Die Sozialversicherungspflicht: Eine Falle für Familienunternehmen

11.07.2007 von Patrick Lerbs
Steuerberater Patrick Lerbs über die Schwierigkeit, Familienmitglied und Angestellter des Firmeninhabers zu sein.

Frau XY arbeitet seit 20 Jahren im familieneigenen Handwerksbetrieb. Sie war mit einem angemessenen Gehalt angestellt und es wurden für sie über mehr als 20 Jahre Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.

Im Jahr 2003 kam das Aus. Das Familienunternehmen konnte dem wirtschaftlichen Druck nicht mehr Stand halten und musste Insolvenz anmelden. Frau XY ging mit guter Hoffnung zum Arbeitsamt, meldete sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Bereits kurze Zeit nach Antragsstelllung kam die böse Überraschung. Der Antrag auf Arbeitslosengeld wurde abgelehnt.

Die Begründung des Arbeitsamtes: "XY war nicht sozialversicherungsplfichtig, daher besteht auch kein Anspruch auf Sozialleistungen von seiten des Staates. Wegen fehlender Sozialversicherungspflicht wird der Antrag abgelehnt."

Gerade bei mitarbeitenden Familienangehörigen ist es oft der Fall, dass eine Sozialversicherungspflicht nicht vorliegt. Viele Unternehmer und deren Berater wissen dies sehr oft nicht. In der Annahme einer Sozialversicherungspflicht werden monatlich Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Eine fatale Situation: Wenn also keine Sozialversicherungspflicht vorliegt, gehen Ansprüche auf Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrente sowie Arbeitslosenunterstützung verloren - trotz Beitragszahlung.

Beurteilung der Sozialversicherungspflicht

Zentrales Thema einer sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung ist hier die Frage, ob im Rahmen einer Gesamtbetrachtung mehr die "Unternehmereigenschaft" oder die Situation einer "Arbeitnehmerstellung" überwiegt. Die steuerliche Beurteilung als Arbeitnehmerin und der Begründung einer Lohnsteuerpflicht ist für die Sozialversicherung nicht maßgebend und gewährt keine Rechtssicherheit.

Wer unterliegt der Versicherungspflicht?

Nach §7 Abs. 1 Satz 1 SGBIV ist die "Beschäftigung in nichtselbstständiger Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis", versicherungspflichtig. Wie unschwer bei dieser Formulierung zu erkennen ist, fehlen die ausführlichen Details. Die BfA schreibt z.B., wer funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess teilhat, keinen wesentlichen Einfluss auf die Geschicke der Firma hat und für seine Anstellung Arbeitsentgelt bezieht, ist sozialversicherungspflichtig.

Die Beurteilung ist nicht identisch mit der steuerrechtlichen Würdigung. Die steuerliche Beurteilung stellt lediglich ein Indiz dar.

Welche Kriterien werden noch zur Beurteilung herangezogen?
Da keine einheitlichen Standards zur Beurteilung herangezogen werden können, nachfolgend einige Indizien, die geprüft werden, ob Sie z.B. weisungsgebundenen sind:
- wie ist der Arbeitsvertrag ausgestaltet
- wie werden Überstunden entlohnt
- muss laufend Bericht erstattet werden
- muss der Urlaub genehmigt werden
- sind feste Arbeitszeiten / Dauer festgelegt
- erhalten Sie Tantiemen
- stellen Sie selbstständig Personal ein
- ist eine Kündigungsfrist vereinbart
- usw.

Was ist, wenn festgestellt wird, dass Sie versicherungsfrei sind?

Sollte sich nach der Prüfung aller Details im Rahmen der versicherungsrechtlichen Beurteilung herausstellen, dass Sie nicht sozialversicherungspflichtig sind, besteht die Möglichkeit die zu Unrecht bezahlten Beiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) zurückzuholen. Das kann im Einzelfall ein sechsstelliger Betrag sein.

Im o.g. Beispiel erhielt Frau XY einen Betrag in Höhe von ca. 80.000 Euro erstattet.

Die steuerrechtliche Beurteilung

Die steuerliche Einordnung als Arbeitnehmer betrifft die Frage nach der Einordnung der Einkünfte. Entweder werden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§19 EStG) oder als sog. Gewinneinkünfte erzielt.

