DEC Networking-Partner

06.04.1998

MÜNCHEN/DREIEICH: Sechs Monate nach der Übernahme von Digi-tals Netzwerkabteilung durch Cabletron fehlt den Partnern noch immer die neue Strategie. Die Folge: Es gibt keine Neukunden, und so mancher DEC-Partner bereut seine bisherigen Investitionen.

Das schlechteste Quartalsergebnis in der 15jährigen Geschichte, Abgang des gesamten Managements innerhalb eines Monats, insgesamt fast 800 Entlassungen, eine Marktveränderung in Richtung Layer 3-Switching, worauf Cabletron nach Meinung von Marktanalysten nicht vorbereitet ist, und schließlich eine bemerkenswerte allgemeine Schwäche des Netzwerkmarktes - das sind nicht gerade günstige Bedingungen für Ex-3Com-Manager Albert Müller. Er ist seit der Cebit È98 neuer Geschäftsführer der Cabletron Deutschland GmbH in Dreieich.

Zumal auf den beinahe sechs Monate in der Versenkung verschwundenen Manager die Aufgabe zukommt, die Integration der Netzwerkabteilung von Digital endlich abzuschließen. Zwar blätterten die Netzwerker aus Rochester im November 1997 430 Millionen Dollar für Digitals Netzwerkkomponenten und Kundenadressen hin, doch bei der anstehenden Integration von Produkten und Kunden ließ man sich sehr viel Zeit.

Möglicherweise zuviel, auch wenn Müller für Anfang Juni die "Vorstellung der neuen Cabletron-Strategie" bei den Partnern verspricht. "Wir müssen jetzt die Informationen rausbringen", sieht er sich in Zugzwang gebracht. "Möglicherweise ist es das wichtigste VAR-Treffen für Cable-tron überhaupt", bekennt er.

Bei Digital-Partnern ist Feuer unterm Dach

Wie dringlich das Treffen ist, zeigen Reaktionen von Digital-Partnern: Bei ihnen ist Feuer unterm Dach. "Ich weiß überhaupt nicht, wie es weitergehen soll. Was aber viel schlimmer ist: Wir können unsere Kunden nicht halten", erklärt ein bayerischer Digital-Partner gegenüber ComputerPartner. Zwar verkauft er nach wie vor Digital-Netzwerkkomponenten, aber er rechnet diese nicht mehr zu den "strategischen Produkten" im Kundengespräch. "Was soll ich meinen Kunden erzählen, wenn ich nicht weiß, welche Produkte erhalten bleiben? Sie fragen mich: Welche High- und Low-end-Strategie hat Cabletron, und ich weiß keine Antwort!", äußert er gründlich verärgert.

Ähnlich sauer ist Daniela Dölling, Geschäftsführerin der Forum technische Entwicklung und Vertrieb GmbH in Olching: "Ich weiß nicht, wie es weitergeht." Die weltweit erste "Silverlevel"-Partnerin von Digital macht aus ihrem Zorn keinen Hehl: "Cabletron hätte wenigstens seine vorrangigen Partner informieren können. Uns bricht das Geschäft weg, aber das einzige, was wir aus Dreieich erhalten, sind Preislisten per Mail."

Hinzu kommt, daß ihr Digitals hauseigene und wohl besser informierte Serviceabteilung "NSIS" in letzter Zeit jedes Projekt durch seine Preisangebote weggeschnappt hat. "Wir brauchen große Projekte gar nicht anzufassen", faßt sie zusammen.

Das muß auch Müller schon erfahren haben. "Die haben über irgendwelche Graukanäle Produkte bezogen", gibt er zu. "Aber diese Quellen sind ab 1. Juni definitiv geschlossen." Wie er überhaupt einen "radikalen Schnitt" ankündigt: "Ab 1. Juni werden alle unsere Partner gleich behandelt."

Das aber produziert bei so manchem, vor den Kopf gestoßenen Partner neue Gegenliebe. "Wenn ich nicht so viel in Digital investiert hätte, würde ich einfach kündigen", erklärt ein hessischer Systemhaus-Partner. Er wundert sich darüber, daß "Cabletron einfach auf Tauchstation gegangen ist".

Zum VAR-Treffen in Frankfurt will er dennoch kommen. Wie Geschäftsführerin Dölling zum Münchener VAR-Treffen erscheinen wird. "Ich erwarte, daß uns dann endlich klar gemacht wird, wo es langgeht. Sonst hänge ich meine Zertifizierung von der Wand ab", bereitet sie sich bissig auf das Treffen vor.

Das Stimmungstief der Partner kann dem Cabletron-Geschäftsführer nicht entgangen sein. "Hoffentlich kommen die VARs", macht sich Müller Hoffnung. Seine To-do-Liste für das Treffen läßt auf einen langen Tag schließen. "Wir haben den SMB- und Midsize-Markt vernachlässigt. Wir müssen für viel mehr Marketing und Branding sorgen und das Neukundengeschäft ankurbeln", zählt er auf. "Daran arbeiten wir mit Hochdruck." (wl)

Auf den Erstauftritt von Cabeltron-Geschäftsführer Müller warten gründlich verärgerte Partner.