Berufe der Zukunft

Digitalisierung verändert die Ausbildung

27.08.2015
Der Einzug von digitalen Techniken verändert das Berufsleben. Die Ausbildungspläne müssen angepasst werden. Sterben alte Berufe aus?

Kann man im Bewerbungsgespräch eine Frage nicht beantworten, hat das in der Regel nichts Gutes zu bedeuten. Lukas Röhrich brachte es einen Ausbildungsplatz. Der heute 20-Jährige hatte sich nach seinem Abitur beim Werkzeugmaschinenbauer Trumpf für eine Ausbildung zum Mechatroniker beworben. Der Ausbildungsleiter fragte ihn, ob er wisse, was ein Produktionstechnologe ist. Als er verneinte, riet man ihm, sich zu informieren. Röhrich befolgte den Rat - und macht jetzt die Ausbildung bei dem Werkzeugmaschinenbauer.

Trumpf-Zentrale in Ditzingen
Foto: Trumpf-Gruppe / David Franck

"Gereizt hat mich, dass man in der Ausbildung größere Zusammenhänge lernt als beim Mechatroniker", sagt Röhrich. Produktionstechnologen planen und betreuen industrielle Produktionsprozesse und richten Produktionsanlagen ein. Sein Lehrlingskollege Christian Schneider, der den Beruf bei Trumpf schon im zweiten Lehrjahr lernt, wusste dagegen, worauf er sich einlässt. Bei Ferienjobs hatte er die Arbeit an Maschinen kennengelernt - und sich mehr für die Prozesse interessiert. "Ich wusste genau, dass ich einen Beruf mit diesen Inhalten lernen wollte." Er hatte Glück: Denn den Beruf des Produktionstechnologen gibt es erst seit 2008.

Industrie und Verbände sahen damals die Notwendigkeit für den neuen Beruf. "Die Digitalisierung nahm zu, gleichzeitig spielte Prozessoptimierung eine immer größere Rolle" sagt Trumpfs Ausbildungsleiter Andreas Schneider, der an dem Berufsbild mitgearbeitet hat. "Dafür hatten wir keinen wirklichen Ausbildungsberuf."

Die Nachfrage ist noch verhalten: 2014 wurden bundesweit erst 146 Produktionstechnologen ausgebildet. Zum Vergleich: Im selben Jahr waren es 26.161 Mechatroniker. "Der Produktionstechnologe war seiner Zeit voraus", sagt Michael Assenmacher, Ausbildungsreferent beim DIHK. Der Autozulieferer Bosch beispielsweise lässt erst von Herbst an die ersten Produktionstechnologen ausbilden.

"Mittelfristig werden sich alle Berufe verändern, weil die Digitalisierung Einzug hält", sagt Siegfried Czock, Leiter Aus- und Weiterbildung, bei Bosch. "Nicht zwangsläufig werden dadurch aber immer neue Berufe entstehen."

Denn die Ausbildungspläne, die mit Verbänden, Kammern und Ministerien erarbeitet werden, sind so weit gefasst, dass sie eine gewisse Anpassung zulassen. "Ausbildungsordnungen sind zukunftsoffen formuliert", sagt Friedrich Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) in Bonn, das den Prozess der Anpassung und Neufassung von Berufsausbildungen koordiniert. So vermitteln die Betriebe in den Ausbildungen bereits die Qualifikationen, die für sie notwendig sind.

Erst wenn sich eine gewisse Relevanz für eine Branche ergebe, erklärt Esser, würden Ausbildungspläne erweitert oder werde über neue Berufe nachgedacht. Dass durch die Digitalisierung eine größere Anzahl der aktuell 328 staatlich anerkannten Ausbildungsberufe abgeschafft wird, glaubt er nicht.

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Doch Veränderungen bleiben nicht aus: "Wir erwarten, dass vor allem bei den Berufsbildern Kfz-Mechatroniker und Kfz-Elektroniker weitere Inhalte verändert werden", sagt Oskar Heer, Leiter Arbeitspolitik bei Daimler. Der Informatikanteil werde weiter steigen - zunächst durch Elektronik, aber auch durch die Einbindung von Echtzeitinformationen aus dem Verkehr. Daimler passe deshalb die Ausbildungsinhalte ständig an. Dabei muss sich der Hersteller mit Kammern und Berufsschulen abstimmen. "Das klappt heute noch besser als vor ein paar Jahren", sagt Heer. Als Daimler 2008 das erste Hybrid-Fahrzeug baute, spielten Elektroantriebe in den Ausbildungsplänen noch keine Rolle.

In der Industrie sieht DIHK-Referent Assenmacher derzeit keinen weiteren Bedarf für komplett neue Berufe. "Im Einzelhandel diskutieren wir aber über einen Beruf, der das Thema E-Commerce aufgreift", sagt er. In den Bauberufen müsse künftig mehr das Haus als ganzes Gebäude gesehen werden. Denn unter dem Titel "Smart Home" werde mehr und mehr intelligente Technik eingebaut, die das gesamte Haus betreffe. Selbt bei IT-Berufen sei zuletzt überprüft worden, inwiefern neue Technologien wie Apps oder 3D-Anwendungen - zum Beispiel beim Mediengestalter - eingebracht werden.

