Marketing und Vertrieb transformieren

Digitalisierung bei KMUs – das 4-Stufen-Modell

08.12.2016 von Philipp Moder
Auch kleine und mittelständischen Unternehmen (KMU) müssen sich mit der Digitalisierung auseinandersetzen. Im ersten Schritt sollten sie sich dafür über ihre eigene Position klar werden. Dabei hilft das 4-Stufen-Modell.

Viele kleine und mittelständische Unternehmen stellen sich die Frage, wie sie beim Thema Digitale Transformation aufgestellt sind und ob sie die Herausforderungen der Zukunft meistern können. Zahlreiche Wortschöpfungen wie "Industrie 4.0", "Industrial Internet" oder "Internet of Things", um nur einige zu nennen, sorgen für zusätzliche Verwirrung. Das Aufheben um die Digitalisierung ist groß, das Durcheinander potentieller Handlungsanweisungen noch größer.

Was mache ich mit all den Möglichkeiten?

Wie also umgehen mit Themen, die auf den ersten Blick gut klingen, aber nur noch mehr Fragen aufwerfen? Um Erfolge in der Zukunft zu erzielen, müssen im Hier und Jetzt greifbare Antworten gefunden werden. Es gilt, den Schock der Verwirrung zu überwinden, diese "Zukunftsthemen" anzugehen und persönliche Antworten für das eigene Unternehmen zu entwickeln.

Wo steht mein Unternehmen?

Bei vielschichtigen Problemstellungen hilft oft eine konkrete Klassifizierung. Digitalisierung ist da keine Ausnahme. Ihr Unternehmen klar einordnen zu können hilft dabei, das digitale Dickicht zu verlassen - hin zum richtigen Weg für Ihre Firma.

Das 4-Stufen-Reifgrad-Modell hilft bei der Orientierung auf dem Weg in die Digitalisierung.
Foto: welcomia - shutterstock.com

Unser 4-Stufen-Reifegradmodell bringt es auf den Punkt. In vier klar umrissenen Kategorien zeichnen wir den Weg eines Klein- und Mittelunternehmens, hinsichtlich der Digitalisierung seiner Marketing- und Vertriebstätigkeiten, auf.

Vier Reifestufen - Digitalisierung konkret

1. Unternehmen und Vertrieb: analog
Auf dieser Stufe begegnen Firmen Neuerungen nur zögerlich. Beinahe ignorant handelt man Themen wie Inside Sales oder Telesales ab. Diese Unternehmen fußen auf dem traditionellen Vertriebsmodell: klassischer Außendienst trifft auf reaktiven Innendienst, eine CRM-Lösung sucht man vergebens. So fährt der Außendienst eher ungesteuert zu Kunden und betreut gleichzeitig den kompletten Vertriebsprozess. Kundensegmentierung oder Cross- und Up-Selling-Potentiale werden kategorisch verkannt. Ebenso die Möglichkeiten, die ein profundes Social-Selling-Modell eröffnen kann.

Es existieren weder aktuelle Unternehmensprofile noch Mitarbeiterprofile auf Xing, LinkedIn, Facebook und anderen sozialen Netzwerken. Ohne Abstimmung - quasi autark - arbeiten Marketing und Vertrieb vor sich hin und nebeneinander her, während traditionelle Hierarchien abteilungsübergreifende Kooperationen unterbinden. Marketingaktivitäten konzentrieren sich stark auf Messebeteiligungen, die Website mutet veraltet an und Email-Marketing wird als Spam abgeurteilt. Hingegen streut man oft noch postalische Direkt-Mailings – dies allerdings auch eher planlos - KPIs und die Messbarkeit von Marketingmaßnahmen werden als irrelevant erachtet. Unternehmen dieser Kategorie weisen generell einen eher patriarchalischen Führungsstil auf - von oben nach unten.
Nach meiner Einschätzung befinden sich 10 Prozent aller Unternehmen in dieser Phase.

2. Digital per Zufall: fragmentierte Digitalisierung
Hier startet die Reise in die digitale Zukunft unkoordiniert und planlos. Wir nennen diese Phase fragmentierte Digitalisierung. Sie beginnt meist damit, dass ein Bewusstsein für alternative Vertriebskanäle wie Inside Sales oder Telesales entsteht. Demzufolge erweitern die Top-Vertriebsmitarbeiter ihre Optionen durch Verwendung professioneller beruflicher Accounts auf Xing, LinkedIn, Twitter, Facebook oder Google+. Externe Dienstleister werden zu Rate gezogen. Dabei stoßen diese Firmen jedoch schnell an Grenzen, denn es gibt zwar genug seelenlose Callcenter, Fachspezialisten, die eine profunde Neukundenakquise im B2B-Segment durch Telesales leisten können, hingegen eher weniger.

Hinzu kommt, dass Unternehmen der zweiten Stufe eine Kundensegmentierung vorgenommen haben, die nicht auf dem faktisch existenten Umsatzpotential basiert. So werden relevante Ressourcen im Vertrieb nicht optimal eingesetzt; Cross- und Up-Selling geschehen nur zufällig. Die Relevanz der eigenen Website wird marketingseitig durchaus erkannt, ihr Potential aber nicht vollends ausgereizt. E-Mail-Marketing läuft auf Basis des altbewährten Newsletters: Viele Artikel, der gleiche Inhalt für jeden Empfänger.

