Cherry: Aufweichen hehrer Prinzipien - ja zum Retail, ja zu China

02.08.2006
Wie stolz war Cherry auf Tastaturen und Mäuse rein "Made in Germany" und darauf, keine Retailer zu beliefern. Doch das gilt nun nicht mehr. Mit ultraflachen Tastaturen, teil aus China, wollen die Oberpfälzer nun auch im Consumer-Umfeld Gas geben.

Wie stolz war Cherry auf Tastaturen und Mäuse rein "Made in Germany" und darauf, keine Retailer zu beliefern. Doch das gilt nun nicht mehr. Mit ultraflachen Tastaturen, teil aus China, wollen die Oberpfälzer nun auch im Consumer-Umfeld Gas geben.

In der aktuellen Brand-Awareness-Studie der ComputerPartner-Schwesterpublikation PC-Welt kommt Cherry bei Eingabegeräten gleich hinter Logitech und Microsoft. Auch in Distributionskreisen bescheinigt man dem amerikanisch-deutschen Hersteller, "einen guten Job zu machen". Mit "Ja zu Deutschland, ja zur Oberpfalz" und als Träger des Preises "Beste Fabrik" in Europa 2005 hat Cherry Schlagzeilen gemacht.

Vom guten Image allein kann man nicht leben

Doch allein von guten Produkten und einem guten Image kann man nicht leben. Das musste das Unternehmen aus Auerbach, das über 50 Prozent seines Umsatzes heute schon mit Automotive-Produkten macht, schmerzlich erfahren. Folglich hat man sich 12 Monate Zeit gegeben, den Turnaround zu schaffen oder das Tastatur- und Mausgeschäft an den Nagel zu hängen. "Es ging nicht nur darum, sich zu verändern, sondern sich schnell zu verändern. Entweder wir drehen es oder wir steigen aus", war die Divise, so Manfred Schöttner, der bei Cherry als Business Director den ganzen Bereich Computer Input Devices leitet.

Fast schon revolutionär

Nach dem neuen Leitsatz "Tu das, was keiner von Dir erwartet!" hat sich Cherry ein Programm gesetzt: Auch Outsourcing nach Fernost und der Retail-Kanel, weg vom reinen Business-Channel, seien keine Tabus mehr. Ziel sei es, von der "Besten Fabrik" zum erfolgreichsten Unternehmen zu werden; die Entwicklung vom technisch Möglichen zum sinnvoll Notwendigen zu leiten sowie von der Sachlichkeit zu Emotionen; vom deutschen Markt nach Europa zu expandieren; "von der Bundesliga in die Champions-League" aufzusteigen und last but not least, bis 2010 zu den drei führenden A-Brands zu gehören.

Ganz neo-international hat sich Cherry noch ein Motto gesetzt: "It's time for evolution", wobei die neuen Produkte, stylische superflache Multimedia-Tastaturen, die ab Mitte August 2006 auf den Markt kommen sollen, für die braven Oberpfälzer schon fast einer Revolution gleichkommen, so auch die neue Verpackung am Point-of-Sales (POS).

Einfach schön - schön einfach

Auch für die Produkte hat Schöttner wieder neue Leitsätze parat: "Einfach schön - schön einfach" und "The best product money can buy", die besten Produkte, die in dem jeweiligen Segment für Geld zu haben sind.

Hauptzielgruppe bleibe der Business-Kunde, den Anfang im Retail machten Media Markt und Saturn, andere würden folgen. Selbst einen Schritt in den Food-Channel, für viele IT-Hersteller immer noch ein großes Tabu, schließt Schöttner nicht völlig aus. 90 Prozent der Eingabegeräte würden weiterhin in den hoch automatisierten Fabriken in Deutschland produziert. Aber auch die Belegschaft habe eingesehen, dass die Verlagerung eines Teils der Produktion nach China auch ihre Jobs in Deutschland rettet. Entwickelt würde natürlich weiterhin in der Oberpfalz. Statt auf große chinesische OEM-Hersteller setze Cherry darauf, kleinere Outsourcing-Partner mit deutschen Qualitätsmaßstäben nach vorn zu bringen.

Meinung des Redakteurs

Prinzipien kann man reiten bis man zu fallen droht. So ging es Cherry, obwohl eigentlich amerikanisch, ein Vorzeigeunternehmen des deutschen Mittelstands. Als solches hat es jahrzehntelang "Made in Germany" und rein dem Business-Channel die Treue gehalten. Aber solange die Qualität nicht leidet, sichert sich Cherry mit der Abkehr von den hehren Prinzipien in dem zunehmend von Logitech und Microsoft dominierten Markt das Überleben. Und den Billigheimern will der Fachhandel den Rest des Marktes schließlich auch nicht überlassen. (kh)