Zahl der Unternehmensgründungen sinkt

Finanzkrise verschärft Probleme der ITK-Branche

09.10.2008
In den vergangenen neun Jahren gingen die Firmengründungen in den Bereichen Software und Services sowie ITK-Hardware um mehr als die Hälfte zurück. Gleichzeitig verschärfen verunsicherte Banken und Kreditgeber ihre Kreditvergaberichtlinien gegenüber bestehenden Firmen. ChannelPartner befragte Top-Manager aus dem Handel zu ihren Zukunftsaussichten.
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Der amerikanische Finanzmarkt strauchelt und zieht die europäischen Banken mit. Erst Anfang dieser Woche stellte die Bundesregierung für die Hypo Real Estate einen Hilfstopf in Höhe von 50 Milliarden Euro in Aussicht. Von solchen Summen können gründungswillige Jungunternehmer in der ITK-Branche als Unterstützung nur träumen. Sie kämpfen um jeden Cent.

Während die Zahl der Gründungen im IT-Sektor in Deutschland im Jahr 2000 mit 9.322 ihren Höhepunkt erreichte, hat sich diese Zahl inzwischen mehr als halbiert. Im vergangenen Jahr betrug die Anzahl der Start-ups in den Bereichen Software und IT-Services sowie ITK-Hardware nicht einmal mehr die Hälfte (4.106). Nach Angaben des Statistischen Bundesamts waren es 3.766 Betriebsgründungen im ITK-Hardware-Segment und insgesamt 340 in den Branchen Software und IT-Services im Jahr 2007.

Startkapital: woher nehmen und nicht stehlen?

Grund für den Rückgang ist laut Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer der Mangel an investitionsbereiten Kapitalgebern: "Die deutschen Investoren halten sich bei der Finanzierung von Gründern vornehm zurück. Der Mangel an Risikokapital entwickelt sich zu einem gravierenden Standortnachteil", so Scheer. Diese Aussage wird von einer Umfrage des Bitkom unterstrichen, die der Verband Anfang 2008 unter den Teilnehmern des BMWi-Gründerwettbewerbs "Mit Multimedia erfolgreich Starten" durchgeführt hatte, in der 307 Fragebögen ausgewertet wurden.
Die Frage, welche die wesentlichen Gründe dafür waren, dass das geplante Unternehmen trotz einer Geschäftsidee nicht gegründet wurde, beantworteten 64 Prozent der Befragten mit fehlendem Startkapital oder keinem beziehungsweise zu wenig Kapitalgebern, gefolgt von unsicherem Einkommen (31 Prozent).

Marcel Straub und Sören Graf sind zwei junge Unternehmer, die vor eineinhalb Jahren den Online-Shop computerprofis.de gegründet haben. In der Anfangsphase hatten sie, wie es scheint, keine Geldsorgen: "Wir sind ohne jegliche Kredite oder Finanzierungen ausgekommen, da wir das Glück hatten, unser Startkapital aus sehr lukrativen B-Ware-Geschäften beschaffen zu können. Jetzt sind wir jedoch in einer Phase, die ohne Finanzierung kein weiteres Wachstum mehr erlaubt, da wir hohe Beträge über gewisse Zeiträume finanzieren müssen. Hier arbeiten wir mit Best Excellence zusammen und erarbeiten gerade mit einem Coach einen Businessplan. Im Allgemeinen sehen wir aber sehr optimistisch in die Zukunft", erzählt Straub auf Nachfrage von ChannelPartner.

Kredite von Investoren und Banken zu bekommen, ist vor allem in den vergangenen Wochen nicht gerade einfacher geworden. Die Finanzkrise in den Vereinigten Staaten, die mittlerweile auch eindeutige Auswirkungen auf die europäische Geldlandschaft hat, schürt Unsicherheit. Natürlich beobachten Deutschlands Top-Manager die weitere Entwicklung mit Argusaugen. Trotz der allgemeinen Unsicherheit im Finanzsektor und auch mit der gebotenen Vorsicht sehen Firmenlenker an der Basis nicht alles schwarz.

Ralf Klenk, Vorstandsvorsitzender der Bechtle AG, setzt seinem Unternehmen auch in schwierigen Situatuationen ehrgeizige Ziele.

"Ich glaube vor allem, dass es sich nicht mehr nur um die Wirtschaftskrise in den USA handelt. Die Weltwirtschaft ist heute viel zu eng verzahnt, als dass sich eine Finanzkrise oder Rezession in den USA nicht auch nach Europa übertragen würde. So schwer es fällt, das tatsächliche Ausmaß der aktuellen Krise zu bestimmen, so wichtig ist es, besonnen zu bleiben. Man kann jede schwierige Situation noch etwas schlimmer reden, man kann sich aber auch erneut ehrgeizige Ziele stecken und alles daran setzen, sie auch zu erreichen", beschreibt Ralf Klenk, Vorstandsvorsitzender des international tätigen Systemhauses Bechtle AG, die Situation aus seiner Sicht.

