Europas Olivetti-PC-Chef träumt von Allianz mit Packard Bell/NEC

20.09.1996
FRANKFURT: Im Markt schwirren die wildesten Spekulationen zum Thema Olivetti PCs. Steht die Firma vor dem endgültigen Aus oder wird sie sich durch einen Schubs von außen erheben wie ein etwas flügellahmer Phoenix aus der Asche? Stephen Daverio, General Manager der Region Central Europe der Olivetti Personal Computers, legt in einem Gespräch mit ComputerPartner-Redakteurin Ute Dorau seine Karten auf den Tisch.?Herr Daverio, bei Ihnen laufen derzeit sicher die Telefone heiß: Ihre Händler und Distributoren wollen wissen, ob - und wenn dann wie - es weitergeht bei Olivetti PC. Was antworten Sie?

FRANKFURT: Im Markt schwirren die wildesten Spekulationen zum Thema Olivetti PCs. Steht die Firma vor dem endgültigen Aus oder wird sie sich durch einen Schubs von außen erheben wie ein etwas flügellahmer Phoenix aus der Asche? Stephen Daverio, General Manager der Region Central Europe der Olivetti Personal Computers, legt in einem Gespräch mit ComputerPartner-Redakteurin Ute Dorau seine Karten auf den Tisch.?Herr Daverio, bei Ihnen laufen derzeit sicher die Telefone heiß: Ihre Händler und Distributoren wollen wissen, ob - und wenn dann wie - es weitergeht bei Olivetti PC. Was antworten Sie?

DAVERIO: Natürlich bekommen wir am laufenden Band Anfragen von unseren Vertriebspartnern. Ich kann da nur sagen: Olivetti Personal Computer wird es auch weiterhin geben.

?Die Unternehmenszahlen und die Verkaufsgerüchte sprechen da eine andere Sprache.

DAVERIO: Es stimmt, die Olivetti-Gruppe ist nicht gesund, nirgendwo, abgesehen von Omnitel mit seinem Telefongeschäft. Der Konzern muß zugeben, daß er nicht in der Lage ist, alles allein zu machen. Er hat nicht genug Ressourcen, weder finanziell noch von der Manpower her und auch nicht vom Management. Unsere Schwesterfirma Olivetti Systems & Services ist jetzt das Kerngeschäft der traditionellen Olivetti-Gruppe. Ein Systemhaus, wie es auch andere gibt. Wie Debis oder Compunet beispielsweise verkaufen sie aber auch Hardware, das ist nicht unüblich. Und diese Hardware beziehen sie zu sehr günstigen Konditionen von uns. Sie machen 20 bis 30 Prozent ihres Gesamtumsatzes mit unserer Hardware und kaufen sie direkt ab Werk. Und unser oberster Chef, Francesco Caio, hat ja deutlich signalisiert: Er will keinesfalls hundertprozentig aus dem PC-Geschäft aussteigen, denn er braucht Computer für seine anderen Firmen.

?Die Gerüchte über die Einstellung der PC-Abteilung halten sich aber hartnäckig - und nicht erst seit gestern.

DAVERIO: Unsere derzeitige Situation ist die von AT&T im letzten Jahr: Die Olivetti-Gruppe im allgemeinen ist seit fünf Jahren schwach. Letztes Jahr ging es hart auf hart und Herr De Benedetti mußte ein letztes Mal sehr viel investieren, um alles auf die Reihe zu bekommen. Also hat er neue Investoren in die Firma geholt - und sich ein wenig die Finger verbrannt. Das waren nämlich einige dieser professionellen Investorengruppen aus den Vereinigten Staaten und aus England. Die haben Aktien gekauft und wollten natürlich den Wert schnell steigen sehen. Diese Angelsachsen - ich darf das sagen, ich bin selber halber Amerikaner - denken manchmal ein bißchen kurzfristig. Zudem heißt es seit geraumer Zeit überall, das größte Problem bei Olivetti seien wir, nämlich die Personal Computer Division und raten uns, auszusteigen. Es herrscht also ein enormer Druck von zwei Seiten. Das war bei AT&T auch so.

?Die haben daraus die Konsequenz gezogen und haben ihre PC-Division eingestampft...

DAVERIO: ... und dafür rund 1,3 Milliarden Dollar ausgegeben. Sie kennen doch die Situation von Olivetti: Die PC-Division zu schließen, würde uns wahrscheinlich mehr kosten. Das Geld ist einfach nicht vorhanden, die Firma kann gar nicht schließen.

?Das heißt?