Die Geschichte von Bosch - Von der Zündkerze ins Internet der Dinge
Der Gründer
Die Anfänge von Bosch sind stark vom Firmengründer Robert Bosch geprägt: "Immer habe ich nach dem Grundsatz gehandelt: Lieber Geld verlieren als Vertrauen. Die Unantastbarkeit meiner Versprechungen, der Glaube an den Wert meiner Ware und an mein Wort standen mir stets höher als ein vorübergehender Gewinn." Er führt die 8-Stunden-Woche ein, ist aber auch für Sparsamkeit berüchtigt: "Der Vadder kommt, löschet die onötige Lichter aus!" warnen sich die Mitarbeiter, wenn der Firmengründer einen Kontrollgang macht.
Mit einem Magnetzünder fängt alles an
Der erste Niederspannung-Magnetzünder wird von Bosch 1887 für einen stationären Benzinmotor gebaut. Für ein Kraftfahrzeug sind diese Zünder noch viel zu groß.
Die Diversifikation beginnt
Die Weltwirtschaftskrise ist ein Anlass für die Diversifikation: 1926 kommen auch Scheinwerfer zum Produktportfolio, ein Jahr später Diesel-Einspritzpumpen, Gasgeräte von Junkers und die erste Bohrmaschine.
Der Durchbruch in den 30ern: Zündkerze...
Die Zündkerze - hier ein berühmtes Werbeplakat von 1930 - bringt Bosch den Durchbruch und macht das Unternehmen zum international agierenden Großkonzern. Bis zum ersten Weltkrieg hat Bosch kaum Konkurrenten.
... und Kühlschrank
Der erste Bosch-Kühlschrank ist kreisrund: Die Trommelform hat im Erscheinungsjahr 1933 Kostengründe, setzt sich aber nicht durch.
Die Waschmaschine
Ab 1958 hat Bosch seine erste Waschmaschine im Programm, die das Unternehmen bald zum ersten Waschvollautomaten weiter entwickelt.
ABS
Ein Patent auf ein Antiblockiersystem hatte Bosch schon 1936 eingereicht, erst 1978 ist es aber marktreif und wird in die ersten Autos eingebaut. 1995 kommt ESP auf den Markt, das nicht zuletzt dank dem berühmten "Elchtest" erfolgreich ist.
#Fail
Nobody is perfect: Eine der größten Rückrufaktionen betrifft die Hausgeräte von Bosch: Wegen Brandgefahr muss das Unternehmen 5 Millionen Geschirrspülmaschinen zurückrufen, die zwischen 1999 und 2005 hergestellt wurden.
Das vernetzte Heim
Auch bei seinen Haushaltsgeräten setzt Bosch stark auf Vernetzung und Sensortechnik: Die Backöfen und Geschirrspüler der neuen Serie 8 sind per WLAN verbunden und per iOS-App steuerbar. Per App kann man einen Backvorgang starten oder erhält per Push-Nachricht Infos über den Füllstand des Geschirrspülers. Ein Kühlschrank mit integrierter Kamera soll bald erscheinen.
Ab ins Auto
Von Bosch stammt auch das neue Kombiinstrument des neuen Hybridsportwagens i8 von BMW. Verschiedene Modi stehen zur Wahl, der Modus "Eco Pro" zeigt Übergänge zwischen E- und Benzin-Betrieb besonders detailliert an. Der Raum zwischen den Hauptinstrumenten wird flexibel für Navigations-, Radio- und Telefoninformationen genutzt.
Parklückenvermessung
Zu den vielen Fahrassistenzsystemen von Bosch gehört unter anderem die Parklückenvermessung. Ein Sensorsystem im Citroen C4 Picasso teilt dem Fahrer mit, ob eine Parklücke groß genug für sein Auto ist.
Es geht ins IoT
Bei dem IoT-Projekt "Track and Trace", auch "Vernetzte Werkzeuge in der Fertigung" genannt, testet Bosch vernetzte Industriewerkzeuge. Dank Ortung ist dann beispielsweise der Standort eines Werkzeuges immer bekannt.
Neue Kooperationen
Bosch SI arbeitet unter anderem mit MongoDB eng zusammen. Zu den Kooperationspartnern gehören Tech Mahindra und Cisco.
Übernahme von Prosyst
Die deutsche Bosch hat nie vor Firmenübernahmen zurückgescheut, Mitte Februar 2015 übernimmt Bosch die IoT-Softwarefirma ProSyst. Das auf Gateway-Software und Middleware spezialisierte Unternehmen setzt auf die OSGi-Technologie und beschäftigt rund hundert Mitarbeiter in Deutschland, Sofia und Bulgarien. Kunden sind unter andere BMW, Schneider, EnBW und viele mehr. Ergänzen soll die Software von Pro-syst die so genannte "Bosch IoT Suite", eine Eigenentwicklung der Bosch-Tochter Software Innovations.
Bosch Rexroth
Open Core Engineering von Bosch Rexroth soll eine Brücke zwischen Automatisierung von Maschinen und der IT-Welt schlagen. Ein direkter Zugriff auf den Steuerungskern ist dabei möglich.
2010: Neues Werk in Reutlingen
In der 2010 eingeweihten WaferFab in Reutlingen baut Bosch ASICs, analoge ICS, Hochleistungsbauelemente und MEMS. Fabless Production ist zwar in Mode, Bosch hat aber andere Kunden als Nvidia und Co.
Embedded-Entwicklung
Etas ist ein Embedded-Entwickler mit 700 Mitarbeitern und 135 Millionen Euro Umsatz (2008), der zu hundert Prozent der Muttergesellschaft Bosch gehört.

Eine noch größere Herausforderung als die Anpassung der Ausbildung sieht Trumpf-Ausbildungsleiter Schneider in der Weiterbildung der übrigen Mitarbeiter - und Ausbilder. "Auch wenn die Ausbildung inhaltlich schon auf Industrie 4.0 umgestellt wurde, hilft es nichts, wenn der Ausbilder noch in Industrie 1.0 denkt." (dpa/tc)