Cancom-Chef Weinmann: "Apples Handelspolitik finde ich nicht in Ordnung"

10.04.2003
Schon fast als Hassliebe könnte man das Verhältnis des europaweit größten Apple-Händlers zu seinem Lieferanten bezeichnen. Cancom-Chef Weinmann sucht die Flucht nach vorn und baut das Geschäft mit Wintel-Maschinen weiter aus.

Mehr als Kopfschütteln hat Klaus Weinmann, Vorstand der Cancom IT Systeme AG, kaum noch übrig, betrachtet er das derzeit mal wieder von der europäischen Apple-Zentrale in Paris ausgehende Treiben. Europa-Statthalter Pascal Cagni hat unter anderem den europaweit größten Apple-Händler Cancom dazu aufgefordert, sämtliche Apple-Center-Logos in den 14 Filialen des Systemhauses bis zum Stichtag 1. April 2003 zu entfernen. Der Grund: Nur noch "Shop-orientierte" Partner dürfen sich nach Aussage Weinmanns künftig mit dem Etikett "Apple-Center" schmücken. Die Cancom-Außenstellen erfüllen diese Vorgabe aber nicht.

Wer also beispielsweise nicht sechs Tage in der Woche die Produkte des Herstellers in einem Ladengeschäft anpreist und nicht genügend Schaufensterfläche bietet, hat diesen Status die längste Zeit gehabt, so der Cancom-Chef weiter. Weinmann schätzt, dass in Deutschland rund die Hälfte aller Apple-Partner von dieser Direktive betroffen ist.

Die Absicht dahinter ist ihm klar: Der Computerfabrikant will mehr Ladengeschäfte sehen, die Händler sollen investieren. Apple-Shops nach amerikanischem Vorbild mögen auch Europas Fla-niermeilen säumen. Doch ohne Weinmann. "Das ist nicht unsere Spielwiese - wir bedienen Geschäftskunden."

Der "Schuldige" sitzt in Paris

Ihm persönlich mache der Verlust der Apple-Center-Plakette für die Filialen nicht viel aus, so der Systemhaus-Vorstand gegenüber ComputerPartner, schließlich werbe man sowieso nicht aktiv damit. Doch dieses Gebaren zeige mal wieder deutlich, wie Apple mit seinen Partner umgeht. Er ist sich sicher, dass diese Entscheidung erneut für reichlich Unmut bei den Händlern sorgen wird. Denn erst vor rund einem halben Jahr hatte es sich Apple gründlich mit seiner Händlerschaft verscherzt, nachdem der Hersteller seinen Partnern ein neues Vertriebs- und Marktingprogramm überstülpte, das Weinmann gar als "Knebelvertrag" titulierte.

Für den Cancom-Obersten ist klar, warum es immer wieder zu diesem Ungemach kommt. "Herr Cagni sitzt in Paris und ist umgeben von französischen Managern. Dass die allesamt keine Ahnung vom deutschen Markt haben, braucht einen nicht zu wundern", zeigt Weinmann sein Unverständnis. "Wann merken die endlich, dass wir hier ganz andere Bedürfnisse haben?"

Immerhin konnte Weinmann verhindern, dass auch die Cancom-Zentrale in Jettingen-Scheppach den Apple-Center-Status verliert. Zwar hat der dort befindliche "Mini-Shop" keine sechs Tage in der Woche offen, doch Weinmann spielte einen Trumpf aus: "Größere ,Fensterflächen‘ hat in ganz Europa ja wohl niemand zu bieten, oder?" Dem wollte Apple nicht widersprechen.