DAVERIO: Wir machen weiter. Unsere Zahlen sprechen doch dafür: Im ersten Halbjahr hat Olivetti Personal Computers weltweit einen Verlust von ungefähr 15 Milliarden Lire gemacht - das sind rund 15 Millionen Mark. Letztes Jahr in der gleichen Periode waren es über 200 Milliarden Lire, so um die 200 Millionen Mark! Das heißt: Wir haben uns gewaltig verbessert.

?Sie wollten 1996 den Break Even erreichen. Schaffen Sie das?

DAVERIO: Wir hatten es vor, aber ich gebe jetzt nach sieben, acht Monaten zu, das werden wir wohl nicht schaffen. Ich schätze, wir werden einen leichten Verlust im gleichen Bereich wie jetzt haben - zwischen 10 und 20 Millionen weltweit. In 1995 waren es mehrere hundert Millionen. Ich bin überzeugt, daß wir 1997 wieder in den schwarzen Zahlen sein werden.

?Woher nehmen Sie den Optimismus, während die Verkaufszahlen für PCs doch überall stagnieren?

DAVERIO: Trotzdem. In Deutschland alleine haben wir ein Umsatzwachstum von 85 Prozent im ersten Halbjahr und ein Stückzahlenwachstum von 84 Prozent. Insgesamt sind wir zur Zeit praktisch von unter null Prozent Marktanteil bei Notebooks im ersten Halbjahr auf 3,8 Prozent Marktanteil in Europa gekommen - laut Dataquest. Was haben wir gemacht? Ganz einfach - ich bin ja erst seit einem Jahr dabei und hatte vorher bei Logitech in der Schweiz das gleiche miterlebt, wie jetzt hier. Es mußte komplett umorganisiert werden. Also haben wir zum 1. Januar 1996 eine neue Firma gegründet, die Olivetti Personal Computers. Wir konnten ganz neu anfangen und eine PC-Firma schaffen, wie sie sein sollte. Dazu gehört der rein indirekte Vertrieb und eine neue Kostenstruktur, um mit den heutigen Margen erfolgreich umgehen zu können. So können wir aggressive Preise haben und trotzdem ausreichend Marketing betreiben und einen Gewinn erwirtschaften.

?Mit welchem Erfolg?

DAVERIO: Jetzt, nach neun Monaten, sind wir zwar noch nicht am Ziel, aber wir sind fast so weit. Im Notebook-Bereich sind wir, was das Pricing angeht, extrem aggressiv. Die Mannschaft, die die neue Notebook-Familie mit so viel Erfolg entwickelt und auf den Markt gebracht hat, hat jetzt seit Juni die Verantwortung für den Gesamtproduktbereich übernommen und überarbeitet gerade unsere Desktops. Vor drei Wochen haben wir eine neue Linie lanciert und wollen vor Jahresende noch die endgültige Linie fertigstellen. Wir haben re-engineered, Kosten rausgenommen und viel stärker standardisiert, auch im Server-Bereich. Im Prinzip sind wir über Nacht ein Compaq geworden.

?Dahin fehlt ja noch ein Stück. Die Marktanteile in Deutschland sind marginal und tauchen in den meisten Statistiken noch gar nicht auf.

DAVERIO: In Deutschland ist das große Problem, daß es hier so teuer ist, Marktanteile zu gewinnen. Der deutsche Markt ist so preisintensiv, das kann man im Moment vergessen. Trotzdem sind wir mit unserem 85- Prozent-Wachstum hier sicher neben Hewlett-Packard und ASI/Fujitsu die am schnellsten wachsende Firma in Deutschland, obwohl wir von einer sehr, sehr kleinen Basis kommen. Zudem haben wir hier vor allem sehr gute Großkundenbeziehungen, die sind längerfristig angelegt.

?Ob das ausreicht, Olivetti Personal Computers auf Dauer über Wasser zu halten, ist doch sehr fraglich. Wie ist denn der aktuelle Stand bei der Partnersuche?

DAVERIO: Also: Olivetti kann das PC-Geschäft nicht so weiterführen, wie sie es lange Zeit gemacht haben, sie können aber auch nicht schließen, weil sie es nicht wollen und weil das Geld dazu fehlt. Da ist die erste Priorität, einen Partner zu finden, der ihnen einen Großteil abnimmt. Zum Beispiel jemanden, der sich mit 50 bis 60 Prozent beteiligt.

?Olivetti wäre also bereit, die Aktienmehrheit abzugeben?

DAVERIO: Ja, wie bei Omnitel. Davon besitzt Olivetti 41 Prozent, aber das genügt bei diesen großen Konzernen. Wenn die Anteile einigermaßen verteilt sind, können Sie die Firma immer noch kontrollieren.

