Vertrieb und Ertrag ankurbeln

Erfolgsfaktor After-Sales-Services

13.03.2018 von Hartmut Pleyer
Viele Maschinen- und Anlagenbauer schöpfen das Servicepotenzial ihrer Produkte nicht aus – obwohl mit ihm hohe Umsätze und Erträge zu erzielen wären. Das ändert sich allmählich, denn viele Hersteller erkennen die strategische Bedeutung des After-Sales-Services für die Kundenbindung und die Neukundengewinnung.
In Zeiten der Digitalisierung muss auch das Servicegeschäft neu strukturiert und an die sich wandelnden Anforderungen der Kunden angepasst werden.
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In der Vergangenheit zählte der "Kundendienst" nicht zum Kerngeschäft der meisten Maschinen- und Anlagenbauer. Selbst wenn sie durch Ersatzteilversorgung und Technikereinsätze bereits ansehnliche Margen erzielten, erreichte der Anteil des Geschäfts mit Service-Leistungen oft weniger als fünfzehn Prozent ihres Gesamtumsatzes - unter anderem weil es vorwiegend reaktiv betrieben wurde.

Das ändert sich allmählich, denn

  1. Veränderungen im internationalen Wettbewerbsumfeld,

  2. zunehmende Volatilität der Marktbedingungen sowie

  3. abnehmende technische und kommerzielle Differenzierung über das eigentliche Produkt

führen zu einem steigenden Umsatz- und Margendruck bei den Maschinen- und Anlagenbauern.

Service wird zum zentralen Erfolgsfaktor

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sind innovative Dienstleistungen als Teil der Gesamtlösung nötig, die den Endkunden neben Funktionalität und Verfügbarkeit der Maschine einen erkennbaren Zusatznutzen bieten. Dieser wird durch Maßnahmen zur Produktivitäts- und Effizienzsteigerung der Wertschöpfungskette der Kunden erreicht.

Das bedeutet, dass das Servicegeschäft neu strukturiert und den Anforderungen der Kunden angepasst werden muss - also eine strategische und organisatorische Neuausrichtung von ihm.

Strategieentwicklung und Umsetzung

In diesen Prozess muss das Top-Management involviert sein, damit

  1. die neue Service-Strategie mit der Gesamtstrategie abgestimmt ist,

  2. die notwendigen Regeln zur Verzahnung mit den anderen Bereichen festgelegt sind und

  3. der erforderliche Management-Support für dieses Change-Projekt sichergestellt ist

Dabei sind beim Entwickeln und Umsetzen der Service-Strategie die drei Aspekte "Kunden- & Marktsicht", "Leistungsportfolio" sowie "Aufbau- & Ablauf-Organisation" zu beachten.

Kunden- und Marktsicht für Service-Anforderungen

Typische Fragestellungen für die Kunden- und Marktsicht sind:

  1. Sind alle Service-Anforderungen der Kunden über den Lebenszyklus der Maschine bekannt?

  2. Durch welche Faktoren wird der Service-Bedarf einer Maschine beeinflusst?

  3. Welche Wettbewerber sind in den unterschiedlichen Lebenszyklus-Phasen aktiv?

  4. Welches Potenzial lässt sich ableiten und wie viel ist davon bereits erschlossen?

Die Praxis zeigt, dass die Endanwender über die Lebensdauer einer Maschine oder Anlage oft ein Mehrfaches des Anschaffungspreises für Service-Leistungen ausgeben, um deren Verfügbarkeit, Produktivität und Lebensdauer sicherzustellen. Deshalb ist ein auf die unterschiedlichen Phasen im Lebenszyklus einer Maschine und Anlage abgestimmtes Service-Konzept erfolgversprechend.

Faktoren wie zum Beispiel Anwendung und Auslastung sowie Umgebungsbedingungen haben einen erheblichen Einfluss auf den Verschleiß und die Lebensdauer einer Maschine oder Anlage, die meist zehn bis dreißig Jahre beträgt.

Während der Anlaufphase und bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist ist in der Regel der Maschinenhersteller in der Pflicht, bei einem Ausfall für Ersatz und Störungsbeseitigung zu sorgen. Danach übernimmt der Endanwender diese Verantwortung und bindet je nach eigener Service-Fähigkeit und -Strategie weitere Service-Erbringer ein.

Für das Service-Potenzial gilt die Faustregel: Je höher der finanzielle Verlust ist, der bei einem Ausfall droht, umso mehr ist das Unternehmen bereit, in den Service zu investieren. Diese Erkenntnis ist für die Hersteller bei der Auswahl der Zielkunden und -branchen wichtig. Deshalb müssen sie die Anforderungen ihrer Zielkunden über den gesamten Lebenszyklus der Maschinen und Anlagen verstehen und erkennen, wer ihre Wettbewerber sind. Nur so können sie einen größeren Anteil des Service-Potenzials adressieren.

