Chance für den stationären Handel

E-Commerce als Wachstumstreiber

10.09.2016 von Robert Schneider
Ob Online-Pure-Player oder kleiner Einzelhändler: Kreativität zählt für die Mehrheit der selektiven Online-Shopper - Erkenntnisse und Beispiele.

Stirbt der stationäre Handel? Oder verschwinden 90 Prozent der Online-Pure-Player? Setzen die großen Online-Händler in Zukunft auf eigene Läden? Oder zählen die etablierten Filialketten auf ihrem Weg in den Online-Handel zu den Gewinnern? Haben in diesem Spiel kleine Einzelhändler noch eine Chance?

Dr. Jens Rothenstein vom IFH Institut für Handelsforschung: "Multi-Touchpoint Management ist die Zukunft im Handel."
Foto: ECC Köln

Die aktuellen Diskussionen bewegen sich zwischen Extremen. Dabei möchten sie nur die Frage beantworten, ob und wie E-Commerce als Wachstumstreiber für den stationären Handel funktioniert.Deutlich machte dies Dr. Jens Rothenstein vom IFH Institut für Handelsforschung: "Multi-Touchpoint Management ist die Zukunft im Handel. Denn zum einen glauben nicht einmal die Smart Natives, dass Online die stationären Geschäfte ersetzen wird. Zum anderen werden Multi-Channel Anbieter im Vergleich zu reinen Online- oder stationären Händlern von Konsumenten in allen Bereichen am positivsten wahrgenommen."

lSelektive Online-Shopper erwarten vernetzte Multi-Touchpoints

Die Mehrheit der Verbraucher gehört zu den selektiven Online-Shoppern. Das heißt: Kunden erwarten Multichannel-Services. Dabei sind sie für kreative Angebote durchaus offen.

E-Commerce kann den stationären Handel beleben und vice versa.

Und genau hier liegen die Chancen, aber auch die Herausforderungen - insbesondere wenn es darum geht, Konzepte zu Ende zu denken, um Erfolg zu haben. Ein typisches Beispiel ist Click & Collect. Ist die Abholung im Laden einfach? Stehen Verkäufer für Beratung parat?

Gibt es im Fall von Fashion Umkleidekabinen? Wenn ja, erweist sich Click & Collect als Umsatzmotor mit hoher Kundenbindung. Ansonsten wird es schnell zum Ärgernis für beide Seiten. Daher gilt: Flexibel, relevant und unterhaltsam müssen die Formate entlang der Customer Journey sein.

Ergebnisse der Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle" 2015
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Individual-Software ist im Handel traditionell verbreitet und auch für Multichannel bevorzugt.
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
In Mobile Commerce wird besonders häufig investiert.
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Bei der Preisgestaltung über die verschiedenen Kanäle sind sich die Vergleichsgruppen uneinig
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Die Planungen zur Sortimentsauswahl in den Kanälen sind sehr unterschiedlich
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Auch Fachbereiche wollen die IT bereits in der Strategieentwicklung einbeziehen.
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Organisatorische Strukturen sind größere Hemmnisse als die Technologie.
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Umsatzanteile im deutschen Einzelhandel
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Die Dauer des Wettbewerbsvorteils wird sehr unterschiedlich eingeschätzt.
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Einzelhandel sieht Multichannel eindeutig als Chance
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Den einen Vorreiter in Sachen Multichannel gibt es (noch) nicht^.
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Vor allem in der Elektronik- und Fashion-Branche wird Multichannel-Fähigkeit entscheidend sein
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Mobile Commerce ist der stärkste Veränderungstreiber für den Einzelhandel.
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Bedeutung von Multichannel für Elektronik und Fashion am höchsten (Branchenauswertung).

Kleine Händler punkten mit kreativen Beratungsideen

Erfolg durch kreative Innovation ist dabei nicht unbedingt eine Frage von Budget. Ein Beispiel: Der Modehändler Weingarten bietet neben Click &Reserve auch Online-Terminvereinbarungen für Stilberatung im Laden. So können sich Verkäufer gezielt vorbereiten auf Kunden, die mit einer hohen Kaufbereitschaft vorbeikommen. 39einhalb bietet "Schuhkränzchen": Gruppen genießen nach Vorab-Buchung ein individuelles Shopping-Erlebnis mit Prosecco und Häppchen außerhalb der Öffnungszeiten.

Die kleine Boutique Belgique hat es durch außergewöhnliche Styling-Postings geschafft, auf Instagram eine Fangemeinde von über 237.000 Follower zu versammeln.

Große Händler testen visionäre Technologien

Individuelle Beratung als USP: Die großen Online-Händler testen neben Strategien für eigene Läden derzeit neue Wege: Zalando oder notebooksbilliger.de bieten persönliche Beratung über Whats App. Andere setzen mit Lösungen wie Smartassistant auf eine interaktive Kaufberatung: Vom PC über Möbel bis zum Rasenmäher werden Kunden damit schneller zum passenden Artikel geführt und bei Entscheidungen unterstützt.

