Folgekosten vermeiden, Firmenwert sichern

Gefahren bei VAR-Verträgen mit amerikanischen Partnern

16.09.2009
Was Systemhäuser beim Vertragsmanagement unbedingt beachten sollten, beschreibt Jürgen Beckers.

Deutsche Systemhäuser sind interessante Partner für amerikanische Softwarehäuser, wenn es darum geht, neue Märkte mit dem nötigen Branchen-Know-how und der Nähe zum Kunden zu erschließen. Die US-Anbieter entwickeln Lösungen und bringen daraus neue Anwendungsfelder für spezifische Marktsegmente hervor. Für das Systemhaus vor Ort eine gute Option, sein Portfolio sinnvoll auszubauen. Was wirtschaftlich logisch erscheint, zeigt sich in der der juristischen Beratungspraxis aber oft als unvorteilhaft für den deutschen Partner.

Gerade amerikanische Softwareunternehmen ohne deutsche Niederlassung scheuen häufig den Aufwand, ihre Verträge an die rechtlichen Rahmenbedingungen des deutschen Wirtschaftsraumes anpassen zu lassen. Sie verlangen daher von den Systemhäusern den Abschluss eines VAR-Vertrages nach US-Recht. Unterschreibt ein Systemhaus einen solchen Vertrag ungeprüft und ohne Anpassungen an seine geschäftlichen Bedürfnisse, können zahlreiche Probleme entstehen. Erstens unterliegt das Systemhaus mit seinen Verkaufsbedingungen dem deutschen Recht. Zweitens gibt es gravierende Unterschiede zwischen dem deutschen und amerikanischen Rechtssystem. Ein wesentlicher Unterschied liegt bereits darin, dass alles das, was ein deutscher Vertrag nicht regelt, im Zweifel im Gesetz geregelt ist. Ganz anders bei der Vertragsgestaltung in den USA.

Was nicht im Vertrag steht, existiert als Vertragspflicht in aller Regel nicht und kann deshalb auch nicht verlangt werden. Fehlen die Angaben zu Reaktionszeiten für Softwarefehler in einem VAR-Vertrag nach US-Recht, ist es möglich, dass das US-Gericht bei Systemausfall eine Reaktionszeit von mehreren Stunden oder sogar von einem halben Tag für vertragskonform hält. Ganz anders stellt sich die Situation in Deutschland dar. Wurde im Vertrag nichts Abweichendes vereinbart, greift § 271 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), wonach mangels abweichender Vereinbarung die Problembearbeitung "sofort" verlangt werden kann.

Welcher Reaktionszeitraum im konkreten Fall angemessen ist, um das Merkmal "sofort" zu erfüllen, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Das kann der Grad der Betriebsbehinderung sein, den der Kunde des Systemhauses durch den Systemausfall erleidet und welche Schäden drohen, sollte der Anbieter nicht zügig reagieren. Deutsche Gerichte tendieren eher zu kundenfreundlicher Auslegung und bemessen die Reaktionszeit kurz. Es ist daher möglich, dass der Systemhaus-Kunde kurze Reaktionszeiten verlangen kann, das Systemhaus diese Reaktionszeiten aber nicht erfüllen kann, weil der Softwarehersteller entsprechende Reaktionszeiten vertraglich nicht leisten muss und dementsprechend nicht schnell genug reagiert.

Ausschlüsse und Begrenzungen in Deutschland nicht möglich

Ein zweiter wesentlicher Unterschied zwischen deutschen und US-bezogenen VAR-Verträgen liegt in der Möglichkeit, in US-Verträgen Gewährleistungs- und Haftungsansprüche umfassend wirksam auszuschließen bzw. auf ein Minimum zu reduzieren. In deutschen Verträgen sind solche umfassenden Ausschlüsse und Begrenzungen gar nicht möglich. Die Konsequenz aus nicht erfolgtem Nachverhandeln für das Systemhaus: Es haftet im Verhältnis zu seinen Kunden umfassender, als der US-Softwareanbieter gegenüber dem Systemhaus.

So sehen VAR-Verträge nach US-Recht z.B. oft eine Gewährleistungsfrist von 90 Tagen vor, während nach deutschem Recht die gesetzliche Gewährleistungsfrist 2 Jahre beträgt. Sofern die Software nicht an Privatpersonen sondern an Unternehmen verkauft wird, kann das Systemhaus die Gewährleistungsfrist in seinen Verkaufsbedingungen zwar auf ein Jahr verkürzen. Aber das sind immer noch 9 Monate mehr, als der Softwarehersteller haftet. Auch bei Ansprüchen, die bei gescheiterter Nachbesserung bestehen, gibt es gravierende Unterschiede zwischen den beiden Rechtssystemen. Während US-Verträge die Rechte des Käufers meist auf die Rückabwicklung des Kaufvertrages beschränken, sind nach deutschem Recht auch Ansprüche auf Kaufpreisminderung und Schadenersatz möglich. Diese Ansprüche können in Standardverträgen nach deutschem Recht nicht wirksam ausgeschlossen werden. Selbst Beschränkungen in der Haftungssumme sind gemäß deutschem Recht in Standardbedingungen nur bei leichter Fahrlässigkeit denkbar und dann auch nur, wenn sie ausreichend bemessen sind, um den typischen und bei Vertragsschluss vorhersehbaren Schaden (inkl. entgangenem Gewinn durch Ausfallzeiten) abzudecken.

Neben den geschilderten Unterschieden zwischen beiden Rechtssystemen gibt es oft auch noch weitere Differenzierungen, die vertraglich harmonisiert werden müssen. Die beiden Lieferkreise: Softwarehersteller an Systemhaus und Systemhaus an Kunde müssen vertraglich stimmig sein. Diese Harmonisierung ergibt sich nicht nur aus der Haftungsvermeidung. Auch bei Unternehmensverkäufen werden solche potenziellen Haftungsrisiken im Rahmen der Due Diligence von den Anwälten der potenziellen Käufer geprüft, und können, je nach Risiko, den Unternehmenskaufpreis empfindlich mindern. Das Systemhaus sollte in jedem Fall vor Abschluss eines VAR-Vertrages nach US-Recht sorgfältig prüfen, welche Änderungen im Vertrag notwendig sind und diese dann mit dem Softwareanbieter verhandeln. (oe)

Der Autor Jürgen Beckers ist Gründungspartner der Kanzlei Rechtsanwälte BDH, Darmstadt. Arbeitsschwerpunkte sind IT-Recht und Lokalisierung von US-Verträgen für deutsche Firmen und deren US-Mütter.

Kontakt:

Rechtsanwälte BDH Beckers, Dick und Kollegen, Robert-Bosch-Str. 9, 64293 Darmstadt, Tel.: 06151 87057-0, Fax 06151 87057-1, Internet: www.rechtsanwaelte-bdh.de