Nach 3Com-Integration

HP Networking legt neu los – Frontalstrategie gegen Cisco

10.08.2010
HPs Netzwerkabteilung hat sich neue Ziele gesetzt. Man wolle nicht mehr zweiter Anbieter hinter Cisco sein, sondern neben Cisco und mehr noch, erster Anbieter statt Cisco, im Netzwerkmarkt agieren.

HPs Netzwerkabteilung "HP Networking" hat sich nach der "vollzogenen Integration 3Coms neue Ziele gesetzt. Man wolle nicht mehr zweiter Anbieter hinter Cisco sein, sondern neben Cisco und mehr noch, erster Anbieter statt Cisco, im Netzwerkmarkt agieren. Dieses ehrgeizige Ziel formulierten vier Vertreter der neuen Managementriege in München.

Diese stellten sich so vor: Mit Ex-Nortel-Manager Martin Böker hat HP Networking Deutschland einen neuen Country Manager. Der seit einem knappen Jahr interimistisch Verantwortliche, Lars Hartmann, wechselt auf den Stuhl des Enterprise Sales Manager; Stefan Morbusch verantwortet den Channel und Thorsten Meudt ist nun Program Manager.

Denn Vieren gemeinsam: Sie gehen davon aus, die neue Netzwerkabteilung, nun eingegliedert in HPs Geschäftseinheit Enterprise Business, könne den Netzwerkmarkt gründlich ändern. Hierzulande und weltweit.

"Wir ändern die Spielregeln", überschreiben die HP-Mannen diese Absicht. Sie sieht so aus: Mit einem kompletten Produktportfolio, abdeckend alle Belange des Netzwerks inklusive Sicherheit, einem neuen Partnerprogramm und einer Frontalstrategie gegen Marktführer Cisco - die auch hausintern verbindlich sei, also sämtliche Vertriebs- und Servicemitarbeiter in Stellung bringen soll - werde HP Networking alles daran setzen, zur Nummer 1 unter den Netwerkanbietern zu werden.

Zugegeben, das könnte dauern - in Deutschland zum Beispiel kann HP Networking zusammen mit der zugekauften 3Com rund knapp 20 Prozent Marktanteile für sich reklamieren -, und Ciscos Erfolg und resolute Marktdominanz mit zwischen 65 und 70 Prozent kommt ja nicht von ungefähr.

Doch für die Strategie von HP Networking ist grundlegend, dass es jetzt darum geht, mittelständische und Enterprise-Kunden davon zu überzeugen, dass sie in nahezu allen Belangen, insbesondere was den so lange nur von Weitem erblickten Core-Bereich angeht, mit dem "Marktführer" - wie HP Cisco gerne nennt - gleichgezogen hat. Das nennt sich "auf Augenhöhe agieren", wobei HP nicht vergisst, diverse Marktuntersuchungen anzuführen, die nahe legen sollen, es erziele im direkten Vergleich eigentlich die besseren Ergebnisse.

Das Partnerprogramm

Nun hat HP bereits als Procurve den indirekten Kanal als wichtigsten Vertriebs- und Lösungsschiene etabliert. Eigenen Angaben zufolge werden 90 bis 95 Prozent der Umsätze indirekt gemacht. Dabei soll es bleiben.

Damit aber der neue Schwung des Netzwerkers auf Partner übergreift - nach Schätzungen von HP rund 700 Partner, die regelmäßig Geschäfte macht; insgesamt rund 2.350 allein in Deutschland -, hat HP Networking ein neues Partnerprogramm ausgetüftelt. Besprochen mit Partner in den zurückliegenden Monaten, immer wieder überarbeitet, so dass die Belange sowohl der Procurve- als auch der 3Com-Partner "gerecht" (Morbusch) gewürdigt und einbezogen werden konnten.

Gold-Partner müssen sich spezialisieren.