4 Tipps, wie man mit Multichannel den Verkauf ankurbeln kann
Multichannel-Werkzeuge sinnnvoll einsetzen
Kanäle wie der eigene Onlineshop, Newsletter, soziale Netzwerke und die stationäre Filiale sollten konsequent miteinander verzahnt werden. Quelle: Prodware
Starke IT im Hintergrund
Unternehmen, die das Thema Crosschannel erfolgreich umsetzen möchten, müssen die Weichen in erster Linie mit einer optimalen IT-Infrastruktur stellen. Quelle: Prodware
Potential des stationären Handels nutzen
Geht es um Elektronik und Mode, kaufen Verbraucher ihre Produkte vorzugsweise im stationären Geschäft. Quelle: Prodware
Kanäle klug verzahnen
Mit der stetig wachsenden Zunahme an mobilen Endgeräten erwarten Kunden mehr denn je, Produktinformationen jederzeit und überall abrufen zu können und im besten Falle auch zu kaufen. Quelle: Prodware

Das Online-Start-up Modomoto, das für Männer ganze Outfits individuell zusammenstellt, gelangt mit dem Modomoto-Button bis in den Kleiderschrank seine Stammkunden. Ein Paket neuer Teile ist damit nur einen Knopfdruck entfernt. Wem das zu virtuell ist, kann im Berliner Fitting-Room einen Termin mit einem Stilexperten vereinbaren.

Chancen für Mittelstand durch spezialisierte Partner

Diese Querbeet-Beispiele machen deutlich: Im Wettbewerb setzt sich durch, wer Kunden kompetent berät, mit frischen Ideen tatsächlich Mehrwerte schafft und über mehrere "Touchpoints" für seine Kunden omni-präsent wahrnehmbar ist.

Fünf Ideen für den Omnichannel-Handel der Zukunft
Echtes Autohaus virtuell besichtigen
Fiat setzt auf Live-Videoübertragungen, um potenzielle Kunden anzusprechen. Dabei präsentieren Mitarbeiter mit Headset und Webcam neue Modelle. Gleichzeitig blendet Fiat Informationen und Farbvariationen ein. Die Zuschauer können Probefahrten vereinbaren.
Über Barcodes Gutscheine für Freunde erstellen
Mit der mobilen Anwendung Jifiti können Nutzer in ausgewählten Geschäften Barcodes an Produkten einscannen und daraus Geschenkgutscheine herstellen. Diese lassen sich digital versenden. Der Empfänger kann damit das Geschenk im Laden abholen oder es online bestellen.
Laden markiert die auf Pinterest beliebtesten Waren
Die in Seattle ansässige Kaufhauskette Nordstrom markiert jene Produkte, die auf Pinterest am häufigsten gepinnt werden. Momentan verfügt Nordstroms Pinterest-Account über 4,5 Millionen Follower, so dass die Schilder die Meinung einer erheblichen Anzahl von Kunden repräsentieren.
Touchscreen mit endlosem Warenkatalog
Die britische Supermarktkette Tesco stellt in Filialen Touchbildschirme auf, auf denen Kunden mehr als 11.000 Produkte finden. Die Artikel lassen sich unter anderem nach Preis filtern. Kunden können die Produkte an einem Abholschalter mitnehmen oder sich nach Hause schicken lassen.
Nahtloser Kundendialog über mehrere Kanäle
Der Anbieter SapientNitro erlaubt mit dem System Connected Retail einen Kundendialog über mehrere Kanäle. Ein Sportartikelhändler ermöglicht Kunden mit Connected Retail, sich zuhause von einer virtuellen Shoppingassistentin online beraten lassen und einen Besuchstermin im Geschäft vereinbaren. Im Laden ist die Assistentin per Bildschirm an der Beratung beteiligt.

Das hat mit Größe wenig zu tun. Vielmehr ist es die - scheinbare - Leichtigkeit, mit der ein Händler die für ihn spezifischen Vorteile jedes Kanals identifiziert, vernetzt und als Alleinstellungsmerkmal nutzt. Um sich dabei nachhaltig zu positionieren, bedarf es allerdings spezialisierter Technologie- und Medienpartner, die aus kreativen Ideen wirtschaftlich tragfähige Lösungen realisieren.

Diese Spezialisten sollten insbesondere mittelständische Unternehmen als Chance nutzen, um trotz begrenzter Ressourcen ihre Zielgruppe über die relevanten Kommunikationskanäle präzise adressieren zu können. Vor allem darf dabei die Rolle mobiler Endgeräte nicht unterschätzt werden. Sie bestimmen maßgeblich das Informations- und Kaufverhalten der nachfolgenden Konsumentengeneration. (rw)

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