Widerrufsrecht

eBay schlampt

17.06.2010
... und die Händler müssen's ausbaden - auch nach dem 11. Juni gilt noch die Ein-Monats-Frist.

... und die Händler müssen's ausbaden - auch nach dem 11. Juni gilt noch die Ein-Monats-Frist. Das Wort Skandal wird oft viel schnell in den Mund genommen. Was sich eBay aktuell leistet, verdient diese Bezeichnung jedoch:

Zum 11.06.2010 ist die neue Muster-Widerrufsbelehrung des Gesetzgebers in Kraft getreten. Gerade die Lobbyisten von eBay hatten erheblichen Druck ausgeübt, um zu gewährleisten, dass auch bei eBay seitdem mit einer Frist von 14 Tagen über das Widerrufsrecht belehrt werden kann statt wie bisher mit der Frist von einem Monat.

Die Monatsfrist, die bis zum 10.06.2010 auf jeden Fall für eBay galt, hatte rein formale Gründe: Da bei eBay eine Information des Verbrauchers über das Widerrufsrecht in Textform (E-Mail) bis zum Vertragsschluss nicht möglich war, betrug die Widerrufsfrist dort einen Monat statt zwei Wochen.

Im Rahmen der neuen Widerrufsbelehrung ab dem 11.06.2010 haben sich jedoch die Voraussetzungen geändert, unter denen ein Internethändler die Zwei-Wochen-Frist in Anspruch nehmen kann. Ab diesem Zeitpunkt reicht eine unverzügliche Information über das Widerrufsrecht per E-Mail nach Vertragsschluss aus. Unverzüglich bedeutet hierbei, dass der Verbraucher spätestens am Tag nach Vertragsschluss die Widerrufsbelehrung per E-Mail erhält.

Keine automatische Information über die Widerrufsbelehrung per E-Mail von eBay

Nachdem eBay offensichtlich viel Geld und Mühe in die Lobbyarbeit investiert hatte, um den Händlern bei eBay - theoretisch - die 14-Tages-Frist zu ermöglichen, ist eBay nunmehr an einer anderen Baustelle gescheitert.

Man könnte annehmen, dass eBay pünktlich zum 11.06.2010 eine Softwarelösung zur Verfügung stellt, die nach Vertragsschluss eine automatische Information des Verbrauchers per E-Mail gewährleistet. Geplant war, dass der Käufer nach Vertragsschluss über das E-Mail-System von eBay eine automatische Information über die Widerrufsbelehrung bekommt, die im Feld "Widerrufs- oder Rückgabebelehrung" am Ende jeder eBay-Auktion bei gewerblichen Händlern dargestellt wird.

eBay hat jedoch die technische Umsetzung der automatischen Information über das Widerrufsrecht nach Vertragsschluss zum 11.06.2010 nicht geschafft! Wir sind erschüttert, dass das Auktionshaus sich außerstande sah, pünktlich zum 11.06.2010 eine automatische Information per E-Mail unverzüglich nach Vertragsschluss über das Widerrufsrecht zu gewährleisten. Dies gilt umso mehr, als eBay hierfür fast zehn Monate Zeit gehabt hat!

Nach unserer Kenntnis wird eBay frühestens ab Juli 2010 in der Lage sein, die technischen Voraussetzungen für eine unverzügliche E-Mail-Information zu gewährleisten.

Missverständliche Informationen im eBay-Rechtsportal

Würde eBay diesen Umstand offensiv kommunizieren, könnten Händler sich auf die technische Unzulänglichkeit von eBay einstellen. Im eBay-Rechtsportal muss man jedoch schon genau hinschauen, um als gewerblicher eBay-Händler keine Fehler zu machen.

Falsch ist bereits die Information "Auf dem eBay-Marktplatz können Verkäufer ab dem 11.06.2010 grundsätzlich ein 14-tägiges Widerrufsrecht einräumen." Das Wort "grundsätzlich" eröffnet sich eigentlich keiner Auslegung, ist jedoch schlichtweg falsch, solange eBay keine automatische E-Mail-Information über das Widerrufsrecht zur Verfügung stellt.

