Neue Technologien, neue Vertriebsformen

Die Druckerbranche im Wandel

13.01.2012 von Armin Weiler
"Das papierlose Büro ist genauso weit weg wie das papierlose Klo." Dieses noch immer aktuelle Zitat wird dem ehemaligen Siemens-Chef Heinrich von Pierer zugeschrieben. Zur Freude der Druckerindustrie hat das Druckvolumen in deutschen Büros nicht nachgelassen - im Gegenteil.
"Das papierlose Büro kommt seit Jahren, ohne dass ich bis jetzt etwas davon gemerkt habe", Frank Schenk, Vertriebsleiter Business Produkte bei Epson

"Das papierlose Büro ist genauso weit weg wie das papierlose Klo." Dieses noch immer aktuelle Zitat wird dem ehemaligen Siemens-Chef Heinrich von Pierer zugeschrieben. Zur Freude der Druckerindustrie hat das Druckvolumen in deutschen Büros nicht nachgelassen - im Gegenteil. Ein Indikator dafür ist der Verbrauch von Büropapier, der stetig steigt. "Das papierlose Büro kommt seit Jahren, ohne dass ich bis jetzt etwas davon gemerkt habe", bemerkt Frank Schenk, Vertriebsleiter Business Produkte bei Epson süffisant.

"Das vollständige papierlose Büro wird es aus meiner Sicht auch in Zukunft nicht geben", ist sich Michael Lang, Direktor Channel & Retail D-A-CH bei Lexmark, sicher. Er glaubt aber, dass Mitarbeiter künftig weniger Dokumente drucken werden. "Der Anteil der digitalen Prozesse in der Arbeitswelt wird in den nächsten Jahren kontinuierlich und deutlich steigen, das geht zulasten des gedruckten Dokuments", stimmt Mike Hahm, Chief Manager Managed Document Services bei Ricoh, zu. Jaimi Cyrus, General Manager & Vice President IPG bei Hewlett-Packard, glaubt hingegen nicht an einen Rückgang der Anzahl der gedruckten Seiten: "Die Menge an Informationen schwillt immer weiter an. Innerhalb der nächsten Jahre wird die Anzahl der digitalen Inhalte um den Faktor zehn wachsen. Damit werden auch immer mehr Seiten gedruckt", meint die HP-Druckerchefin. Daher werde es papierlose Büros ebenso wenig geben wie eine papierlose Gesellschaft insgesamt. So sieht es auch Heiko Thomsen, Senior Manager Product Marketing bei OKI: "Die stetig zunehmende E-Mail-Flut trägt dazu bei, dass mehr und mehr Menschen wichtige elektronische Dokumente auf Papier ausdrucken."

"Das papierlose Büro wird es ebenso wenig geben wie eine papierlose Gesellschaft insgesamt", Jaimi Cyrus, General Manager & Vice President IPG bei Hewlett-Packard

Philipp Schröder, Leiter Produktmanagement Solutions bei Konica Minolta, hält allerdings das Szenario für die ferne Zukunft "auf jeden Fall für realistisch". "Aber solange Menschen von Papier lesen lernen, werden sie auch von Papier lesen", glaubt Schröder. "Viele Menschen sind heute in der Lage, überall außerhalb des Büros ihrer Arbeit nachzugehen. Insofern stellt sich nicht die Frage nach dem papierlosen Büro, sondern nach der papierlosen Kommunikation", erklärt Matthias Kohlstrung, Direktor Vertrieb & Marketing bei Brother. Dass das Drucken sich verändern werden, stehe außer Frage, aber überflüssig werde es auf absehbare Zeit nicht.

Mobilität verändert die Druckerlandschaft

"Die drahtlose elektronische Erfassung, Verteilung und Archivierung von Informationen und Dokumenten wird für den Benutzer immer schneller, flexibler und unkomplizierter durchzuführen sein", Fabian Maiwald, Product Marketing Manager bei Samsung

Tatsächlich ist die wachsende Mobilität eine Entwicklung, die die Anforderungen an die Output-Infrastruktur wesentlich verändern wird. "Mobilität verändert die Arbeitsgewohnheiten. Schon heute ist es relativ egal, ob ein Mitarbeiter im Büro sitzt oder zu Hause arbeitet, ob in München oder in New York. Allenfalls die Zeitverschiebung spielt eine Rolle", weiß HP-Geschäftsführerin Cyrus aus eigener Erfahrung. "Zwei der wichtigsten Trends, die das Büro der Zukunft bestimmen werden, sind die zunehmende Globalisierung und die Mobilität. Feste Büros und Arbeitsplätze in Unternehmen werden an Bedeutung verlieren", prognostiziert Ricoh-Manager Mike Hahm.

