Mit Berichten über die Sperrung von Amazon-Kundenkonten sorgt Blogger Carsten Knobloch aka Caschy derzeit für Aufsehen: Laut dem Bericht auf Caschys Blog handele es sich um eine "größere Anzahl von Nutzern", denen in letzter Zeit wegen eines erhöhten Retourenaufkommens von Amazon gekündigt wurde. "Wir müssen Sie darauf hinweisen, dass wir aufgrund der Überschreitung der haushaltsüblichen Anzahl an Retouren in Ihrem Kundenkonto zukünftig leider keine weiteren Bestellungen entgegennehmen können und Ihr Amazon-Konto mit sofortiger Wirkung schließen", so der Wortlaut einer in dem Blog zitierten Amazon-Mail.
Amazon Deutschland hat sich bereits gegenüber Golem.de zu den Berichten geäußert und dementiert eine grundsätzliche Änderung seiner bekannt kundenfreundlichen Geschäftspolitik: Eine Kontoschließung nehme man nur in Ausnahmefällen und nach eingehender Prüfung vor. Bei den aktuellen Fällen sei man sicher, dass es sich um keine haushaltsübliche Nutzung von Amazon.de gehandelt habe.
Weitreichende Folgen
Genau das will ein von Caschys Blog zitierter betroffener Amazon-Kunde nicht gelten lassen. Er bestelle seit mehr als zehn Jahren bei dem Online-Händler und habe dort jährlich mehrere tausend Euro umgesetzt. Zurückgeschickt habe er nur Artikel, bei denen eindeutige Mängel bestanden hätten.
Zusätzliche Brisanz erhält die Schließung der Amazon-Kundenkonten (verbunden mit dem Verbot zur Eröffnung neuer Kunden-Accounts) dadurch, dass die Sperre den Betroffenen nicht nur den Zugang zum Amazon-Onlinestore verwehrt. Vielmehr erlischt mit der Löschung eines Amazon-Kundenkontos auch der Zugang zu sämtlichen bei dem Online-Händler gekauften Kindle E-Books, zur Amazon-Cloud oder auch zum Affiliate-Programm des Unternehmens. Zudem wird das Amazon-Konto inzwischen auch als Login- und Checkout-Option für eine steigende Anzahl von Drittseiten verwendet.
Auf der nächsten Seite lesen Sie die Einschätzung eines auf IT-Recht spezialisierten Rechtsanwalts.
Anwalt: Sperrung darf nicht unverhältnismäßig sein
Eine differenzierte Sichtweise zu der Sperrung von Kundenkonten nimmt der auf IT-Recht spezialisierte Rechtsanwalt Christian Solmecke ein: "Auch beim Online-Shopping gilt der Grundsatz der Privatautonomie. Das bedeutet, Amazon darf selbst entscheiden, mit welchen Kunden Verträge abgeschlossen werden sollen und mit welchen nicht."
Auf der anderen Seite gelte aber grundsätzlich der gesetzlich verankerte Verbraucherschutz, insbesondere das gesetzliche Widerrufsrecht. Danach dürften online gekaufte Artikel grundsätzlich innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der Ware ohne Begründung zurückgeschickt werden. "Kunden, die von diesem Recht Gebrauch machen, darf nicht ohne weiteres das Konto gesperrt werden, selbst wenn sie übermäßig viele Artikel zurückschicken. Dies hätte sonst eine Aushöhlung des gesetzlichen Widerrufsrechts zur Folge", so Solmecke. So könnten Kunden aus Sorge vor Sperrung des Accounts von der Rücksendung von Artikeln abgehalten werden, obwohl ihnen dieses Recht gesetzlich zustehe.
Privatautonomie, Widerrufsrecht, Rückgaberecht
Zugunsten von Amazon wertet der IT-Recht-Spezialist, dass Amazon auch über das gesetzliche Widerrufsrecht hinaus seinen Kunden freiwillig ein weitergehendes Rückgaberecht einräumt. So dürfen Artikel im Rahmen der sogenannten Rücksendegarantie innerhalb von 30 Tagen zurückgesendet werden. Auch für Artikel, die nach den gesetzlichen Vorschriften nicht dem Widerrufsrecht unterfallen – wie z.B. eBooks – bietet Amazon eine Rücknahme an.
"Bei Rücksendungen aufgrund dieser freiwillig gewährten Rückgabegarantie kann die rechtliche Bewertung anders ausfallen. Hier überwiegt der Grundsatz der Privatautonomie. Amazon darf also entscheiden, wem diese weitergehenden Rechte eingeräumt werden und darf Kunden, die hiervon übermäßig Gebrauch machen, das Konto sperren", so Solmecke. Eine Kontosperrung müsse jedoch für den Kunden vorhersehbar sein. Da die Amazon AGB keine Regelungen hierzu enthielten, sei zumindest eine Vorwarnung des Kunden erforderlich. Andernfalls könne der Kunde gar nicht wissen, wann er die Grenze der tolerierten Anzahl an Rücksendungen überschreite. Eine Sperrung des Kontos wäre dann unverhältnismäßig.
Verschärft stellt sich für Solmecke die Frage nach der Verhältnismäßigkeit, da das Amazon-Konto an weitere Dienste, wie z.B. den Kindle-Shop oder die Amazon Cloud gebunden sei. Diese Dienste wären bei Sperrung des Kundenkontos ebenfalls nicht mehr nutzbar.
"Auch das wäre unverhältnismäßig und würde die Rechte des Kunden übermäßig einschränken. Besonders gravierend wäre insbesondere, dass der Kunde auf wichtige Daten in der Amazon Cloud nicht mehr zugreifen könnte", so der Kölner Rechtsanwalt. "Die Sperrung des Kundenkontos darf sich daher nicht auch auf weitere Amazon-Dienste erstrecken. Betroffene können sich mit den vorstehenden Argumenten an Amazon wenden und eine Reaktivierung des gesperrten Kontos verlangen." (mh)