Emotionale Rezession

Hans-Georg Freitag, CFO bei Deutschlands größtem Systemhaus Computacenter, sieht in der Rezession auch Chancen für das Geschäft.
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Auch Hans-Georg Freitag, Chief Financial Officer bei Computacenter, sieht für die ITK-Branche in der aktuellen Situation positives Potenzial. Der Finanzexperte von Deutschlands größtem Systemhaus, das auch über die Grenzen hinaus tätig ist, sieht den Veränderungsbedarf bei den Kunden: "Was wir derzeit in Deutschland spüren, ist zuallererst einmal eine emotionale Rezession.

Die weitere Entwicklung wird stark davon abhängen, inwieweit sich die US-Bankenkrise auf Europa und Deutschland ausweitet und es zu echten Schäden kommt. Finanzierungen werden in diesem Klima sicher nicht einfacher werden. Wir sehen aber in einer Rezession auch Chancen für unser Geschäft, denn in Zeiten wirtschaftlichen Drucks haben unsere Kunden Veränderungsbedarf in ihrer Informationstechnologie, sei es, um einen kostengünstigen IT-Betrieb sicherzustellen oder um ihr eigenes Kerngeschäft wettbewerbsfähiger zu gestalten.
Ein umfassendes Lösungs- und Serviceportfolio, flexible Outsourcing-Angebote, die sich je nach Bedarfssituation des Kunden auf- und abwärts skalieren lassen, sowie die Fähigkeit, den Kunden zu beraten, sind hier der Schlüssel."

Gerhard Schulz, Senior Vice President Central & Eastern Europe bei Ingram Micro, hatte als Deutschland-Chef erst kürzlich eine Entscheidung des europäischen Managements bezüglich der Frachtkostenweitergabe im deutschen Markt umzusetzen. Als Manager eines Broadliners mit amerikanischem Headquarter hält er sich derzeit mit positiven Prognosen eher zurück: "Die gesamtwirtschaftliche Situation sehe ich im Moment als hochgradig kritisch an. Wir erleben einen ständig steigenden Bedarf an Rohmaterialien in Asien, die Kreditsituation in den USA beruhigt sich nicht, der Dollarkurs war lange Zeit im Sinkflug.

Wir leben in einer globalisierten Welt, mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt. Mit den explodierenden Energiepreisen hatten in diesem Jahr Privatpersonen und Unternehmen zu kämpfen. Die Inflation ist hoch; die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter mit allen Ängsten, die dadurch in der Mittelschicht ausgelöst werden. Die Rentabilität speziell der Unternehmen aus dem Transport- und Logistiksegment nahm im laufenden Jahr dramatisch ab, besonders kleinere und mittelständische Firmen mussten Insolvenz anmelden. Zu all dem kommen noch der massive Preisverfall bei den IT-Produkten, der zusätzlich über die Dollarentwicklung getrieben ist, und der aggressive Preiskampf, der in unserer Branche tobt, hinzu."

Kredite werden teurer

Klaus Hellmich, Vorsitzender der Geschäftsführung der Actebis GmbH, sieht eine härtere Gangart der Banken bei der Vergabe von Krediten.

Massiver Preisverfall und ein aggressiver Preiskampf bedeuten für den Handel immer weniger Marge und damit weniger operatives Plus in der Kasse. Um den finanziellen Spielraum für Expansionen zu erweitern, sind Bankkredite eine der Möglichkeiten. Zu diesem Thema hat sich Klaus Hellmich, Vorsitzender der Geschäftsführung der Actebis GmbH, Gedanken gemacht: "Dank der Interventionen durch die Zentralbanken in den USA, Großbritannien, Deutschland und anderen Ländern konnte bislang ein Zusammenbruch des globalen Finanzsystems verhindert werden. Auf den deutschen ITK-Markt hat die US-Hypothekenkrise daher keine unmittelbaren Auswirkungen. Aber auf die härtere Gangart der Banken bei der Kreditvergabe muss sich auch unsere Branche einstellen. Es werden zwar nicht weniger Kredite vergeben, aber sie zu bekommen wird aufwendiger und teurer. Die Bankinstitute verlangen mehr Informationen, Sicherheiten und Transparenz. Zudem verteuern sich die Kreditzinsen bei höherem Risiko."

Neugründer Straub blickt zwar nicht blauäugig, aber dennoch optimistisch in die Zukunft: "Wir machen uns wegen der Finanzkrise noch keine Sorgen, da wir uns immer noch im Wachstum befinden und noch lange nicht an einer natürlichen Grenze bezüglich neuer Kunden angekommen sind." (bw)