Welche Konsequenzen die fortschreitende Mobilität hat, darüber gehen die Meinungen auseinander. So werde der Bedarf an Arbeitsplatzdruckern fürs Home Office steigen, glaubt Hahm. "Aufgrund der Zunahme der Nutzung mobiler Endgeräte werden Mitarbeiter ihre Dokumente eher an zentralen Druckplätzen im Unternehmen oder an öffentlichen Hotspots drucken", meint Philipp Schröder von Konica Minolta. Die Experten sind sich aber in einem Punkt einig: Lösungen für treiberloses, mobiles Drucken und mobiles Dokumentenmanagement werden immer wichtiger. Die Anforderung, von verschiedenen mobilen Geräten wie iPads und Smartphones drucken zu können, wird aus der künftigen Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken sein.

"Die Entwicklung im Bereich Dokumentenmanagement bewegt sich vom Output in Richtung Input", Reinhold Schlierkamp, Geschäftsführer bei Kyocera

"Die Konvergenz der einzelnen Geräte wird wichtiger werden und entsprechend zunehmen. Ausgabegeräte, Note-PCs, Tablets und Smartphones sowie Monitore und Fernseher werden nahtlos miteinander kommunizieren und so für den Anwender immer flexiblere, hilfreiche und nutzbringende Funktionen bieten", kündigt Fabian Maiwald, Product Marketing Manager bei Samsung, an. So soll die drahtlose elektronische Erfassung, Verteilung und Archivierung von Informationen und Dokumenten für den Benutzer "immer schneller, flexibler und unkomplizierter" werden.

Auch Kyocera-Geschäftsführer Reinhold Schlierkamp sieht im Drucken nur einen Teilaspekt: "Die Entwicklung im Bereich Dokumentenmanagement bewegt sich vom Output in Richtung Input." Seiner Erfahrung nach fordert der Kunde neben wirtschaftlicher und umweltfreundlicher Hardware zunehmend zugeschnittene Lösungen, die Dokumentenprozesse wirtschaftlich und effizient gestalten.

Arbeitsgewohnheiten ändern sich

"Der Fachhandel wird sich darauf einstellen müssen, dass der Trend weg vom Verkauf der reinen Hardware hin zum Angebot zusätzlicher Lösungen und Services im Output- und Dokumentenmanagement geht", Michael Lang, Direktor Channel & Retail D-A-CH bei Lexmark

Auch die Arbeitsgewohnheiten im Büro ändern sich. In Zukunftsszenarien, wie sie auch vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation gezeichnet werden, werden flexiblere Strukturen in die Büros Einzug halten. Mitarbeiter haben keine festen Arbeitsplätze mehr, sondern suchen sich einen freien Platz aus. Zudem finden sie sich zu individuellen Arbeitsgruppen zusammen, die in speziell eingerichteten Inseln kommunizieren.

Der Trend der vergangenen Jahre, immer weniger Arbeitsplatzdrucker und Einzelgeräte zugunsten von großen Etagen-Multifunktionsgeräten einzusetzen, wird sich laut den Spezialisten verlangsamen. "Optimieren statt Konsolidieren", heißt die Maxime von Lexmark-Direktor Michael Lang. Kunden müssen umfassend beraten werden, um die Output-Umgebung an die individuellen Anforderungen anzupassen. Auch dies wird künftig noch mehr zu den notwendigen Kompetenzen des Fachhandels gehören.

"Feste Büros und Arbeitsplätze in Unternehmen werden an Bedeutung verlieren", Mike Hahm, Chief Manager Managed Document Services bei Ricoh

Dabei müssen stärker als bisher die Druckgewohnheiten der Nutzer berücksichtigt werden. "Während sich Kostenplan und Druckerlandschaft gut am Reißbrett planen lassen, kann man das Druckverhalten der Anwender nicht am runden Tisch vorherbestimmen", weiß Brother-Vertriebschef Kohlstrung. Der OKI-Produkt-Experte spricht vom "Mein eigener-Drucker"-Gefühl. Seiner Meinung nach wird künftig eine "intelligente Druckauslastungssteuerung" an Bedeutung gewinnen. Kleinere Druckaufträge werden lokal, größere auf Abteilungsebene abgewickelt. So sieht es auch Epson-Vertriebsleiter Frank Schenk: "Beide Systeme haben ihre Berechtigung: Wenn ich an einem Stück eine 80-seitige Präsentation 30 Mal ausdrucken will, brauche ich ein robustes Arbeitspferd und keinen Lipizzaner."

Laser oder Tinte?

