Von A bis Z

Das sollten Sie über Sozialversicherung wissen

09.04.2010
Was Sie sozialversicherungsrechtlich beachten müssen, sagen Michael Henn und Christian Lentföhr.

1. Zwangsversicherung

Es gilt das Prinzip der Zwangsversicherung. Das heißt: Grundsätzlich besteht Versicherungs- bzw. Beitragspflicht zur Absicherung der Bedarfsfälle wie Krankheit oder Alter etc., die ansonsten der Solidargemeinschaft bei einem Großteil von Nichtversicherter im Rahmen der Sozialhilfe zur Last fallen würden.

2. Begriff des sozialversicherungsrechtlichen "Beschäftigungsverhältnisses"

§ 7 I SGB IV definiert Beschäftigung als "nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis". Das Bundessozialgericht sieht eine Beschäftigung i.S.d. § 7 I SGB IV dann als gegeben an, wenn Arbeit in persönlicher Abhängigkeit von einem Dritten, in der Regel dem Arbeitgeber, geleistet wird. Wie bei der Qualifizierung eines Arbeitsverhältnisses kommt es dabei auf die tatsächliche Durchführung und nicht auf die Vertragsbezeichnung an.

Gemäß § 7 IV SGB IV wird für Personen, die für eine selbstständige Tätigkeit einen Existenzgründerzuschuss nach § 421 l SGB III beantragen, widerlegbar vermutet, dass sie in dieser Tätigkeit als Selbstständige tätig sind. Für die Dauer des Bezugs dieses Zuschusses gelten sie als selbstständig Tätige.

Ein sozialversicherungsrechtlich relevantes Beschäftigungsverhältnis kann auch dann vorliegen, wenn kein Arbeitsvertrag geschlossen oder dieser z.B. wegen fehlender Genehmigung des gesetzlichen Vertreters (§ 108 BGB) oder wegen §§ 134, 138 BGB nichtig wäre. Eine sozialversicherungsrechtliche Beschäftigung liegt gemäß § 7 II SGB IV auch bei Ausbildungsverhältnissen vor.

Nach § 7 III SGB IV wird für alle Sozialversicherungszweige für einen Monat ein ohne Entgeltanspruch fortdauerndes Beschäftigungsverhältnis (z.B. unbezahlter Urlaub) als fortbestehend fingiert, falls nicht Entgeltersatzansprüche (z.B. Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Verletztengeld, Übergangsgeld) in Anspruch genommen werden.

Territorialitätsprinzip

Die Versicherungspflicht bzw. Versicherungsberechtigung, soweit diese an eine Beschäftigung oder ausnahmsweise an eine selbständige Tätigkeit anknüpft, stellt gemäß § 3 SGB IV unabhängig von der Staatsbürgerschaft des Beschäftigten darauf ab, ob die Beschäftigung im Geltungsbereich des SGB erfolgt. Es gilt das Territorialitätsprinzip. Das bedeutet: Bei vorübergehender Entsendung eines Arbeitnehmers aus dem Gebiet des Geltungsbereichs des SGB IV hinaus, wenn der Arbeitnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis innerhalb des Geltungsbereichs des SGB IV steht, bleibt der Arbeitnehmer gemäß § 4 SGB IV dennoch im versicherungspflichtigen Personenkreis des SGB IV. Bei nur vorübergehender Entsendung in den Geltungsbereich des SGB IV hinein besteht gemäß der entsprechenden Regelung des § 5 SGB IV kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des SGB IV.

Über- und zwischenstaatliches Recht hat Vorrang

Nach § 6 SGB IV ist abweichendes überstaatliches Recht (z.B. EWG-Verordnungen über soziale Sicherheit) und zwischenstaatliches Recht (z.B. Abkommen über soziale Sicherheit oder Arbeitslosenversicherung) vorrangig. Im Einzelnen ist insoweit auf die Richtlinien zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Arbeitnehmern bei Aus- und Einstrahlung (Aichberger Textsammlung zum Sozialgesetzbuch: Nr.116) sowie auf Abklärung mit dem Sozialversicherungsträger im jeweiligen Einzelfall der Beschäftigung mit Auslandsbezug zu verweisen.

3. Geringfügige Beschäftigung - "Mini-Jobs"

Die Geringfügigkeitsgrenze beträgt 400,00 Euro monatliches Arbeitsentgelt. Für Auszubildende gilt seit August 2003 wieder die Geringfügigkeitsgrenze von 325,00 Euro.

Die Voraussetzung der Arbeitszeit von weniger als 15 Wochenstunden ist entfallen. Der Arbeitgeber hat eine pauschale Abgabe von 25 Prozent zu zahlen, die sich wie folgt verteilt: Für Rentenversicherung zwölf Prozent, für Krankenversicherung elf Prozent sowie pauschale Lohnsteuer inkl. Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag zwei Prozent. Bei der Ermittlung der Geringfügigkeitsgrenze werden mehrere Beschäftigungen nebeneinander addiert. Bei Beschäftigungsverhältnissen mit einem monatlichen Arbeitsentgelt zwischen 400,00 Euro und 800,00 Euro ("Gleitzone") besteht zwar Sozialversicherungspflicht in allen Sozialversicherungszweigen. Jedoch steigert sich der für das gesamte Arbeitsentgelt zu zahlende Arbeitgeberanteil linear gestaffelt bis zum vollen Arbeitgeberanteil.

Weitere Informationen zum Thema und Kontakt:

Michael Henn, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Präsident des VdAA, c/o Dr. Gaupp & Coll, Stuttgart, Tel.: 0711 305893-0, E-Mail: stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de und www.vdaa.de

Christian Lentföhr, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Mitglied im VdAA, c/o W. Schuster und Partner GmbH, Schuster, Lentföhr & Zeh, Tel.: 0211 658810, E-Mail: lentfoehr@wsp.de, Internet: www.esp.de