Apple-Geschäft von 95 auf 47 Prozent heruntergefahren

Derzeit beträgt Cancoms Umsatzanteil mit Apple-Systemen inklusive zugehöriger Peripherie etwa 47 Prozent, bei 15 Prozent liegt der Anteil, betrachtet man den Verkauf der Apple-Maschinen alleine. Noch zu Zeiten des Börsengangs im Januar 2001 betrug die Apple-Portion am Gesamtgeschäft dominante 95 Prozent. Als zu riskant stuften die Cancom-Verantwortlichen die Abhängigkeit von nur einem Lieferanten ein, das Geschäft mit Wintel-Rechnern" wurde sukzessive ausgebaut. Vornehmlich Hardware des Herstellers Hewlett-Packard hat Einzug in Angebotslisten des bayerisch-schwäbischen Systemhauses gefunden. Inzwischen denkt Weinmann auch laut über einen Ausbau der Lieferantenbeziehung zu Fujitsu Siemens Computers nach.

Keine Ambitionen zeigen die Cancom-Kapitäne, das Dienstleis-tungsgeschäft auszubauen. "Beratung und Dienstleistung sind die zwei Bereiche, die in der Branche die größten Einbrüche verzeichnen. Da ist kaum noch was zu verdienen, oder anders gesagt: Die Kunden sind nicht bereit, Geld dafür auszugeben", will Weinmann wissen. Deswegen sei es nicht klug, diesen Geschäftszweig weiter zu forcieren.

Wohin das führen könne, habe das Beispiel Arxes deutlich gezeigt, mahnt der Systemhaus-Chef. Da sei ihm das Lizenzgeschäft noch lieber. Zwar ist auch in diesem Segment kaum noch ein Blumentopf zu gewinnen, doch mitunter ist das Geschäft prestigeträchtig. Großkunden wie die Bundeswehr oder die Telekom auf der Referenzliste zu haben - da sagt auch eine Cancom nicht Nein.

Expansion erst bei verbesserter Marktlage

Hier kommt der Konzerntochter Tendi AG eine besondere Rolle zu. Laut Weinmann hat sich der Online-Shop-Sprössling gut entwickelt. Das Unternehmen hat sich nach Angaben von Cancom zum drittgrößten Softwarehandelshaus in Deutschland gemausert. Weinman hebt hervor, dass die Margensituation in diesem Geschäftszweig nach wie vor "gesund" sei.

Stabile Entwicklung für dieses Jahr erwartet

Für das Geschäftsjahr 2003 rechnet das 542 Mitarbeiter zählende IT-Handelshaus mit einem Umsatz und Gewinn auf Vorjahresniveau. 2002 setzte Cancom rund 265,5 Millionen Euro um, das Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) lag bei 700.000 Euro. Weinmann geht davon aus, dass der Konzentrationsprozess in der Sys-temhauslandschaft auch in diesem Jahr weiter anhalten wird. Welche Rolle Cancom in diesem Zusammenhang spielen will, da-rüber schweigt sich Weinmann aus. Eine Expansion kommt für ihn jedenfalls erst dann in Frage, wenn der Markt wieder in Aufschwung kommt, signalisiert Weinmann: "Aber wenn es so weit ist, werden wir richtig zulegen."

www.cancom.de

www.tendi.de

ComputerPartner-Meinung

Im Cancom-Management herrscht Besonnenheit vor. Die Bodenhaftung haben die bayerischen Schwaben nie verloren. Der vor einiger Zeit eingeläutete Strategiewechsel, das Portfolio mit Intel-Maschinen zu Gunsten von Apple-Systemen aufzufüllen, hat sich bisher als richtige Entscheidung erwiesen und trägt letztendlich der Marktentwicklung im Media-Umfeld Rechnung. Trotzdem will das Unternehmen auch weiterhin seine Stellung als größter Apple- und Adobe-Partner halten. Die Gretchenfrage ist, ob es sich das Unternehmen langfristig leisten kann, seine Geschäfte fast ausschließlich im - letztlich begrenzten - Media-Segment zu tätigen oder Cancom die Expansion in andere Märkte wagen muss. Das dürfte aus eigener Kraft und den vorhandenen Bordmitteln allerdings kaum zu bewerkstelligen sein. (cm)