Auch die weitere Information im eBay-Rechtsportal ist mehr als missverständlich. Es heißt dort:

"Hinweis: eBay wird die in Mein eBay hinterlegte bzw. im Verkaufsformular im Feld "Rücknahmebedingungen" angegebene Widerrufs- oder Rückgabebelehrung des Verkäufers voraussichtlich ab Juli 2010 in die E-Mail zum Angebotsende integrieren. Wenn Sie ein externes Verkäufertool verwenden, ist dies eventuell bereits jetzt gewährleistet. Wenn Sie ein externes Verkäufertool verwenden, das es Ihnen ermöglicht, Ihre Widerrufsbelehrung unverzüglich nach Vertragsschluss an den Käufer zu senden, können Sie selbstverständlich ab dem 11.06.2010 von der günstigeren Rechtslage profitieren."

Um zu verstehen, was eBay durch diese etwas "verschwurbelte" Information tatsächlich meint, muss man mehrere Denkschritte gehen:

Wenn kein externes Verkäufertool verwendet wird, kann man nicht von der günstigen Rechtslage profitieren. Im zweiten Schritt müsste der eBay-Händler dann darauf kommen, dass er in diesem Fall noch weiterhin mit der Monatsfrist belehren muss.

Praktische Folgen

Bis eBay es geregelt bekommt, eine automatische Information über das Widerrufsrecht per Mail nach Vertragsschluss zu gewährleisten, kann ein eBay-Händler somit nur dann die 14-Tages-Frist in Anspruch nehmen, wenn immer und unter allen Umständen gewährleistet ist, dass der Verbraucher spätestens am Tag nach Vertragsschluss die Widerrufsbelehrung per E-Mail erhält. Verkäufertools, wie bspw. Afterbuy, können dies gewährleisten.

Theoretisch ist es auch möglich, dass eBay-Händler per Hand nach Vertragsschluss Ihre Kunden über das Widerrufsrecht informieren. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass natürlich auch am Wochenende oder an Feiertagen der gewerbliche eBay-Händler per Hand und individuell Widerrufsbelehrungen per Mail versenden muss. Dies halten wir für unpraktikabel und fehlerträchtig. Dies gilt umso mehr, wenn eBay-Händler kein Verkäufertool verwenden und sehr umfangreich bei eBay verkaufen.

Informationen von eBay für den Wertersatz bei bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme problematisch

Eng verknüpft mit der Frage zwei Wochen und ein Monat im Rahmen der Widerrufsfrist ist die Frage des Wertersatzes für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme. Auch hier ist ab dem 11.06.2010 Voraussetzung, dass der Verbraucher unverzüglich nach Vertragsschluss über diese Rechtsfolge informiert wird. Wer kein Verkäufertool verwenden, das eine automatische Information über das Widerrufsrecht und die Informationen zum Wertersatz für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme gewährleistet, kann auch hier auf keinen Fall einen Wertersatz für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme geltend machen.

Ohnehin bleibt das Problem, dass nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 03.09.2009, Az.: c 4 89/07 ein Wertersatz für ein "Ausprobieren" der Ware im deutschen Recht nicht EU-rechtskonform ist. Nach unserer Auffassung ist Folge, dass, egal wann der Verbraucher über das Widerrufsrecht belehrt wird, auch ab dem 11.06.2010 ein Wertersatz für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme nicht geltend gemacht werden kann. Der Gesetzgeber plant bereits diesbezüglich eine Gesetzesänderung, in der die Widerrufsfolgen auch der neuen Widerrufsbelehrung noch einmal abgeändert werden. Wann dieses Gesetz in Kraft tritt, ist zurzeit noch vollkommen unklar. eBay sagt im Rechtsportal: "Wie in der Zwischenzeit über die Wertersatzpflicht zu belehren ist, ist rechtlich umstritten." Dies ist wohl wahr.

