Digital-River-Manager Hechler im Interview

"Kanalkonflikte beim Online-Direktvertrieb lassen sich lösen"

08.06.2012
Der E-Commerce-Dienstleister Digital River ist mit Kunden wie Logitech, Western Digital und Microsoft Experte beim Aufbau von Online-Direktvertriebslösungen für IT-Hersteller. Im Interview erklärt Digital-River-Manager Michael Hechler, der bei dem US-Unternehmen für das globale Geschäft zuständig ist, warum am Online-Direktgeschäft kein Weg vorbei führt und wie sich dabei Kanalkonflikte minimieren lassen.
Michael Hechler ist General Manager Global Consumer Electronics & HiTec bei Digital River

Der E-Commerce-Dienstleister Digital River ist mit Kunden wie Logitech, Western Digital und Microsoft Experte beim Aufbau von Online-Direktvertriebslösungen für IT-Hersteller. Im Interview erklärt Digital-River-Manager Michael Hechler, der bei dem US-Unternehmen für das globale Geschäft zuständig ist, warum am Online-Direktgeschäft kein Weg vorbei führt und wie sich dabei Kanalkonflikte minimieren lassen.

Digital River hat sich auf E-Commerce-Dienstleistungen für Hersteller von Unterhaltungselektronik, Software und Games spezialisiert. Ist in diesen Bereichen der Bedarf nach einer outgesourcten E-Commerce-Lösung besonders hoch?

Hechler: Kunden sind heute besser informiert und vernetzt als je zuvor. Daher sind sie in der Lage, zu diktieren, wann und wo sie ein Produkt kaufen und mit Markenbrands in Kontakt treten wollen. Während sich die Erwartungen der Kunden ständig weiter verändern, versuchen Unternehmen darauf zu reagieren, indem sie auf Online-Strategien umschwenken – das gilt nicht nur für den Hightech-Markt. Es gibt also allgemein ein großes Bedürfnis nach gemanagten E-Commerce-Lösungen, doch ist richtig, dass wir uns auf den Hightech-Bereich spezialisiert haben.

Wie sehr stellt die Furcht vor Kanalkonflikten im CE-Bereich für die Hersteller noch ein Hindernis dar, wenn es darum geht, eigene Online-Strategien zu entwickeln?

Hechler: Uns ist bewusst, dass die CE-Hersteller beim Vertrieb traditionell auf den Channel vertraut haben. Ebenso sehen wir aber auch, dass es im stationären Handel eine fortgesetzte Konsolidierung gibt. Das bedeutet, dass Regalflächen künftig noch umkämpfter werden, als es bereits der Fall ist. Gleichzeitig erwarten immer mehr Kunden, Produkte online kaufen zu können. Diese Marktdynamik macht für die Hersteller den Weg frei, um sich auf Direktvertriebs-Strategien im Netz zu konzentrieren. So können diese die Kunden direkt erreichen und einen größeren Einfluss auf Kaufentscheidungen ausüben.

Natürlich wird dieser Strategiewandel zum Direktvertrieb einige Konflikte in den bestehenden Kanälen auslösen. Doch handelt es sich dabei oft nur um Scheinkonflikte und lassen sich viele andere Probleme leicht lösen. Wir haben dabei umfangreiche Erfahrungen und bieten unseren Kunden im Rahmen einer echten Multichannel-Lösung auch Beratung und Strategien an, um solche Konflikte zu minimieren. Wir sind uns sicher, dass die Vorteile des Online-Direktvertriebs das Risiko von Channel-Konflikten aufwiegen. Unternehmen, die Angst vor Kanalkonflikten haben, können leicht Wege finden, wie sich diese vermeiden lassen. Der entscheidende Punkt ist es, E-Commerce zu einem zentralen Punkt seiner Multichannel-Strategie zu machen und in die Zielsetzung seines Unternehmens miteinzubeziehen. Das gilt sowohl für große Konzerne wie auch für mittelständische Unternehmen. Denn der Konsumentenanspruch online einzukaufen nimmt immer weiter zu – und nicht ab.

