IDC analysiert Microsofts Produktstrategie

13.04.2007 von Frank Naujoks
Auf der diesjährigen CeBIT und im Rahmen der eigenen Kundenveranstaltung "Convergence" in San Diego hat Microsoft die ERP-Lösung "Dynamics NAV 5.0" vorgestellt. IDC-Manager Frank Naujoks analysiert die Unternehmenssoftware der Redmonder.
Frank Naujoks, Research Manager Software bei IDC: "CRM-Live-Angebot muss einzigartig bleiben!"
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Auf der diesjährigen CeBIT und im Rahmen der eigenen Kundenveranstaltung "Convergence" in San Diego hat Microsoft die ERP-Lösung "Dynamics NAV 5.0" vorgestellt. IDC-Manager Frank Naujoks analysiert die Unternehmenssoftware der Redmonder.


Die rund 8.500 Teilnehmer der Convergence und die Besucher der CeBIT haben sich einen ersten Eindruck von Dynamics NAV 5.0 verschaffen können. Eine der zentralen Neuerungen in der neuesten Geschäftsanwendung von Microsoft bildet die Unterstützung des neuen XML-Formats von 2007 Microsoft Office System.

Mithilfe von Office XML könne ein Anwender beispielsweise ein beliebiges Formular aus Dynamics NAV nach Microsoft Word oder Excel exportieren. Neu sind auch die Business Analytics genannten Business Intelligence-Funktionalitäten. Diese sind ein speziell für mittelständische Unternehmen entwickeltes Front-End und ermöglichen eine Auswertung der betriebswirtschaftlichen Informationen aus den Business-Lösungen der Microsoft Dynamics-Familie.

Anfang 2008 wird das Release 5.1 von Dynamics NAV erscheinen.
Foto: Ronald Wiltscheck

Durch eine Verzahnung mit dem SQL Server 2005 und durch erweiterte Funktionen bei der Definition von Daten-Cubes, lassen sich beispielsweise schneller fundierte Aussagen über den wirtschaftlichen Stand des Unternehmens treffen.

Eine Ausdehnung der Nutzer im Unternehmen und damit der Lizenzeinnahmen soll der Microsoft Dynamics Client für Office und SharePoint bringen, mit dem Anwender ERP-Daten aus der Office-Umgebung aufrufen können. Den Mittelpunkt des Clients bildet eine Sammlung von Anwendungen, die in Microsoft Office 2007 beziehungsweise Microsoft SharePoint integriert sind und die den Zugriff auf Geschäftsdaten aus dem ERP-System vereinfachen.

In dem in Hannover und in San Diego vorgestellten Paket ist zudem eine Lizenz enthalten, mit der Kunden und Partner Büro-Geschäftslösungen entwickeln können, die Microsoft Office mit Daten und Prozessen aus Microsoft Dynamics-Systemen verzahnen. Diese "OBA" genannten Programme (Office Business Applications) sind Anwendungen, mit denen Microsoft Office zum Front-End für die Verarbeitung von ERP-Daten aus einer Dynamics-Lösung wird.

Zwei Varianten

Das Gesamtpaket wird in zwei Varianten ab Mai 2007 für Dynamics AX verfügbar und Anfang 2008 auch für das dann erscheinende Release 5.1 von Dynamics NAV erhältlich sein. Der Preis für den Office-Client-Zugriff liegt bei 195 Dollar pro Anwender für die Version mit eingeschränkten SharePoint-Services und bei 395 Dollar für die umfangreichere Version mit der SharePoint-Server-Lizenz.

Dadurch will Microsoft die Nutzerbasis ihrer Dynamcs ERP-Produkte von aktuell rund 15 Prozent der Mitarbeiter im Unternehmen steigern und sich eine breitere Einnahmebasis verschaffen. Für die Channel-Partner bietet insbesondere die Möglichkeit, Office Business Applications zu entwickeln, die Chance, zusätzliches Geschäft zu generieren. Für die Anwender bringt der Dynamics Client eine einfacheren Zugriffs auf ERP-Daten, sofern dieser nicht bereits gegeben ist.

Durch die Integration der SharePoint-Technologie hebt sich dieses Angebot deutlich von der Integration von SAP in Office ab, die unter dem Namen "Duet" seit knapp einem Jahr insbesondere von SAP vermarktet wird.

On demand ist im Kommen

Die eigentlich für den Frühsommer angekündigte neue CRM-Version 4.0 wird sich um einige Monate nach hinten verschieben und zuerst als On Demand Version, genannt CRM live, im Herbst und anschließend als On Premise-Version Ende 2007 verfügbar sein.

Ein erster Blick auf die Oberfläche verrät nicht viel Neues, unter der Haube hat sich aber einiges getan. So wird das Produkt in der Lage sein, mehrere Währungen zu verarbeiten und mandantenfähig zu sein, so dass nicht mehr pro Kunde eine eigene Version notwendig ist. Da die Version 4.0 auf der gleichen Meta-Daten-Struktur wie das aktuelle Release aufsetzt, lassen sich die von Partnern erstellten Module und Ergänzungen portieren.

Für die Channel-Partner wird aber hausintern ein neuer Konkurrent erwachsen, da Microsoft in das Geschäft des On Demand-Anbieters selbst einsteigen und mit CRM Live auf Basis des 4.0 Releases ein erstes Produkt anbieten wird. Zusätzlich können Partner bereits in der aktuellen Version eine gehostete Lösung anbieten; ein großer Partner für dieses Geschäft wie die Telecom Italia fehlt in Deutschland allerdings bis dato.

Im Sommer werden weitere Details, insbesondere zur Preisgestaltung für das hauseigene On Demand-Angebot bekannt gegeben. Es ist davon auszugehen, dass sich die Preise denen des Platzhirschen Salesforce.com annähern, der aktuell durchschnittlich knapp 70 Dollar pro Monat und Anwender erlöst.

Microsoft muss es gelingen, diesen Service nicht als Konkurrenz zu möglichen Partnerangeboten zu positionieren, denn die Unruhe im Channel über den Einstieg in den Direktvertrieb wird zunehmen, je näher der Erscheinungstermin rückt. Insbesondere, wenn sich der Software as a Service-Anteil (SaaS) von Microsoft marktkonform entwickelt und den von IDC geschätzten Anteil von 25 Prozent an den CRM-Umsätzen mittelfristig erreicht.

Produkte nicht Zielgruppen spezifisch genug

Microsoft betreibt konsequent den Ausbau des Geschäftskundenbereiches und wird die wichtigsten Produkte Dynamics AX, NAV und CRM bis Ende 2007 erneuert haben. Aktuell fehlt allerdings noch eine klare und konsequent verfolgte Unterscheidung der Produktlinien für mittelständische und große Unternehmen.

Formal bedient Dynamics AX zwar die Großunternehmen, doch in der Praxis unterscheiden sich die durchschnittlichen Nutzerzahlen pro Installation zwischen NAV und AX nur wenig. Zur Abrundung des Portfolios nach unten ist auch der Einstieg in den Bereich bis 50 Mitarbeiter notwendig und sinnvoll, um künftiges Wachstum zu generieren. Eine abgespeckte Version von Dynamics NAV erscheint für dieses Szenario nicht unwahrscheinlich.

Neben den Produkten wird aber eine der großen Herausforderungen sein, den Channel davon zu überzeugen, dass Microsoft sich nicht weiter vom indirekten Vertriebsmodell lösen wird und das CRM-Live-Angebot einzigartig bleibt, damit den Partnern noch ausreichend Spielraum auch bei eigenen möglichen SaaS-Offerten bleibt.