Beating Dell - Alle auf einen!

24.03.2005 von Dr. Kay
Dell ist nicht nur für die IT-Hersteller eine Herausforderung, sondern auch für Händler und Systemhäuser. In Deutschland sind bereits Systemhäuser nach der Devise "If you can´t beat them, join them" mit Dell einen Pakt eingegangen. Dr. Kay P. Hradilak, Vorstand des Hamburger Systemhauses Comline, gibt sich nicht so schnell geschlagen. Im vorliegenden Beitrag geht er der Frage nach, wie sich Hersteller und Systemhäuser gegen Dell wehren können.

Dell ist eines der gefürchteten Phänomene der Computerindustrie: Eine schier unaufhalt- same Gewinnmaschine, die sich immer neue Marktsegmente erschließt und erobert.

Seit der Gründung hat Dell stetig an Marktanteilen zugelegt, ohne dabei in der Profitabilität nachzulassen. So stieg der Marktanteil im PC-Markt von 3 Prozent in 1994 auf rund 18 Prozent in 2004. In den USA ist Dell bereits seit Jahren der Nummer-1-Anbieter von PCs und Servern. In EMEA ist Dell derzeit jeweils die Nummer zwei im PC- und die Nummer drei im Intel-Server-Markt sowie unter den ersten fünf im Storage-Markt.

Bei seinem Wachstum verdient Dell auch dann Geld, wenn andere Wettbewerber draufzahlen. So war das Unternehmen 2003 das einzige der großen Anbieter, das im PC-Geschäft Geld verdient hatte. Einer der Gründe ist Dells extrem wettbewerbsfähige Kostenstruktur. So ist bei Dell der Anteil der Operating Expenses am Umsatz um 50 bis 70 Prozent niedriger als bei seinen Wettbewerbern IBM und HP.

Was ist die Basis für diesen Erfolg?

Dells Ausgangserfolg beruhte darauf, PCs direkt an Endkunden zu verkaufen und diese Rechner erst nach Beauftragung selbst zu fertigen. Später war Dell der erste große PC-Hersteller, der im Net präsent wurde. Mitte der 90er Jahre erkannte Dell, dass sein GeschäftsmoDell ("the Direct Model") auf weitere Kategorien übertragbar war und stieg in das Servergeschäft ein; es folgten Storage, Network-Equipment und nunmehr auch Drucker.

Dell vermochte immer wieder zu erkennen, wann die technologische Standardisierung von IT-Produkten so weit fortgeschritten war, dass die Vorteile proprietärer Produkte angreifbar, wenn nicht gar obsolet wurden. Verfügt das jeweilige Marktsegment zudem über einen genügend großen "Profitpool", dann tritt Dell in den Markt ein, wobei dies das Unternehmen in den vergangenen Jahren häufig in Partnerschaft mit anderen Herstellern (EMC im Storage-Segment, Lexmark für Drucker) tat und deren Produkte unter dem Dell-Logo vermarktet.

Woher rühren die Kostenvorteile?

In dem erschlossenen Marktsegment agiert Dell dann im eigenen Verständnis sowohl als Kostenführer, der den Kunden "more value for less money" ermöglicht und die Margen proprietärer Anbieter zerstört, als auch als "Innovator" hinsichtlich der weiteren Standardisierung der angebotenen Produkte und Leistungen.

Dells bei vielen gefürchtete Kostenvorteile ergeben sich aus verschiedenen Stufen des DirektmoDells:

w geringere F&E-Kosten durch weit reichende Verlagerung zu Partnern

w geringere Fertigungskosten durch kontinuierliche Effektivitätsverbesserungen und Kostenreduktionen in der Eigenproduktion

w geringere Kapitalkosten durch weniger Lagerbestände und Working Capital

w geringere Vertriebskosten durch das Ausschalten von Zwischenhandelsstufen

Dell sieht hier in Summe Kostenvorteile von 13 bis 16 Prozentpunkten, die vorrangig für Zugewinne im Marktanteil genutzt werden. Insofern ist Dells DirektmoDell eine selbst verstärkende Maschinerie: Ist das Unternehmen in einen Markt eingetreten, drückt es die Preise durch Commodity-Produkte nach unten, gewinnt Marktanteile und verfolgt mit Nachdruck die Steigerung der eigenen Effizienz und Marge.

