Feuerwehrmann und Joker

Ein Tag im Lebens eines technischen Leiters im Systemhaus

20.01.2014 von Christiane  Leonhardt
Was macht ein technischer Leiter in einem Systemhaus den ganzen Tag? Wir haben einen davon, Thorsten Luft, begleitet.

09:15 Uhr: "Thorsten, kannst du dich spontan in eine Telefonkonferenz einwählen?", ruft ein Kollege. "Wir brauchen Deine Einschätzung zu einem Ticket." So wird Thorsten Luft oft genug empfangen, sobald er das Großraumbüro des IT-Dienstleisters Systrade in Frankfurt am Main betritt, das er sich mit seinen Mitarbeitern in der Technik teilt. Er leitet das Technikteam bei Systrade und ist die "letzte Instanz" für technische Herausforderungen. Das heißt: Aufgaben, die seine Mitarbeiter nicht lösen können, landen auf seinem Schreibtisch. Luft wählt sich ein, spricht mit den Kollegen, die gerade beim Kunden sind, und weist sie auf verschiedene Punkte hin, damit sie das Problem vor Ort lösen können. Dann legt er auf, nimmt seine Arbeitsmappe und steuert den großen Konferenzraum an.

Einen Großteil seiner Arbeitszeit verbringt der technische Leiter Thorsten Luft vor dem Bildschirm - sei es beim Kunden oder im eigenen Büro.
Foto: Systrade

09:55 Uhr: Jeden Montagmorgen um zehn Uhr findet das Monday-Morning-Meeting statt. In der halbstündigen Besprechung stimmen Technik und Vertrieb die Auftrags- und Einsatzprioritäten für die jeweils laufende Woche ab. So wird sichergestellt, dass sich alle auf aktuelle Schwerpunkte konzentrieren. Die Sitzung findet im Stehen statt. Wer steht, fasst sich kürzer. "Solche kurzen Stehbesprechungen sind ein positiver Aktivator für den Tag. Sie bringen Schwung für das ganze Team", führt Luft aus. Die Einsätze der Woche werden durchgesprochen, Fragen bezüglich technischer Umsetzungen geklärt und auf einen gemeinsamen Schulungstermin für Technik und Vertrieb am Freitag hingewiesen.

Meetings hält Luft nur manchmal im Sitzen ab. Wird wie in diesem Fall mit den Mitarbeitern ein aktuelles Kundenprojekt durchgesprochen, stehen die Beteiligten normalerweise.
Foto: Systrade

10:30 Uhr: Der Besprechungsraum leert sich. Die Kollegen strömen zurück an ihre Arbeitsplätze. Luft und ein Mitarbeiter bleiben an dem großen Besprechungstisch zurück. Michael Giebel braucht die Unterstützung seines Chefs bei einem Ticket. Bei bis zu 20 Prozent aller Tickets, die pro Woche eingehen, wird Luft von seinen Mitarbeitern einbezogen. "Um solche Nüsse zu knacken", meint Luft, "braucht man viel Erfahrung. Alte Betriebssysteme können Fehlermeldungen auslösen - und mit solchen Systemen muss man sich auskennen, um Fehler zu finden." Entscheidend sei, dass man sich in die Denkmuster von anderen Programmierern einarbeitet, weil man dann die Menüführungen schneller versteht. Es gebe bestimmte Muster, die sich überall durchzögen, die ähnlich oder fast identisch seien - egal, ob neues oder altes Betriebssystem.

Eine halbe Stunde später erhebt sich Giebel, er hat von seinem Chef ausreichend Anhaltspunkte erhalten, die er prüfen soll, um den Fehler zu finden. Luft führt disziplinarisch und fachlich 20 Mitarbeiter. Dabei unterstützt ihn sein Assistent Giebel. Dieser übernimmt das sogenannte Dispatching, die Koordination der Helpdesk-Tickets unter den Kollegen und alle anfallende Administration rund um das Thema Mitarbeiter.

11:30 Uhr: Ein Mitarbeitergespräch steht an. Der technische Leiter und sein Mitarbeiter Stefan Albert treffen sich in einem der Sitzungsräume. Es geht um die Frage, welche Zertifizierungen Albert erwerben möchte. Sie sind "eine wichtige inhaltliche Weiterentwicklung des Mitarbeiters, die sorgfältig ausgewählt werden müssen, damit sie seinen Karriereweg unterstützen", sagt Luft. Das Gespräch mit Albert dauert fast eine Stunde. Luft wirft einen Blick auf die Uhr: Er hat noch Zeit für eine kleine Mittagspause. Prompt steckt ein Kollege seinen Kopf in den Besprechungsraum: "Thorsten, wir holen uns was aus einer Imbissstube - sollen wir dir etwas mitbringen?" Kurze Zeit später tauchen die Kollegen schwer bepackt wieder auf. Der größte Teil des Teams findet sich in der geräumigen und hellen Küche ein. Dort werden Pizza, Döner, Salat und Pommes auf dem großen Tisch verteilt und gemeinsam gegessen. Luft nutzt das gemeinsame Mittagessen, um sich mit den Kollegen über die Arbeit auszutauschen, aber auch über Privates.