In aller Regel liegt trotz einer festgestellten Sozialversicherungsfreiheit ein steuerlich anzuerkennendes Anstellungsverhältnis vor.

a) Steuerlicher Nachteil der SV-Freiheit

Der Arbeitgeber kann keinen steuerfreien Arbeitgeberzuschuss zur Krankenversicherung gewähren. Um die Kostenstruktur im Unternehmen (abzugsfähige Betriebsausgaben) gleich zu halten und die Betroffenen in die Lage zu versetzen, ihre Krankenversicherung selbst zu finanzieren, sollte der frühere Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung auf das Bruttogehalt in Form einer Gehaltserhöhung aufgeschlagen werden. Der dadurch steigende Lohnsteuerabzug und die bei der gesetzlichen Krankenversicherung gleichzeitig steigende Beitragslast kann ggf. durch eine betriebliche Altersvorsorge in Form der Gehaltsumwandlung kompensiert werden.

b) Auswirkung auf Arbeitgeberanteile beim Arbeitgeber

Die Erstattung zu Unrecht entrichteter Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge führt beim Arbeitgeber zu steuerpflichtigen Betriebseinnahmen im Jahr der Erstattung. Werden die Arbeitgeberanteile an den Betroffenen "Arbeitnehmer" weitergeleitet, sind diese bei Auszahlung der Lohnsteuer zu unterwerfen, denn es handelt sich um Arbeitslohn. Die Auszahlung stellt dann beim Arbeitgeber eine Betriebsausgabe dar. Um vgA ´s zu vermeiden, sollte diese Handhabe im Vorfeld schriftlich vereinbart werden.

c) Behandlung der Arbeitnehmeranteile

Diese Anteile wurden aus versteuertem Einkommen gezahlt. Die Erstattung ist damit nicht als Arbeitslohn zu versteuern. Allerdings wurden Sie in den Vorjahren als Sonderausgaben (Vorsorgeaufwendungen) angesetzt und haben die private Steuerlast teilweise gemindert.

Die Feststellung der Sozialversicherungsfreiheit stellt ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 (1) Nr. 2 AO dar mit der Folge, dass die entsprechenden Steuerbescheide der Vorjahre geändert werden.

Vorteil: Es gibt dafür aber keine Kürzung des Vorwegabzuges, sodass eine steuerliche Auswirkung zum Nachteil des Steuerpflichtigen eher gering bzw. Null ist.

d) Außenprüfungsrisiko bei Nichterkennung der SV-Freiheit

Erkennt der Betriebsprüfer (Finanzamt) bei einer Außenprüfung, dass Arbeitgeberanteile zur SV geleistet werden, obwohl keine SV-Pflicht besteht, so besteht die Gefahr, dass er die Zahlungen als Arbeitslohn der Besteuerung unterwirft. Dadurch kann es zu hohen Steuernachzahlungen kommen.

Dem Finanzamt steht aber lt. aktueller Rechtsprechung keine eigene Beurteilung der SV-Pflicht mehr zu, wenn ein verbindlicher Bescheid des SV-Trägers vorliegt. An dieser Feststellung ist das Finanzamt gebunden.

Aber nur ein Bescheid z.B. von der Krankenkasse gewährt noch keine Rechtssicherheit.

Die Krankenkasse kann zwar bestätigen, dass eine SV-Pflicht besteht. Der Rentenversicherungsträger kann entscheiden, dass keine SV-Pflicht besteht und der Betroffene würde keine Leistungen erhalten. Allein die Bestätigung eines SV-Trägers reicht nicht aus, um Rechtssicherheit zu haben.

Um echte Rechtssicherheit zu haben werden die Bestätigung der Deutschen Rentenversicherung Bund, der Krankenkasse sowie die Bestätigung der Bundesagentur für Arbeit benötigt. Nur dann besteht echte Sicherheit.

Unsere Empfehlung!

Lassen Sie Ihren sozialversicherungsrechtlichen Status prüfen - so sind Sie vor unliebsamen Überraschungen sicher. Holen Sie sich eventuell zu Unrecht gezahlte Beiträge zurück.

Für nähere Informationen setzten Sie sich mit uns in Verbindung: Patrick Lerbs, Steuerberater und Dipl. Finanzwirt (FH), Kanzlei Kastl & Kollegen, Papiererstrasse 18, 84034 Landshut, www.kastl-kollegen.de, Telefon: 0871-962-70-0. (mf)