Dell und die Innovation

Einer der heftigsten Kritikpunkte, die Wettbewerber gegenüber Dell vorbringen, ist, dass der Hersteller kein Technologieinnovator, sondern vielmehr ein Nutznießer (wenn nicht gar "Parasit") der Innovationsleistung anderer Unternehmen ist. Wahrscheinlich ist aber gerade die Computer-Kommodisierung von der Entwicklung über die Fertigung bis zum Vertrieb die Dell-Innovation.

Dell hat damit ein Verständnis der Kernkompetenzen eines Computerherstellers, das völlig verschieden von dem seiner Wettbewerber ist: Da bei kommodisierten Produkten die technologische Innovation zunehmend von Komponentenanbietern übernommen wird, müssen sich Hersteller vor allem über ihre Integrationsleistung, die Effizienz ihrer Fertigung und Logistik und nicht zuletzt über ihre Marktkenntnis differenzieren.

Das Beunruhigende für Dells Hauptwettbewerber dürfte sein, dass sie die Dell-Wettbewerbsvorteile kaum kopieren können. Grund hierfür ist nicht nur, dass traditionelle Hersteller von einem Channel abhängen, es sind auch die oft übersehenen gravierenden Unterschiede in der gesamten Leistungskette.

Zum Phänomen Dell und dessen Erfolg gehört sicher auch seine extrem leistungsorientierte Unternehmenskultur, die auf messbaren Erfolg und stetige Effizienzsteigerung trimmt. Dell gilt als Unternehmen, das ausgesprochen "datenorientiert" führt. Das "DirektmoDell" liefert nicht nur unmittelbare Feedbacks zum Erfolg einzelner Produkte im Markt, es macht auch ohne den Schleier interner Verrechnungen die Leistung jedes einzelnen Mitarbeiters transparent. Persönlicher Erfolg wird unübersehbar und schafft die Grundlage für eine ausgeprägte Leistungskultur und einen Korpsgeist, der es ermöglicht, strategische Vorgaben wirkungsvoller als bei manchem der Wettbewerber von Dell umzusetzen.

Gibt es Grenzen für Dell?

Natürlich gibt es auch für Dell Grenzen. Diese sind:

w Bisher fehlende Kommodisierung

Überall dort, wo Mainframe- und Unix-Systeme noch unerlässlich sind, hat Dell noch keinen überzeugenden Zugang. Erhebliche Schwierigkeiten bestehen derzeit für Dell offensichtlich auch im Umfeld komplexer Plattformen (Cluster mit SAN-Anbindung et cetera). Hier arbeitet aber die fortschreitende Kommodisierung kurz- und mittelfristig für Dell, was unter anderem der stetig sinkende Unix-Marktanteil einschließlich des Ausdünnens der proprietären Prozessorfamilien verdeutlicht.

w Grenzen der Produktentwicklung

Während Dell in das Servergeschäft in Ausweitung seines PC-Geschäfts eintrat und hier auch eine eigene Produktintegration und Fertigung betreibt, werden Druckersysteme weit gehend zugekauft und Storage-Systeme nur zum Teil selber entwickelt. Damit gibt Dell nicht nur die Kontrolle über wesentliche Abschnitte seiner Leistungskette auf, es kann auch die Kommodisierung nur mittelbar vorantreiben. So hat Dells Storage-Partner EMC selbst kein Interesse an der fortschreitenden Kommodisierung. Die Partnerschaft mit Dell ist wohl mehr Ausdruck der Notwendigkeit, Umsatzverluste im Highend-Segment durch Umsatzgewinne im Entry-Level- und im SMB-Markt auszugleichen.

w Engineering-Fähigkeit

Dell wird bisher nicht als An-bieter komplexer Engineering-Leistungen (RZ-Konzepte, Citrix-Einführungen et cetera) wahrgenommen. Dells Service-Portfolio ist naturgemäß nah am eigenen Plattformangebot, womit derzeit noch Integrationsdienstleistungen und Managed-Desktop-Services im Mittelpunkt stehen. Dell verfolgt auch hier die Standardisierung der Leistungen. Im Server/Storage-Segment wird dies jedoch nur nachhaltig möglich sein, wenn Dell auf "reinen" Dell-Umgebungen aufsetzen kann. Kann das Unternehmen diese Plattform-Standardisierung nicht durchsetzen, zeigen sich seine bisherigen Engineering-Fähigkeiten im Server/Storage-Segment als begrenzt.

w Kulturelle Barrieren/ Problemfall Deutschland?