Performance-Analyse bei der Deutschen Flugsicherung

13:15 Uhr: Am Nachmittag steht ein Termin zur Performance-Analyse bei der Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) an. Auf dem Weg zum Parkplatz erklärt Luft, dass sich seine Aufgaben über ein weites Spektrum erstrecken: Pre-Sales-Präsentationen, bei denen sein erfahrener technischer Rat gefragt ist, Bestandsaufnahmen beim Kunden für die angeforderte Wartung, Key-Account Management, Datenbankbetreuung, Performance-Analysen. Er selbst sieht sich als eine Mischung aus Koordinator, Feuerwehrmann und Problemlöser.

Um ein mögliches Hardwareproblem geht es auch beim anstehenden Termin bei der DFS in Langen, wo eines der größten Radarkontrollzentren Europas steht. Der Kunde, den Systrade seit zehn Jahren betreut, hat sich vor ein paar Tagen gemeldet, um einen Termin für eine Performance-Analyse zu vereinbaren.

14 Uhr: In Langen wird Luft von Andreas Grau und Reinhard Norzel begrüßt. Beide DFS-Mitarbeitern gehören in der IT-Abteilung zum Team, das die nationale Vermittlung von flugsicherungsrelevanten Meldungen wie Wetter- und Flugdaten verantwortet. Grau lädt zu einem Besuch des Service-Management-Centers (SMC) ein. Hier läuft der zentrale Betrieb und die Überwachung aller für den Flugsicherungsbetrieb notwendigen Systeme, die der DFS-Bereich "Systems and Infrastructure Services" verantwortet.

Im SMC überrascht die schier unendliche Zahl von Monitoren, die in verschiedenen Inseln - entsprechend den Fachbereichen - gruppiert sind. "Angefangen bei der Elektro- und Klimaversorgung über die komplexe Kommunikationsinfrastruktur, die Radar-, Funk- und Navigationssysteme bis hin zu einer Vielzahl von flugsicherungsspezifischen Komponenten - laufen alle Bereiche hier zentral zusammen", erklärt Grau. "Schließlich unterstützen sie den Fluglotsen an Bord oder im Tower, der dafür verantwortlich ist, die Flugzeuge sicher durch den deutschen Luftraum zu führen. Der deutsche Luftraum ähnelt einem großen dreidimensionalen Puzzle." Er ist in Fluginformationsgebiete unterteilt, die den fünf Radarkontrollzentralen (den Centern) zugeordnet sind. Innerhalb der Radarkontrollzentralen ist jedes Fluginformationsgebiet seinerseits wie ein Puzzle in Sektoren aufgeteilt, die jeweils von einem Team überwacht werden, das aus zwei Personen besteht: einem Radar- und einem Koordinationslotsen. Während der Radarlotse dem Piloten über Funk Anweisungen gibt und die Freigaben erteilt, spricht sein Kollege mit den benachbarten Sektoren. Er stimmt beispielsweise Übergabehöhen für den ein- und ausfliegenden Verkehr ab, regelt die Übergabe an und vom zuständigen Tower für An- und Abflüge, nimmt entsprechende Informationen entgegen und unterstützt den Radarlotsen.

Die Geschäftsfelder der Deutschen Flugsicherung gehen weit über die Luftverkehrskontrolle hinaus: So sammelt die DFS beispielsweise flugrelevante Daten und lässt sie in Produkte und Dienstleistungen wie Luftfahrtkarten, Flugberatung und die Entwicklung von Flugsicherungs-, Ortungs- und Navigationssystemen einfließen.

Systrade ...

... in Bad Homburg bietet Full Service für den kompletten IT-Lebenszyklus: von der Entwicklung und Umsetzung neuer Lösungen über die Analyse und Optimierung des Status quo bis zum Management laufender Systeme. Zu den Leistungen gehören Professional Services, Wartung, Hosting und Housekeeping.

14:30 Uhr: Zurück im Büro rollen DFS-Mitarbeiter ihre Stühle an den Rechner, an dem Thorsten Luft sitzt. Da er aufgrund der DFS-Richtlinien nicht eigenständig an einer sich im Betrieb befindlichen Komponenten arbeiten darf und außerdem das Vier-Augen-Prinzip gilt, gibt ein DFS-Mitarbeiter verschiedene Befehle ein, um die von Luft benötigten Informationen anzuzeigen.