"Während sich Kostenplan und Druckerlandschaft gut am Reißbrett planen lassen, kann man das Druckverhalten der Anwender nicht am runden Tisch vorherbestimmen", Matthias Kohlstrung, Direktor Vertrieb & Marketing bei Brother

Was die künftigen Technologien betrifft, sind sich die Experten uneinig. Bei Epson setzt man auf die Vorteile der Tintenstrahltechnologie: "Business-Inkjet-Drucker werden die seit 20 Jahren vorherrschende Drucktechnologie Laser ablösen", glaubt Schenk. Die Vorteile sieht er in den günstigen Seitenkosten und im sparsamen Energieverbrauch. Dies könne ein Vorteil bei Ausschreibungen werden, beispielsweise durch die neue Vergabeordnung der öffentlichen Hand. Wettbewerber Samsung, der keine Tintenstrahler im Portfolio hat, sieht das natürlich anders: "Wir sehen hier nach wie vor die Lasertechnologie als die für den Anwender beste Technologie, denn sie wird bei Tempo, Beständigkeit und Qualität weiterhin die Nase vorn haben", sagt Samsung-Manager Maiwald.

Für HP-Chefin Jaimi Cyrus hat beides seine Existenzberechtigung: "Interessant ist, dass heute nicht mehr die Technologie die Funktion bestimmt, sondern die Anwendung das benötigte Drucksystem definiert", erläutert Cyrus. So können Tinten- oder Lasergeräte sowohl im Consumer- als auch im Großkundenumfeld die richtige Lösung sein. "Wie immer gilt auch hier: Die Mischung macht's", weiß sie. Zudem werden künftig Alleskönner gefragt sein: "Die Bedeutung von lediglich druckenden und kopierenden Systemen im Büro wird stetig abnehmen", kündigt Ricoh-Chief-Manager Hahm an.

Managed Services statt Box Moving

"Der Anteil des reinen Verkaufsgeschäfts und des Box Moving wird sich gegenüber Managed-Print-Services-Lösungen von Full-Service-Dienstleistern im Output-Management mehr und mehr reduzieren", Heiko Thomsen, Senior Manager Product Marketing bei OKI

Mit den veränderten Kundenbedürfnissen kommen auch andere Anforderungen auf den Fachhandel zu. "Der Anteil des reinen Verkaufsgeschäfts und des Box Moving wird sich gegenüber Managed-Print-Services-Lösungen von Full-Service-Dienstleistern im Output-Management mehr und mehr reduzieren", glaubt Heiko Thomsen von OKI. Der Reseller müsse sich daher bereits jetzt auf diese veränderten Anforderungen der Zukunft einstellen, um mittelfristig sein Geschäft erfolgreich fortführen und sichern zu können. "Der Fachhandel wird sich darauf einstellen müssen, dass der Trend weg vom Verkauf der reinen Hardware hin zum Angebot zusätzlicher Lösungen und Services im Output- und Dokumenten-Management geht", fordert Michael Lang von Lexmark.

"Die stärkste Veränderung stellt nach wie vor die Auslagerung des Dokumenten- und Informationsmanagements über MPS-Konzepte dar. Hier hat der Fachhandel noch großen Aufholbedarf", betont Samsung-Manager Maiwald. Dies werde das Geschäftmodell der Zukunft "mit enormem Potenzial und zweistelligen Wachstumsraten" sein.

"Aufgrund der Zunahme der Nutzung mobiler Endgeräte werden Mitarbeiter ihre Dokumente eher an zentralen Druckplätzen im Unternehmen oder an öffentlichen Hotspots drucken", Philipp Schröder, Leiter Produktmanagement Solutions bei Konica Minolta

Für Brother-Vertriebschef Matthias Kohlstrung geht es für den Händler dabei nicht nur darum, die aktuelle Struktur beim Kunden zu beurteilen: "Er muss auch versuchen, künftige Entwicklungen auf Kundenseite, wie etwa die Verlagerung von Arbeitsprozessen, zu antizipieren". Im Vertragsgeschäft wirke sich eine falsche Beratung über Jahre negativ auf den Kunden und somit auf das Geschäft aus. "Im Gegenzug profitiert der Handel bei einer richtigen Beratung aber auch über Jahre von jeder gedruckten Seite", meint Kohlstrung optimistisch.

Auch wenn die Defizite auf Handelseite ohne Frage noch existieren, die Bereitschaft, sich mit Zukunftsthemen auseinanderzusetzen, wächst. "Viele unserer Partner wollen zusätzliche Services anbieten, beispielsweise im Rahmen von Channel-MPS", hat HP-Geschäftsführerin Jaimi Cyrus registriert. Und dies sei mit Sicherheit eines der größten Wachstumsthemen in den nächsten Jahren. (awe)