Das Resultat: Ein dreistufiges Programm mit den Einteilungen "Select", "Preferred" und "Preferred Gold". Während letztere Partner sich zu Spezialisierungen und dem Hauptgeschäft Core und Enterprise verpflichten, agieren Select-Partner vor allem im kleineren SMB-Umfeld. Unter der Haube "Unified Networking" werden "95 Prozent unserer Partner" Geschäfte machen, so Morbusch,

Die Gold-Partner, die noch und auch unter Cisco-Partnern zu finden sind, sollen aber den Pfad Datencenter, Serverfarmen, eben den Core des Netzwerkes mit den HP-Komponenten bestücken. Dafür müssen sie nach dem Willen HPs zu Spezialisten ausgebildet oder als solche bestätigt werden. Diese Zertifizierung beginnt ab dem 1. September.

Abgeschlossen werde diese zweiteilige Zertifizierungsphase ein Jahr später, und unter den "Unified Networking"-Fittichen soll es dann im Rang aufsteigend "Professionals", "Experts" und "Masters" geben. Des Weiteren plant HP auch ausgewählte Systemhäuser zu Enterprise Networks Specialsts und Network Security Specialists auszubilden. Diese können dann ausgewählte, nur ihnen vorbehaltenen Komponenten verkaufen, sozusagen das Sahnehäubchen und der grobe Keil zugleich, der in Ciscos Core-Bollwerk getrieben werden soll.

Im Übrigen ist klar, dass die Zertifizierungsleiter allen offen steht, aber von allen auch gleich viel verlange, so Morbusch.

Mit den Worten HPs: "Je höher der Status, desto stärker unterstützt HP den Partner durch Trainings und Kostenerstattungen bis hin zur Einflussnahme bei der Produktentwicklung. Die Zuordnung erfolgt über eine Kombination aus qualitativen Kriterien wie Zertifizierungen und Trainings sowie quantitativen Kriterien, beispielsweise Umsatzzielen."

Ziele und Ausblick

Nun ist der Netzwerkmarkt nach dem Einbruch 2009 und seiner eher zögerlichen Erholung in diesem Jahr absehbar keineswegs von jenem Wachstum gekennzeichnet, von dem HP Networking spricht. Insofern ist klar, dass die Initiativen des Netzwerkers auf einen Verdrängungswettbewerb hinauslaufen.

Dazu muss den HP-Mannen zufolge Folgendes passieren: Kunden müssen den Netzwerker neben Cisco - und übrigens auch Netzwerkern wie insbesondere Brocade, D-Link,, Extreme und Enterasys sowie Juniper - als verlässlichen, zukunftssicheren Anbieter wahrnehmen. Das könne HP Networking nun in jedem Fall bieten, versicherten die bereits genanten Manager unisono.

Zum Zweiten müsse HP seine Entwicklungskompetenz in zentralen Netzwerkbelangen offensiv darstellen. Auch das könne man, versicherte beispielsweise Programm Manager Meudt.

Um ein aktuelles Beispiel zu geben: Man habe man einen Vorschlag zum Management virtualisierter Switches in virtuellen Serverumgebungen vorgestellt: Er heißt VEPA (Virtual Ethernet Port Aggregator) und soll, grob gesagt; die Aufgaben virtueller Switches auf physische Switches übertragen, was nicht ganz einfach ist, widerspricht dies doch den Ethernet-Spezifikation. Doch verspreche VEPA ein deutlich vereinfachtes Netz-Management. HP habe diesen Vorschlag der Normierungsinstanz IEEE als Draft vorgeschlagen, und Netzwerker wie Extreme und Brocade neigen dazu, ihn zu übernehmen.

Zudem könne HP Networking seinen Kunden eine Roadmap vorlegen, die klar mache, dass sie das Management kompletter IT-Infrastrukturen künftig von HP beziehen könnten. "Auch das ist ein Argument für uns", so Manager Hartmann.

Schließlich sei HP aufgrund seines gewiss bereiten Produktangebots in Sachen Server, Storage und Software prädestiniert, zur "ersten Quelle für Kunden" zu werden. Das habe HP bis heute bewiesen - warum sollte HP Networking sich nicht daran anschließen können, so das Unternehmen.

Wobei es ausdrücklich nicht vergisst, auf seine Partnerallianz "HP AllianceOne" hinzuweisen, deren Mitglieder eine Reihe von Lösungen beisteuerten, die HP Networking ergänzen und "noch attraktiver" (HP-Manager Böker) machen. Dann mal los. (wl)