Fehler in der Muster-Widerrufsbelehrung von eBay

eBay stellt eine Muster-Widerrufsbelehrung zur Verfügung. Die Informationen sind nach unserem Eindruck für den juristischen Laien unverständlich. Hinzukommt, dass eBay Mitte Mai 2010 in der Muster-Widerrufsbelehrung nach neuem Recht einen Fehler in den Widerrufsfolgen hatte, der wohl daraus resultierte, dass die Muster-Belehrung nicht sorgfältig nach den Gestaltungshinweisen "zusammengesetzt" wurde.

Immerhin wird auf dieser Seite etwas deutlicher, wann Händler eine Frist von einem Monat einräumen müssen. Interessanterweise schließt eBay den Wertersatz für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme im Muster aus. Wir können jedenfalls nicht empfehlen, dieses Muster ohne anwaltliche Beratung zu übernehmen.

Praxistipp:

Wie der Umstand zu bewerten ist, dass eBay eine automatische Information über das Widerrufsrecht per E-Mail zum 11.06.2010 nicht gewährleisten konnte, mag jeder selbst beurteilen. Die Absicht des Gesetzgebers, mit dem neuen Widerrufsmuster Rechtssicherheit zu schaffen, wird jedenfalls zurzeit von eBay konterkariert.

Sicherlich wird spätestens im Juli 2010, wenn eBay die technischen Voraussetzungen für eine unverzügliche Information über das Widerrufsrecht per E-Mail geschaffen hat, Ruhe eintreten. Bis dahin befürchten wir jedoch erhebliche Abmahnwellen. Einschlägig bekannte Abmahner werden es sich nicht nehmen lassen, aufgrund des neuen Belehrungsmusters, das eigentlich Rechtssicherheit schaffen sollte, letztmalig mit Abmahnungen zum Thema Widerrufsrecht abzukassieren.

Wir empfehlen jedenfalls eBay-Händlern, die nicht über ein Verkaufstool verfügen, das hundertprozentig gewährleistet, dass die Informationen über das Widerrufsrecht per E-Mail spätestens am Tag nach Vertragsschluss beim Verkäufer ist, auf jeden Fall die Monatsfrist zu verwenden. Auf einen Wertersatz für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme sollte verzichtet werden. Von Planungen, per Hand nach Vertragsschluss über das Widerrufsrecht per E-Mail zu informieren, raten wir auf jeden Fall ab.

Ruhe wird erst dann einkehren, wenn eBay im Juli die automatische Information gewährleistet.

Persönliche Einschätzung

Zum 11.06.2010 gibt es eine neue Musterwiderrufsbelehrung des Gesetzgebers. Die Widerrufsbelehrung eröffnet in der Theorie auch eBay-Händlern die Möglichkeit, mit einer Widerrufsfrist von zwei Wochen zu belehren, statt wie bisher mit einem Monat. Die entsprechenden Regelungen im neuen Gesetz sind auf Grund erheblicher Lobby-Arbeit von eBay zustande gekommen.

Skandalös ist der Umstand, dass eBay in der technischen Umsetzung gepatzt hat und keine technischen Voraussetzungen zur Verfügung stellt, so dass alle eBay-Händler mit der 14-Tages-Frist belehren können. Dies ist um so skandalöser, wenn man bedenkt, dass die Gesetzesänderung letztlich eng mit der Lobby-Arbeit von eBay verknüpft ist und eBay auf der anderen Seite schon seit zehn Monaten von diesem Umstand weiß. Ich meine, dass dies durchaus eine Meldung wert ist. Hinzukommt, dass die Informationen von eBay selber auf der eBay-Internetseite mehr als missverständlich sind. (oe)

Der Autor Johannes Richard arbeitet als Rechtsanwalt in der Kanzlei Langhoff, Dr. Schaarschmidt & Kollegen in Rostock. Er hat sich auf die Bereiche Internet- und Online-Recht sowie Wettbewerbsrecht spezialisiert und ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz.

Kontakt und Infos: Tel.: 0381 448998-0, E-Mail: rostock@internetrecht-rostock.de, Internet: www.internetrecht-rostock.de