

  1. Erreiche ich meine Zielgruppe kommunikativ noch ausreichend?

  2. Entscheiden sich meine Kontakte noch oder verschieben sie ihre Themen?

In Krisenzeiten gibt es zwei neue Risikofaktoren, die die Krise von der Normalität differenzieren:

Wenn eines der beiden Risiken in höherem Maße eintritt, findet kein Verkaufsabschluss mehr statt. Für erfolgreich agierende Systemhäuser schlägt hier die Stunde der Wachsamkeit sowie der erhöhten Messung und Sensorik.

Kann ich Stand heute schon erkennen, ob sich die Anzahl der persönlich geführten Gespräche verändert? Was war mein Niveau an Gesprächen - nicht Terminen - das ich zu Erfolgszeiten hatte und wo stehe ich heute? Bei dem Risiko der fehlenden Erreichbarkeit der Kunden geht es nicht um die absolute "Schlagzahl" sondern um eine Sensorik, die eine negative Veränderung erkennt.

"Das ist zu teuer!" - 18 Antworten auf diesen Kundeneinwand
"Zu teuer? Im Vergleich zu was genau?"
"Teuer" ist ein relativer Begriff. Wenn Sie herausfinden, mit welcher Alternativlösung Sie Ihr Interessent vergleicht, können Sie in der Folge präzise den Mehrwert Ihrer Lösung, Ihres Produktes oder Ihrer Dienstleistung darstellen.
"Wirklich? Wie kommen Sie zu dem Schluss?"
Diese Antwort führt dazu, dass Ihr Interessent seine Sicht begründet. Somit verstehen Sie die spezifischen Bedenken und Vorbehalte und können diese aufgreifen und entsprechend entkräften.
"Ich verstehe, Sie wissen: die besten Produkte/Lösungen benötigen in der Regel etwas mehr Budget."
Geoffrey James, Vertriebsexperte aus den USA, hat einmal gesagt, dass der Einwand "Preis" erst dann ernst zu nehmen ist, wenn der Interessent diesen Aspekt mindestens zwei Mal auf den Tisch bringt. Bedeutet, dass Sie mit dieser Aussage diejenigen Interessenten identifizieren, die entweder tatsächlich nicht genügend Budget haben oder aber diejenigen, die einfach mit dem Budget "spielen" möchten. Oftmals geht es danach ja eh in die Verhandlungsrunden mit dem Einkauf.
"Was bedeutet es für Sie, wenn Sie das Projekt nicht umsetzen - was ist die Konsequenz daraus?"
Einer meiner persönlichen Favoriten, denn durch diese Gegenfrage bringen Sie Ihren Gesprächspartner dazu, zu reflektieren, was passiert, wenn er Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung nicht in Anspruch nimmt.
"Ist es eine Frage des Budgets oder des Cash Flow?"
Durch diese Frage finden Sie heraus, ob es dem Interessenten um einen Nachlass auf Grund mangelnder Budgets oder um eine Verlängerung des Zahlungsziels geht. Sobald Sie dies wissen, können Sie entsprechend gezielt in die weiteren Verhandlungen treten.
"Losgelöst von der Budgetfrage: Hilft Ihnen unser Produkt/unsere Dienstleistung, Ihre Herausforderung zu lösen?"
Eine direkte Gegenfrage, die konsequent und ohne Umschweife auf den Wert Ihres Produktes beziehungsweise Ihrer Dienstleistung abstellt. Dadurch stellen Sie die Werthaltigkeit wieder in den Fokus.
"Was genau ist zu teuer?"
Diese Gegenfrage führt dazu, dass Ihr Interessent erläutert, welche Teile des Angebotes ihm zu teuer erscheinen. Aussagen wie "Nun, das ist eine Menge Geld für etwas telefonieren" verdeutlicht mir beispielsweise sofort, dass der Interessent den Wert einer professionellen Kaltakquise für sich noch nicht erkannt hat und wahrscheinlich davon ausgeht, dass es sich um eine klassische Call Center Telefonie handelt.
"Zu Teuer? Das stimmt mich jetzt nachdenklich"
Nachdenklich - mit dieser Formulierung stellen Sie wieder auf die Wertigkeit Ihres Produktes/Ihrer Dienstleistung ab. Sie bringen zum Ausdruck, dass es für Sie gar nicht wirklich nachvollziehbar ist, dass ein Interessent den Wert nicht erkennt.
"Ist die Investition der einzige Aspekt, der Sie von einer Beauftragung abhält?"
Mit dieser Frage finden Sie heraus, ob es noch anderweitige Einwände gibt oder ob es tatsächlich "nur" um das Budget geht.
"Gut, ich verstehe. Auf welche Produktfeatures/Leistungsbestandteile können Sie am ehesten verzichten?"
Damit sagen Sie dem Interessenten, dass die Investitionshöhe unmittelbar mit der Werthaltigkeit Ihres Produktes/Ihrer Dienstleistung verbunden ist. Wenn der Kunde weniger zahlen möchte, dann sollte er sich darüber im klaren sein, dass er nicht die volle Gegenleistung erwarten darf.
"Ist es so, dass der Preis Sie davon abhält in das Produkt/die Dienstleistung zu investieren, die Ihnen wirklich weiterhilft?"
Hier gehen Sie latent auf das Thema "Geiz ist geil"/Billigkäufe ein, ohne es auszusprechen. Aber Sie sensibilieren Ihren Ansprechpartner nochmals zu diesem Thema. Darüber hinaus finden Sie mit dieser Frage heraus, ob Ihr Produkt/Ihre Dienstleistung wirklich die beste Lösung für die Aufgabenstellung des Kunden ist.
"Bedeutet dies, dass wir niemals die Möglichkeit zur Zusammenarbeit finden?"
Colleen Francis von Engage Selling Solutions aus USA sagt, dass das Wort "niemals" ein maßgeblicher Trigger ist. "Niemals" ist ein sehr mächtiges Wort und die meisten Menschen mögen das Wort auch nicht. Daher werden viele der Interessenten mit "Naja, nein, niemals würde ich nicht sagen…" antworten. Und schon liegt der Ball wieder beim Vertrieb, da er nun in die konkreten Verhandlungen einsteigen kann oder aber das Gespräch und die Verhandlung tatsächlich komplett beenden kann.
"Welchen Return on Investment wünschen Sie sich genau?"
Diese Gegenfrage lenkt die Gedanken des Interessenten weg von "teuer" und "billig" hin zu dem langfristigen Wert, den Ihr Produkt/Ihre Dienstleistung mit sich bringt.
"Verstehe ich richtig, dass unsere Preise im Vergleich zum Mitbewerb höher sind?"
Wenn Ihre Preise höher sind als die des Mitbewerbs, so dienst diese Gegenfrage dazu, direkt auf die Differenzierung zum Mitbewerb einzugehen.
"Haben Sie in der Vergangenheit schon einmal in ein ähnliches Produkt/eine ähnliche Dienstleistung investiert?"
Oft haben Interessenten tatsächlich eine unrealistische Preisvorstellung, was ein gutes Produkt oder eine professionelle Dienstleistung kosten darf. Ein Grund hierfür kann sein, dass der Interessent noch niemals ein vergleichbares Produkt oder Dienstleistung bezogen hat. Mit dieser Gegenfrage haben Sie die Chance derartige "Missverständnisse" auszuräumen.
"Wann haben Sie das letzte Mal etwas nur wegen des Preises gekauft?"
Auch hier geht es, ähnlich wie bei Punkt 11, um das "billig". Gerade im B2B-Umfeld kenne ich kaum verantwortliche Mitarbeiter, die sich damit rühmen "billig eingekauft zu haben". Vielmehr geht es darum Lösungen beschafft zu haben, die dem Unternehmen einen Mehrwert bringen.
"Ich verstehe Sie und ich hatte erst vor kurzem 2/3/4 Kunden wie Sie, die ebenfalls Bedenken wegen des benötigten Budgets hatten. Letztendlich haben sich diese Kunden doch entschlossen das Projekt umzusetzen und wissen Sie was daraus resultierte?"
Und dann setzen Sie das Gespräch mit einer eindrucksvollen Case Study fort, die belegt warum Ihr Produkt/Ihre Dienstleistung sein Geld wert ist. Wichtig ist hierbei, dass es sich um "echte Case Studies" handelt, die Sie dem Kunden auch schriftlich nachweisen können.
"Wie verhält es sich beim Vertrieb in Ihrem Unternehmen? Verkauft Ihr Unternehmen seine Produkte/Lösungen/Dienstleistungen über den Preis?"
Ein weiterer Favorit von mir, eine Aussage, die ich als Joker immer gerne im Ärmel habe. Auch Ihre Kunden müssen Ihre Produkte/Dienstleistungen verkaufen und mit sehr großer Wahrscheinlichkeit erfolgt dies nicht über eine Billigpreis-Strategie.

