Das können Sie tun

Faultiere im Betrieb?

19.04.2010
Niemand kann auf Dauer schlechte Arbeit abliefern, sagen Michael Henn und Christian Lentföhr.

1. Grundsatz

Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gemäß § 280 I BGB zu Schadensersatz bei schuldhafter Schlechtleistung (= jegliche arbeitsvertragliche Pflichtverletzung außer verspäteter bzw. nicht geleisteter Arbeit) verpflichtet. Gemäß § 619a BGB trägt der Arbeitgeber die Beweislast für das Vertreten-Müssen des Arbeitnehmers bzgl. der Pflichtverletzung. Da die vertragliche Hauptpflicht des Arbeitnehmers dienstvertraglicher Natur ist (= Leistung der Arbeit als solche und nicht werkvertraglich geschuldeter Erfolg der Arbeit), besteht anders als bei Nichtleistung bei Schlechtleistung kein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers bzgl. der Vergütung.

2. Aufrechnung

Allerdings kann der Arbeitgeber mit seinem Schadensersatzanspruch im Rahmen der Pfändungsgrenzen nach § 850c ZPO gemäß § 394 BGB gegen den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers aufrechnen.

3. Haftungsverteilung für Schäden

Unter dem Billigkeitsaspekt, dass der Arbeitnehmer regelmäßig einen etwaigen Schaden aufgrund Schlechtleistung wirtschaftlich viel schlechter als der Arbeitgeber verkraften kann bzw. versichern oder auf Kunden abwälzen kann, wurden in hierzu schwankender Rechtsprechung Grundsätze zu einer interessengerechten Risikoverteilung und Haftungsbeschränkung entwickelt.

Die Rechtsprechung geht von folgender Haftungsbeschränkung aus:

- Bei leichter Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers haftet dieser nicht.

- Bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit trifft den Arbeitnehmer die Haftung bzgl. des vollen Schadens.

- Bei mittlerer Fahrlässigkeit kommt es nach den Grundsätzen des § 254 BGB zu einer Schadensaufteilung. Bei dieser Abwägung ist einer der Aspekte zur jeweiligen Zurechnung der Schadensrisiken die sogenannte Gefahrgeneigtheit der Arbeit. Die Rechtsprechung sieht dabei z.B. die Tätigkeit als Justitiar eines Unternehmens oder die Tätigkeit als Bürovorsteher eines Wirtschaftsprüfers im allgemeinen nicht als gefahrgeneigt an (LAG Frankfurt, DB 1988, 1702). Desweiteren ist eine Abwägung zu Billigkeit und Zumutbarkeit zu treffen unter Berücksichtigung von Gesichtspunkten wie Lebensalter, Betriebszugehörigkeitsdauer, Familienverhältnisse, Gehaltshöhe und Stellung des Arbeitnehmers etc.

- Gemäß § 619a BGB hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Ersatz für den aus der Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden Schaden nur zu leisten, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat, wofür der Arbeitgeber die Beweislast trägt.

- Mitverschulden des Arbeitgebers ist z.B. anzunehmen bei nicht ausreichender Organisation und Kontrolle, offensichtlichem Überfordern des Arbeitnehmers, Nichtbeachtung der zulässigen Arbeitszeiten, unterbliebener Versicherung.

- Grobe Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers wird bejaht z.B. in den Fällen des Alkoholgenusses über der Promillegrenze, Verschweigen von fehlender Fahrpraxis, Missachtung von Verkehrszeichen, Übermüdung.

4. Haftung bei Schädigung betriebsfremder Dritter

Wenn ein Arbeitnehmer bei einer betrieblichen Tätigkeit einem Dritten Schaden zufügt, so haftet er an sich dem Dritten gegenüber nach §§ 823 ff BGB. Die besonderen Haftungsbeschränkungen bestehen nur innerhalb des Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Soweit der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber nach diesen Haftungsgrundsätzen nicht haften würde, hat er gegen den Arbeitgeber einen entsprechenden Freistellungsanspruch, den der Dritte seinerseits pfänden kann und unmittelbar gegen den Arbeitgeber vorgehen kann.