DFS-Mann Grau erläutert: "Wir suchen seit ein paar Wochen nach einem in den Test- und Referenzsystemen nicht nachstellbaren Phänomen, das uns immer wieder zu festgelegten Zeiten zu schaffen macht. Nachdem die klassischen Wege der Fehleranalyse nicht weitergeführt haben, streben wir jetzt ein Ausschlussverfahren an: Systematisch werden Anwendungsprogrammierung, Betriebssystem, Hardware, Übertragungswege und Gegenstelle beziehungsweise Empfänger überprüft, um den Fehler auszuschließen."

Die DFS-Mitarbeiter schauen gebannt auf Lufts Bildschirm. Nach Eingabe der Befehle erscheinen Zahlenkolonnen mit vielen Nullen, die bestätigen, dass die Hardware keine Fehler aufweist. Kurze Enttäuschung -hatte man doch gehofft, auf dieser Ebene das Phänomen erklären zu können. Luft schlägt vor, um einen Hardwarefehler mit Sicherheit auszuschließen, die Auswertung der Hardware-Performance-Parameter mittels SAR-Tools offline noch einmal genau zu überprüfen.

16 Uhr: Bei einem Kaffee in der Kantine fasst die Mannschaft die Ergebnisse der Performance-Analyse zusammen, bespricht, wer welche Aufgaben übernimmt, um die Auswertung der Dateien kurzfristig anzugehen. Danach tauschen die Beteiligten noch einige Anekdoten aus - man spürt das entspannte Verhältnis, das zwischen Kunde und Dienstleister herrscht. "Wir legen Wert darauf, mit unseren Geschäftspartnern ein partnerschaftliches Verhältnis zu pflegen", erklärt Grau.

Für Luft ist es selbstverständlich, auch im Server-Raum nach dem Rechten zu sehen.
Foto: Systrade

16:30 Uhr: Es geht zurück zu Systrade, und während der Autofahrt berichtet Luft von seinem bisherigen beruflichen Werdegang: Er ist Wirtschaftsingenieur und arbeitet seit 17 Jahren beim jetzigen Arbeitgeber. Auf die Frage, wie man in eine solche Position gelange, antwortet er: "Neben diversen Zertifizierungen und Ausbildungen braucht man einen Chef, der den Mitarbeiter auf diesem Karriereweg unterstützt." Auf die Frage, wie denn ein "normaler" Arbeitstag aussehe, winkt Luft ab: "Einen normalen Arbeitstag gibt es in meinem Berufsleben nicht. Als Feuerwehrmann muss ich flexibel agieren - auf alle aktuellen Bedürfnisse unserer Kunden. Der Kunde und seine Rundum-Betreuung stehen im Mittelpunkt meiner Arbeit", erklärt der technische Leiter. "Nachtschichten für Ausfalltests und Bereitschaftsdienste führen zu unregelmäßigen Arbeitszeiten."

17 Uhr: Wieder bei Systrade in Bad Homburg angekommen, steckt Luft kurz den Kopf in das Großraumbüro, das er sich mit seinen Mitarbeitern teilt. Es ist etwas ruhiger als sonst - heute gibt es von keinen besonderen Ereignissen zu berichten. Trotzdem ist für den Ingenieur kein Feierabend. Er steuert nun das Rechenzentrum des Unternehmens an. Dort wartet ein Vertriebskollege aus Hamburg mit technischen Fragen auf ihn.

Drei Fragen - drei Antworten

Thorsten Luft

Ein technischer Leiter muss sich sowohl in der Hardware- als auch der Softwarewelt zu Hause fühlen und den Kunden verstehen können.

CW: Welche Voraussetzungen muss man für den Job als technischer Leiter mitbringen?

Luft: Analytisches Denken, Kenntnisse in Programmierung, unterschiedlichen Betriebssystem- und Datenbankanwendungen, um das Zusammenspiel verschiedener Komponenten zu verstehen, sowie die Bereitschaft, ständig dazuzulernen.

CW: Was gefällt Ihnen besonders an Ihrer Aufgabe?

Luft: Ich habe mir immer ein abwechslungsreiches Berufsleben gewünscht, und das habe ich jetzt. Im Idealfall entwickle ich technische Konzepte gemeinsam mit dem Kunden, so dass wir die Ergebnisse ohne Reibungsverluste umsetzen können. Oft liegt aber bereits ein Fachkonzept vor, und erst hinterher stellt sich heraus, dass vieles nicht so einfach umzusetzen ist. Dann ist Abstimmung erforderlich, besonders wenn mehrere Dienstleister beteiligt sind.

CW: Wie entspannen Sie sich vom chaotischen Arbeitsalltag?

Luft: Wichtig ist, nach Beendigung des täglichen Jobs den Ausschalter zu finden und sich zwischen den unsteten Arbeitstagen sowie dem hohem Arbeitspensum Freizeit zu nehmen und Ruhepausen zu beachten. Am besten entspannen kann ich mich im eigenen Garten.