Häufig wird geäußert, dass Dell ein vor allem amerikanisches ErfolgsmoDell ist, und verweist auf die gravierenden Unterschiede in der Marktanteilsentwicklung zwischen den USA und Europa: Während sich der PC-Marktanteil in den USA von 4,2 Prozent in 1994 auf 32 Prozent in 2004 nahezu verachtfachte, wuchs er in EMEA nur um den Faktor 4 von 3 Prozent auf zirka 12 Prozent.

Problemfall Deutschland

Insbesondere Deutschland scheint hier ein Problemfall zu sein. So liegt nach gut 20 Jahren der PC-Marktanteil in Deutschland mit sechs bis sieben Prozent sogar deutlich unter dem Dell-Anteil in Frankreich. Die diskutierten möglichen Gründe sind vielfältig: Da sind die starke Präsenz nationaler Hersteller wie Fujitsu Siemens und Maxdata, aber auch die gewachsenen Hersteller- und Channel-Bindungen des Mittelstandes als wesentliche Kundengruppe. Im Notebookbereich wird Dells Wachstum durch das preisaggressive Vordringen von Acer, einem "Channel only"-Hersteller, gebremst.

Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass gerade Dell weiter vom anhaltenden Kostendruck in der deutschen IT-Landschaft profitieren wird. Jeder ausgeschlafene Marktteilnehmer sollte sich die Frage stellen, wie er auch bei "amerikanischen Verhältnissen" bestehen kann.

Kann man Dell aufhalten?

Dell muss nicht das Menetekel der Computer-Wirtschaft sein, es gibt eine Reihe von alternativen Szenarien.

Eines der faszinierendsten Szenarien ist eine radikale Optimierung der Kette Hersteller - Distributor - Systemhaus. Was hieße das konkret? Hersteller konzentrieren sich auf die effiziente Entwicklung und Fertigung von Standardsystemen, die Distributoren sorgen für eine schlanke und schnelle Logistik (einschließlich CTO/ BTO), die Systemhäuser für Akquise, Engineering und die Integration vor Ort. Basis der gemeinsamen Effizienz ist eine durchgehende elektronische Verknüpfung der gesamten Lieferkette, möglichst bis in die Kunden-ERP-Systeme. Die Hersteller könnten nicht nur Vertriebskosten sparen, sie könnten unter anderem auch ihre Kapitalbindung sowie ihre F&E- und Fertigungskosten deutlich reduzieren.

IT zum Service machen

IT zu einem Service machen bietet eine Vielzahl von Optionen, den "Blech-Preisschlachten" zu entkommen. Dieses ist sicher einer der wesentlichen Gründe, warum Dells Wettbewerber wie HP massiv am Ausbau ihres Outsourcings- und Managed-Desktop-Geschäfts arbeiten oder gar wie IBM aus dem PC-Geschäft emigrieren. Noch deutlicher wird dies bei den verschiedenen Hersteller-Initiativen zum Utility Computing.

Klar ist, dass sich gerade die Channel-Partner der großen Hersteller sputen müssen, um nicht mittelfristig auf der Strecke zu bleiben. Systemhäuser müssen ihre eigenen Life-Cycle-Management-Angebote mit mittelständischer Flexibilität und hoher Kundennähe entwickeln und sie müssen sich fragen, wie sie eigene Outsourcing-Angebote schaffen können.

"Wen man nicht besiegen kann ..."

Die Frage, die sich viele Systemhäuser offen oder insgeheim stellen, ist, ob sie nicht auch mit Dell ins Geschäft kommen können. Zwar arbeitet Dell mit Servicepartnern insbesondere im After-Sales-Support zusammen (zum Beispiel Getronics), aber es bleibt offen, ob ein Channel Platz in der Margenkalkulation von Dell hat. Schließlich bedeutet Channel in der bisherigen Dell-Philosophie fehlende Kundenkontrolle und unnötiger Kostenblock. Vielleicht bietet hier die "harte Nuss" des deutschen Marktes Ansatzpunkte.

Dell muss kein Furchtfaktor sein. Systemhäuser mit Engineering-Stärke und guten Logistikpartnern brauchen vor Dell nicht zu erschrecken. Wahrscheinlich ist aber, dass Dell auch in Deutschland seinen Marktanteil weiter erhöhen und so den Wettbewerbsdruck verschärfen wird. Es liegt vor allem an der Zusammenarbeit von traditionellen Herstellern, Distributoren und Systemhäusern, wie stark der Dell-Faktor noch in Deutschland wird.