5. Haftung des Arbeitnehmers gegenüber Arbeitskollegen

??- Bei Personenschäden aufgrund eines Arbeitsunfalls gemäß § 8 SGB VII haftet der Arbeitnehmer dem von ihm geschädigten anderen Arbeitnehmer gegenüber gemäß § 105 SGB VII grundsätzlich nicht, es sei denn der Unfall wurde vorsätzlich oder auf einem nach § 8 II Nr. 1-4 SGB VII versicherten Weg von ihm herbeigeführt. Bei einem Wegeunfall i.S.d. § 8 II Nr.1-4 SGB VII haftet die Unfallversicherung zwar, jedoch hat der Geschädigte unter Anrechnung nach § 105 I 3 i.V.m. § 104 III SGB VII der Leistungen der Unfallversicherung privatrechtliche Ansprüche gegen den Schädiger bzgl. der verbleibenden Ersatzansprüche. Auf Auszubildende ist § 105 SGB VII gemäß § 106 i.V.m. § 2 I Nr.2 SGB VII entsprechend anzuwenden.

- Gegenüber dem Sozialversicherungsträger haftet der Schädiger jedoch gemäß § 110 I SGB VII in den Fällen der §§ 104 ff SGB VII bereits bei Herbeiführung des Versicherungsfalls durch grobe Fahrlässigkeit für die Aufwendungen des Versicherungsträgers bis zur Grenze des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches. Allerdings steht es dem Sozialversicherungsträger nach § 110 II SGB VII frei, nach billigem Ermessen, insbesondere unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers, auf den Ersatzanspruch zu verzichten.

??- Für Sachschäden sind die Vorschriften der §§ 104 ff des SGB VII nicht anwendbar. Der Arbeitnehmer haftet grundsätzlich dem anderen Arbeitnehmer gegenüber selbst. Jedoch hat er einen Freistellungsanspruch, soweit der Arbeitgeber bei seiner Schädigung verpflichtet wäre nach den grundsätzlichen Haftungsbeschränkungen den Schaden selbst zu tragen.

6. Haftung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer

??- Für Personenschaden des Arbeitnehmers ist die Haftung des - ja auch allein die Beiträge der Unfallversicherung tragenden - Unternehmers gemäß § 104 SGB VII beschränkt.

??- Die frühere Rechtsprechung zur Haftung des Arbeitgebers bzgl. Sachschäden des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber danach nur bei seinerseitigem Verschulden bzw. bei außergewöhnlichen Sachschäden anlässlich gefährlicher Arbeit zu ersetzen hatte, ist mittlerweile wie folgt erweitert:

-- Auch ohne Verschulden des Arbeitgebers muss dieser dem Arbeitnehmer Unfallschäden an dessen KFZ ersetzen, wenn es mit Billigung des Arbeitgebers ohne Sondervergütung im Betätigungsbereich des Arbeitgebers eingesetzt war. Dies ist dann der Fall, wenn er ohne das KFZ des Arbeitnehmers ein eigenes KFZ einsetzen und dessen Unfallgefahr tragen müsste. Das Mitverschulden des Arbeitnehmers ist gemäß § 254 BGB zu berücksichtigen.

-- Mittlerweile wurde in entsprechender Rechtsprechungsentwicklung entschieden, dass ein Krankenhausträger seinem Pfleger zum Schadensersatz wegen einer von einem Patienten beschädigten Brille verpflichtet ist.

-- Die Tendenz der Rechtsprechung geht zu einem Ersatzanspruch bzgl. der Schäden an eigenen Sachen des Arbeitnehmers im Betätigungsbereich des Arbeitgebers. Zumindest hat der Arbeitgeber berechtigterweise auf das Betriebsgelände mitgebrachte Sachen des Arbeitsnehmers durch zumutbare Maßnahmen vor Beschädigungen Dritter zu schützen.

Weitere Informationen zum Thema und Kontakt:

Michael Henn, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Präsident des VdAA, c/o Dr. Gaupp & Coll, Stuttgart, Tel.: 0711 305893-0, E-Mail: stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de und www.vdaa.de

Christian Lentföhr, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Mitglied im VdAA, c/o W. Schuster und Partner GmbH, Schuster, Lentföhr & Zeh, Tel.: 0211 658810, E-Mail: lentfoehr@wsp.de, Internet: www.esp.de