Leistungsportfolio und Anforderungen

Typische Fragestellungen zum Leistungsportfolio sind:

  1. Sind die Service-Anforderungen und -Potenziale der Ziel-Gruppen dokumentiert und validiert?

  2. Welche der bestehenden Leistungen müssen angepasst werden?

  3. Welche neuen (digitalen) Services und Geschäftsmodelle erhöhen den Kundennutzen?

  4. Welche Anforderungen gibt es an die Leistungserbringung und deren Ressourcen?

  5. Welche Preismodelle können für Service-Produkte und Dienstleistungen eingesetzt werden?

Für die Definition und Umsetzung des künftigen Serviceportfolios ist es erforderlich, die Anforderungen des Marktes und der Kunden zu aggregieren, und die Potenziale der Zielkunden sowie Branchen abzuschätzen. Unter Berücksichtigung der bestehenden Service-Leistungen ist daraus dann das neue Portfolio und Potenzial systematisch abzuleiten.

Aufgrund der zunehmenden Vernetzung der Produktionsanlagen, Verfügbarkeit von Daten über intelligente Sensoren und Analyse von (Cloud-basierten) Massendaten sollten auch digitale Services und Smart-Services bei der Portfolioentwicklung berücksichtigt werden.

Die Preisgestaltung der Service-Leistungen muss vom Kundennutzen abgeleitet werden. Die Bündelung einzelner Service-Leistungen in individuellen und zeitlich fixierten Service-Verträgen ermöglicht eine längere Kundenbindung und somit größere Abschöpfung des Service-Potenzials.

Eine strategie-unterstützende Organisation

Typische Fragestellungen zur Organisation des Service sind:

  1. Was ist die richtige Aufbau- und Ablauforganisation?

  2. Welche Verantwortungsbereiche hat der Service im Unternehmen?

  3. Welche Schlüssel-Kennzahlen (Key Performance Indicators, kurz: KPI's) sind zur Steuerung der Service-Strategie und Erreichung der Ziele erforderlich?

  4. Welche Anforderungen gibt es an das Produktmanagement und die Leistungserbringung?

  5. Welches Vertriebsmodell ist erforderlich, um die Service-Leistungen optimal zu positionieren?

Die optimale Organisationsform einer Service-Einheit ist stark von der Organisation des Gesamtunternehmens abhängig. Wichtig sind jedoch ausreichende Kompetenz und Entscheidungspower, um die erforderlichen Veränderungs- und Innovationsprozesse umzusetzen.

Klare Verantwortungsbereiche der Service-Organisation im Gesamtunternehmen sind festzulegen, um eine nahtlose Zusammenarbeit sicherstellen. Hierzu zählen unter anderem

  1. die Entwicklung der Serviceleistungen,

  2. die Preisgestaltung der Serviceleistungen,

  3. die Verantwortung für die installierte Basis von Maschinen und Anlagen.

Die Erfolgs-Messung und -Steuerung der Service-Organisation sollte über wenige, schlagkräftige KPI´s erfolgen, die mit Tools wie der Balanced Scorecard oder dem Selling-Plan unterstützt werden. Ein übersichtliches Service-Cockpit stellt die KPI's inklusive deren Abweichungen zu den vereinbarten Zielen zeitnah dar, so dass bei Bedarf gegengesteuert werden kann.

Der Service-Vertrieb unterliegt anderen Mechanismen als der Neumaschinen-Vertrieb. Deshalb ist eine getrennte, jedoch eng aufeinander abgestimmte Zusammenarbeit dieser beiden Vertriebseinheiten erforderlich. Konflikt-Potenziale müssen unter der Prämisse "die Kunden-zufriedenheit hat höchste Priorität" intern geregelt werden. Eine optimale Anpassung an die Erwartungen der Kunden wird durch einen Mix aus Service Telefonvertrieb und Service Account Management sichergestellt.

Fazit

Unternehmen, die den beschriebenen Weg konsequent verfolgt und umgesetzt haben, konnten ihren Service Umsatz oft auf mehr als ein Drittel des Gesamtumsatzes steigern - und das bei einem Ertrag, der weit über dem des Neugeschäfts liegt. Zudem lassen sich konjunkturelle Schwankungen im Neugeschäft besser ausgleichen

Der Erfolg einer optimierten Service-Strategie stellt sich meist schnell ein, wenn die Aspekte

  1. Kunden- und Marktausrichtung (Anforderungen der Kunden verstehen),

  2. Leistungsportfolio (Service Leistungen für den gesamten Lebenszyklus der Maschinen erbringen),

  3. Organisation (Produktmanagement, Leistungs-erbringung und Vertrieb auf die Anforderung der Endkunden ausrichten)

konsequent berücksichtigt und umgesetzt werden. Um die damit verbundenen analytischen und konzeptionellen Aufgaben zu lösen, ist oft ein interner oder externer Management-Support mit branchen-übergreifender Erfahrung aus Kapazitäts- und Knowhow-Gründen nötig. (OE)

Lesetipp: Der klassische Vertrieb geht neue Wege