?Olivetti will in erster Linie eine Investorengruppe oder eine Industriellen-Gruppe, die selber eigentlich nicht aus dem Computergeschäft kommt. Das war es doch, womit sich Ihrer Ansicht nach De Benedetti die Finger verbrannt hat.

DAVERIO: Sie haben schon recht, ich meine eher eine Industrie-Gruppe wie Thyssen oder Daimler Benz. Die geben jahrein, jahraus Millionen für Computer aus. Daimler Benz hat die Debis aufgebaut, aber sie kaufen immer noch die Computer bei uns.

Wenn es eine Investorengruppe ist, die nicht aus dem Computermarkt kommt, hätte Olivetti weniger Schwierigkeiten, die PC-Gruppe so weiterzuführen, wie wir sie jetzt aufgebaut haben.

?Was halten Sie von einem Zusammenschluß nach dem Beispiel ASI/ICL/Fujitsu oder Packard Bell/NEC?

DAVERIO: Das wäre mir persönlich fast die liebste Lösung. Wir allein kommen nicht an gegen Compaq, IBM oder HP. Aber es gibt viele kleinere Hersteller, die in Europa einen Marktanteil zwischen zwei und sechs Prozent haben - wie SNI, Gateway 2000 und so weiter. Aber durch einen Merger kann man gemeinsam viel erreichen.

?Welche Namen sind denn bei Olivetti im Gespräch?

DAVERIO: Ich habe hier schon ein paar Mal den Namen Packard Bell gehört - die sind sehr stark in den Staaten, NEC in Japan - aber keiner von beiden hat sich wirklich hervortun können in Europa. Wir sind nichts in den USA und schwach in Asien, in Europa aber stark. So gesehen wären wir ein Computer-Dream-Team.

?Gibt es noch andere Überlegungen?

DAVERIO: Ja natürlich: HP ist offenbar im Gespräch, mit IBM tut sich was, aber ich weiß nicht, wie ernst das ist. Und natürlich Siemens. Da wäre eine Partnerschaft nicht schlecht, von der Vertriebsseite her betrachtet. Die Stärken von Siemens und Olivetti sind fast hundertprozentig entgegengesetzt. Zusammengenommen könnte das eine gewaltige Geschichte geben.

?Was sollte einen möglichen Investor dazu bewegen, in Olivetti zu investieren?

DAVERIO: Wir glauben, wir sind dabei, eine Firma zu kreieren, die ein interessanter Partner wäre für Siemens, Packard Bell oder jemand anderen. Wir haben unseren Turnaround im Griff und nochmal: Ich bin fest überzeugt, daß wir ab 1997 nur noch schwarze Zahlen schreiben. Mir ist vor allem klar: Je besser wir performen, desto besser können wir verhandeln, weil dann der Druck wegfällt.

?Wie sieht es bis dahin für Ihre Vertriebspartner aus?

DAVERIO: Business as usual. Es kann ja nichts passieren, bis ein Käufer gefunden ist. Und selbst dann geht wahrscheinlich alles weiter wie bisher. Wir werden unsere Produkte ausliefern, wir werden Service erbringen, der Support wird auch in Zukunft gewährleistet bleiben - es gibt keinerlei Gründe, Angst zu haben.

?Im Falle eines Mergers könnte sich für die Vertriebspartner doch einiges ändern.

DAVERIO: Das könnte es natürlich. Wenn wir einen Merger mit Siemens machen würden, dann müßte ein Herr Daverio wahrscheinlich dran glauben. Ich habe in Deutschland für Siemens keinerlei Wert und sie würden Olivetti wahrscheinlich hundertprozentig in ihre Gruppe integrieren. In anderen Ländern wäre es dann umgekehrt. Aber im Fall Packard Bell beispielsweise könnte ich mir vorstellen, daß wir aktiv würden: Ich habe die bessere Vertriebsorganisation in Deutschland. Ich habe in letzter Zeit viele junge Leute aus namhaften Firmen reingeholt, die sind alle motiviert. Unsere neue, indirekte Vertriebsstruktur hat sich mehr als bewährt, gerade im Distributionsbereich.

?Das klingt alles recht zuversichtlich, aber - um Ihr Beispiel aufzugreifen - auch bei der PC-Division von AT&T in Deutschland wußte man bis kurz vor dem Exitus nicht, daß das Ende so nah ist...

DAVERIO: Ich bin natürlich kein Hellseher. Es kann schon sein, daß ich genauso an der Nase herumgeführt werde wie die deutsche PC-Mannschaft von AT&T damals. Aber von dem, was ich hier geschildert habe, bin ich fest überzeugt.