Es ist daher wichtig, alle Gespräche zu aktuellen und zu neuen Verkaufschancen penibel auf den Tag genau zu dokumentieren. Und die vertriebliche Führung schaut täglich auf die Entwicklung der Kontaktmenge und bespricht das Thema der Kundenerreichbarkeit wöchentlich mit dem gesamten Vertrieb. Parallel holt sich das Systemhaus noch weitere Daten für eine persönliche Einschätzung.

Kommen wir zum zweiten genannten Risiko: der Verschiebung oder Stornierung von Verkaufschancen und Angeboten. Zeigen die Daten im Systemhaus den Grund für das Ausbleiben eines Auftrags oder für ins Stocken geratene Vertriebsprozesse so exakt an, dass eine Verschiebung - vielleicht auf unbestimmte Zeit - von dem normalen Entscheidungsprozess bis zum Auftrag unterscheidbar ist? Sind all diese Fälle strukturiert auswertbar?
Die Antworten auf diese Fragen benötigen all jene, die rechtzeitig erkennen wollen, ob die Liquidität für das Systemhaus komplett wegfällt oder sich nur in die Zukunft verlagert. Im Anschluss gilt es dann für den Systemhaus-Chef angemessen zu reagieren.

Je besser die Sensoren, desto weniger Feuer im Systemhaus.
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Wer die eintretenden Veränderungen mit einer aktiven Steuerung des Vertriebs als Sensor erkennt und darauf reagiert, reduziert das Risiko einer Delle im Auftragseingang spürbar.

Für Systemhäuser empfiehlt es sich, den beiden wesentlichen krisenbedingten Risiken

rechtzeitig mit Sondermaßnahmen zu begegnen, um profitabel zu bleiben.

Die erfolgversprechendsten aktiven Maßnahmen zur Erhöhung der Kundenbindung in der Krise sind:

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