Es kann in dieser Phase durchaus passieren, dass der Vertrieb sein eigenes Süpplein kocht und eigene Mailings per Outlook versendet. Generell wird das Thema Messbarkeit von Marketingtätigkeiten erkannt, dennoch nicht konsequent umgesetzt. In dieser Stufe werden viele kleinteilige, digitale Aktivitäten betrieben - einen Masterplan vermisst man jedoch auf ganzer Linie. So plan- und ziellos gestaltet sich auch der Output. Oft erlangen die unkoordinierten digitalen Maßnahmen, forciert durch die "Early Adopters" im Unternehmen, auch eine gewisse Eigendynamik. Dies kann durchaus gefährlich sein. So wird auch, ob ganz offiziell oder eher informell, über Digitalisierung, Automation und Social Sales gesprochen. In der Managementebene wird das Thema hingegen nicht hinreichend thematisiert.
Ich würde zirka 65 Prozent aller Firmen in diese Stufe einordnen.

3. Der digitalisierte Business Case
In dieser Phase sind die Potentiale der Digitalisierung erkannt worden. Schleunigst möchte man demzufolge die oben beschriebenen Stufen verlassen. Social Sales und dessen sinnvolle Kombination mit dem klassischen Vertrieb werden als signifikanter Hebel für höhere Umsätze realisiert. Da diese Erkenntnis oft zu wilden Auswüchsen führt, erkennt nun auch die Managementebene, dass das Marketing & Sales-Alignment professionell betrieben werden muss. So verantwortet das Marketing nun auch Kommunikationskomponenten wie die Tonalität in den sozialen Medien oder kommunikative Richtlinien für Mitarbeiter. Social-Media-Guidelines sind das konsequente Resultat dieser Bestrebungen des Marketings, das maßgeblich für die "Brand Voice" des Unternehmens verantwortlich ist.

Obendrein nutzt das Marketing E-Mail- sowie Content-Marketing professionell und kümmert sich um eine stets aktuelle Website-Präsenz nebst themenspezifischer Landing-Pages. Zudem wird gebloggt, allerdings noch größtenteils manuell und aufwendig. Feste Bestandteile sind außerdem professionelle CRM-Lösungen wie Salesforce.com oder MS Dynamics. Digitale Interaktion mit den Kunden wird mithilfe von Webinaren und Webcasts partiell betrieben und gegeben falls evaluiert. Gleichermaßen sind in dieser Stufe Kennzahlensysteme und Messbarkeit von hoher Relevanz, obgleich Medienbrüche zwischen den Systemen immense Aufwände produzieren können.

Generell herrscht jedoch ein gesteigertes unternehmensinternes Interesse an Prozessautomation und -optimierung. Kurzum: Die Chancen der Digitalisierung wurden erkannt und man ist gewillt, diese auch optimal auszuschöpfen - unter Leitung der Führungsebene.

Ich zähle zirka 15 Prozent aller Unternehmen zu dieser Stufe.

4. Digitale Skalierung, Marketing & Sales-Alignment
In dieser Phase folgt die logische Verquickung von Marketing und Vertrieb - ein profundes Marketing & Sales-Alignment. Moderne Automationstechnologien wie HubSpot und deren Integration in vorhandene CRM-Systeme schließen sich an. Vorreiterunternehmen integrieren sogar im Bereich Social Sales intelligente Tools wie Echobot, Nimble oder SnapAddy in ihre Prozesse. Auf Basis einer eng verknüpften Marketing- und Vertriebsabteilung werden permanente Rückkopplungsprozesse dafür genutzt, die tägliche (Akquise-)Arbeit im Unternehmen kontinuierlich zu verbessern. Es gibt kaum einen stärkeren Trigger für jedwede Aktivität des Marketings als das direkte Feedback der Sales-Mannschaft "an der Front".

Die Betriebe dieser Stufe sind sich voll bewusst, dass heute bis zu 57 Prozent der Kaufentscheidungen bereits getroffen sind, bevor überhaupt der Kontakt zum Lieferanten initiiert wird. Das konventionelle Zielgruppendenken wurde längst von Content-Strategien nach dem ToFU-MoFU-BoFU-Prinzip (Top of the Funnel, Middle of the Funnel, Bottom of the Funnel) umgedeutet und von der Ausrichtung nach Buyer Personas abgelöst. Das befähigt jeden Mitarbeiter, täglich besser zu werden und ist entscheidend für die Wahl von Automatisierungstechnologien, die den Aufbau lückenloser End-to-End-Kennzahlensysteme erlauben.

Auf dem Weg hin zur digitalen Kür wandelt sich auch der Vertrieb: Zielgerichtet und dreidimensional bieten die nun zur Verfügung stehenden Informationen auf Basis der Integration von CRM und Marketingautomation vollkommen neue Rückschlüsse auf den (potentiellen) Kunden. Anhand seiner Vorlieben, Kontakte und Handlungsabläufe wird er für den Vertrieb und das Marketing sukzessive transparenter. Man spricht von einer neuartigen Vertriebs- und Marketingintelligenz, die zunehmend stärker um sich greift.

Social Selling wird als festes Element implementiert und praktiziert. Das Marketing agiert nach einem konkreten Content-Plan, mit hochwertigen Content-Formaten und so, dass vorab definierte und automatisierte Workflows Interessenten und Kunden mit den jeweils relevanten Inhalten versorgen. Manuelle Abläufe bilden die Ausnahme.
Lediglich 10 Prozent aller Unternehmen sind meiner Ansicht nach auf dieser Stufe.

Wie sieht Ihr Unternehmen in Zukunft aus? Haben Sie schon eine konkrete Vorstellung? Wie lässt sich die unternehmerische Moderne ablesen – am Führungsstil oder gar an der Agililtät und Eigenverantwortung der Mitarbeiter? Was ist für Sie die Kür der Digitalisierung? (haf)