6.000 Stellen gestrichen

Alcatel-Lucent baut sich um

12.12.2008
Der defizitäre Tk-Ausrüster Alcatel-Lucent will sich künftig auf 3G-Netze und damit verbundene Dienste konzentrieren. Zugleich will es weitere 6.000 Stellen streichen.

Auch nach der Entlassung von Patricia Russo im September kommt der defizitäre französisch-amerikanische Telekommunikationsausrüster Alcatel-Lucent nicht zur Ruhe. Das 2006 entstandene Gemeinschaftsunternehmen kündigte an, 6.000 Stellen zu streichen. 1.000 Angestellte mit Personalverantwortung ("Manager", so das Unternehmen) und 5.000 externe Mitarbeiter seien betroffen. Ziel sei es, wie das Unternehmen mit Sitz in Paris erklärte, in den kommenden zwei Jahren jeweils eine Milliarde Euro einzusparen. Welche Auswirkungen das Programm auf die deutsche Lucent mit seinen 4.500 Mitarbeitern haben wird, steht nach Auskunft des Unternehmens noch nicht fest.

Darüber hinaus teilte der Netzwerkausrüster mit, er werde sich künftig auf viel versprechende 3G- und kommende 4G-Netzwerktechnologien (LTE, W-CDMA, Enhanced packet core) konzentrieren. Auch bei den damit zusammenhängenden und zu erwartenden Diensten, derzeit unter "Web 2.0"-Plattformen und unter dem vagen "Web 3.0" firmierend, wolle es eine führende Rolle spielen. Eigenen Angaben zufolge versteht Alcatel unter "Web 3.0" lokale und mobile Dienste für Nutzer und Kunden von Service Providern.

Das Unternehmen wolle "Qualitäts- und Sicherheitsmechanismen der Netze mit Web-Applikationen verbinden. Dafür schafft Alcatel-Lucent eine Netz-Umgebung, die solche Web-Applikationen ermöglicht", schrieb Martina Grüger-Bühs, Leiterin Communications Germany bei Alcatel-Lucent Deutschland auf Anfrage.

Als ein mögliche Beispiel führt Grüger-Bühs ChannelPartner gegenüber an: "Man will einen Artikel im Web kaufen, kennt aber den Anbieter/die E-Commerce-Plattform nicht. Dieser könnte die Abrechnung (Billing) über den Netzbetreiber abwickeln, der sein Vertrauen genießt. Das wäre wiederum einen kleinen Kostenaufschlag wert. Alcatel-Lucent wäre der Enabler, der die Abrechnungsplattform des Netzbetreibers mit der E-Commerce-Plattform und Web-Applikationen verknüpft. Und auch noch die Sicherheitsmechanismen für die Transaktion zur Verfügung stellt."

Abschied vom Festnetz

Auf der anderen Seite kündigte Alcatel an, die Entwicklung von Lösungen für weniger gefragte Netztechnologien wie WiMax, GSM oder ADSL, ferner CDMA 1x oder das ehrwürdige ATM entweder zurückzufahren oder einzustellen. Entsprechend würden die Produktportfolios nach und nach "verschlankt".

Der Tk-Ausrüster, der seit der Fusion 4,84 Milliarden Euro Verlust gemacht hat und seit Oktober 2007 dabei ist, 16.500.Stellen - 20 Prozent der Belegschaft - abzubauen, erklärte, er werde auch Partnerschaften bei der Forschung sowie allmählich auslaufenden Netztechnologien, etwa bei Festnetztechnologien, eingehen. Das Unternehmen gehe von einer unvermeidlichen "Konsolidierung" der Anbieter in diesen Netzbereichen aus.

Des Weiteren erklärte Alcatel-Lucent, es werde es sich künftig auf die drei Kundensegmente Service Provider, Unternehmen und einige vertikale Märkte konzentrieren, beispielsweise Behörde und Anbieter von IP-TV, ferner Applikationsanbieter.

Die neue Unternehmensstrategie kommentierte Ben Verwaayen, seit diesem September CEO des Unternehmens, so: "Wir werden eng mit unseren Serviceprovidern, Geschäftskunden und Anbietern von Anwendungen zusammenarbeiten, um diese strategische Umgestaltung in Angriff zu nehmen." Alcatel-Lucent hat seit dem Antritt des ehemaligen British Telecom-Managers nahezu das gesamte obere Management ausgewechselt.

Analysten hingegen zeigten sich wenig beeindruckt von der angekündigten Strategie. Ihnen zufolge verpackt Alcatel-Lucent nur das neu, was es bereits heute macht: Netzwerke auszurüsten und zu managen. Doch da in diesem Markt seit Jahren ein unerbittlicher Preiskampf herrscht, könne das Gemeinschaftsunternehmen sich ihm nicht entziehen. Allein mit Kostenreduzierungen und Stellenstreichungen könne sich das Unternehmen nicht neu aufstellen. Das Unternehmen müsse sich auf neue Geschäftsfelder, beispielsweise moderne und ökologisch verträgliche Stromnetze und Dienste, konzentrieren. (wl)