Es bleibt bei drei verschiedenen Produkten

30.11.2000
37 Millionen Mark pro Jahr wollen sich Navision und Damgaard durch ihre Fusion sparen. Wo? In der Verwaltung und im Marketing, keinesfalls in der Produktentwicklung.

Der letzte Woche beschlossene Merger zwischen den dänischen ERP-Spezialis-ten Navision und Damgaard nimmt langsam konkrete Züge an. Gegenüber ComputerPartner betonte der frischgebackene Europachef des fusionierten Konzerns, Hans Peter Blech, dass die zwei DamgaardLösungen "XAL" und "Axapta" weiterhin neben "Navision Financials" bestehen werden.

Während die Unterscheidung zwischen der Navision-Lösung und Axapta noch einigermaßen einsichtig ist - Axapta adressiert Unternehmen bis zu 1.000 Usern, Navi-sion Solutions (früher Financials) ist bis maximal 300 Usern skalierbar - fällt die Einordnung von XAL schon um einiges schwerer.

"Momentan steht natürlich XAL im Wettbewerb mit der Navision-Solutions", gibt auch Blech unumwunden zu. Für welche Lösung sich ein Kunde schlussendlich entscheidet, hängt für ihn von lediglich einem Faktor ab. "Falls es bereits eine branchenspezifische Lösung für diesen Kunden gibt, wird sich dieser selbstverständlich für Navision entscheiden", ergreift der frühere Damgaard-Deutschland-Chef eindeutig Partei.

Das erscheint auch logisch, denn in diesem Fall erhält der Kunde fundierte Unterstützung von einem zertifzierten Partner, dem Navision Solution Center (NSC). Falls keine fachspezifischen Anpassungen notwendig sind oder eine gewünschte Branchenlösung fehlt, könnte sich der Kunde laut Blech genauso gut für XAL entscheiden. "Oft hängt es nur davon ab, welches Systemhaus der mittelständische Kunde bei sich vor Ort findet", so der Vizepräsident weiter.

Bei der derzeitigen Konkurrenzsituation soll es aber keinesfalls bleiben. "Wir wollen Damgaard XAL ganz klar unterhalb von Navision Solutions positionieren", gibt Blech die Marschroute vor. Axapta wiederum liegt auf dem Migrationsweg von Navision Solutions hin zu größeren und komplexeren Installationen. "Hier knabbern wir den SAP-R/3-Markt etwas an", so Blech weiter.

Ferner beteuert er hieb und stichfest, dass er weiterhin an den drei völlig unterschiedlichen Lösungen festhalten möchte: "Das sind wir unseren Partnern schuldig." So gibt es beispielsweise in Deutschland keine Partner, die sowohl Damgaards als auch Navisions Produkte im Sortiment haben.

Drei Entwicklungsabteilungen

Für jede der drei Lösungen wird also jeweils eine eigenständige Entwicklungsabteilung weiterhin bestehen bleiben. Möglichkeiten für Zusammenarbeit zwischen diesen Abteilungen sieht Blech kaum: "Sicherlich werden sich die Entwickler während der Mittagspause austauschen, doch für weitergehende Kooperation fehlt einfach die technologische Basis. Die aktuellen Versionen XAL, Solutions und Axapta wurden zu verschiedenen Zeitpunkten (1991, 1995 beziehungsweise 1999) entwickelt und unterscheiden sich deswegen zu stark, um eine gemeinsame Basis zu finden", klärt der Europachef auf. Ein Unterschied fällt zumindest sofort auf: Während Damgaards ERP-Lösungen mit der Oracle-Datenbank arbeiten, vertraut Navision voll und ganz auf Microsofts SQL-Server.

Trotz dieses Bekenntnisses erscheint das Ganze hinfällig, denn wozu sollten die beiden dänischen Anbieter fusionieren, wenn nicht dazu, um Synergien auch im Produktbereich zu erhalten?

Die Einsparungen in Verwaltung und Marketing allein konnten wohl kaum für die Fusion ausschlaggebend sein. Denn soll die gesamte Produktpalette tatsächlich beibehalten werden, hätte es schließlich eine lose Kooperation auch getan, nach dem Motto: "Ach lasst uns doch schnell noch ein paar Schnittstellen gemeinsam entwickeln".

Welches der Drei überlebt?

Es ist wohl eher so, dass der neuentstandene dänische Konzern seine Partner und Kunden nicht verunsichern will. Auch wenn Hans Peter Blech ganz fest behauptet: "Bei uns gibt es keine Pläne für die Zusammenlegung von Produkten", wird dieses Statement in zwei bis drei Jahren hinfällig sein.

Denn gemeinsam erreichen Damgaard und Navision gerade mal einen Marktanteil von knapp zehn Prozent im Mittelstand. Um hier dazuzugewinnen, wäre es wohl besser, wenn der neue Chef des fusionierten Unternehmens klare zeitliche Vorgaben bezüglich der Produktstrategie nennen könnte. Das würde sowohl den Partner als auch Kunden die nötige Planungssicherheit geben. (rw)