"Auch in Europa sind Hersteller als Händler bereits sehr erfolgreich"

Auch Zubehör-Spezialist Logitech zählt zu den Kunden von Digital River

Viele Hersteller-Shops wirken allerdings eher wie Alibi-Lösungen und sind im Hinblick auf Preisgestaltung und Usability kaum wettbewerbsfähig. Wäre es da nicht konsequenter, gleich komplett auf einen eigenen Onlineshop zu verzichten?

Hechler: Studien zeigen, dass eine große Mehrheit der Kunden vor einem Kauf die Webseite des Herstellers besucht, um sich über das gewünschte Produkt zu informieren. Wir sind davon überzeugt, dass man es sich nicht erlauben darf, auf dieses Verkaufspotenzial zu verzichten. Doch liegt es an den Unternehmen, das Ziel ihres Onlineshops zu bestimmen. Einige Unternehmen betrachten den Shop vor allem als ein Marketing-Tool oder wollen auf diese Weise erst einmal ein Gespür für den E-Commerce erhalten. Für solche Unternehmen spielen Aspekte wie das Pricing, Versandkosten oder die Usability folglich eine geringere Rolle in ihrer Online-Strategie.

Für Unternehmen dagegen, die in dem Onlineshop ein Kernelement ihrer Sales-Strategie sehen, sind Preisgestaltung, Werbeangebote, Produktauswahl, Benutzerfreundlichkeit und Ähnliches dagegen sehr wichtig. Die Unternehmen sehen darin ein grundlegendes Element um die Beziehung zu ihren Endkunden auszubauen und so ihre Umsätze zu erweitern.

In beiden Fällen sind wir davon überzeugt, dass Hersteller auf jeden Fall einen Online Store haben sollten. Und vor allem sollten sie die Chancen nutzen, die ihnen ein Onlineshop bietet, und diesen als ein Kernelement ihrer Verkaufsstrategie betrachten.

Ist aus Ihrer Sicht vor allem das Internet dafür verantwortlich, dass sich in den letzten Jahren eine generelle Stärkung des Direktgeschäfts durch Hersteller beobachten lässt?

Hechler: Es gibt eine Reihe von Faktoren, warum sich der Direktvertrieb auf dem Vormarsch befindet. Die Konsumentenerwartungen sind das eine. Kunden wollen Produkte online oder sogar über ein direkt verbundenes Gerät kaufen. Daneben gibt es aber auch einen deutlichen Wandel im Retail-Bereich. Regalflächen werden rarer, was den Druck auf die Hersteller erhöht. Außerdem schreitet die Konsolidierung im Handel voran. Und schließlich nutzen auch immer mehr Kunden den stationären Handel, um Produkte vor Ort auszuprobieren – und kaufen dann doch online. Wir nennen dieses Verhalten „Showrooming“. Die Kombination dieser Faktoren treibt die Nachfrage nach Direktangeboten an. Das Internet beschleunigt das noch zusätzlich.

In den USA zählen Hersteller wie Apple, Sony und HP zu den erfolgreichsten Onlinehändlern. Erwarten Sie, dass Hersteller auch bald in Europa eine ähnlich starke Rolle im E-Commerce spielen werden oder gibt es hier grundlegende Unterschiede zur Situation in den USA?

Hechler: Keineswegs, Unternehmen wie Apple und Sony betreiben auch in Europa das Onlinegeschäft bereits sehr erfolgreich. Allerdings muss man betonen – auch wenn ich nicht explizit für die genannten Hersteller sprechen kann –, dass es für Unternehmen regionenspezifische Unterschiede gibt, wie Sie Marketing- und Sales-bezogen gegenüber den Kunden auftreten sollten.

Wir konnten selbst beobachten, wie Firmen dank passender Lokalisierungsstrategien in Deutschland, Großbritannien und den USA den gleichen Erfolg erzielt haben. Unternehmen müssen beim Marketing die Endkunden auf eine vertraute Art und Weise ansprechen. Also beispielsweise die jeweils bevorzugten Bezahlarten anbieten, das Design einer Webseite an die regionalen Gewohnheiten anpassen, den Kunden einen Service in ihrer Landessprache bieten und so weiter. Der Trick, um in mehreren Regionen erfolgreich zu sein, ist es, immer so aufzutreten wie eine einheimische Firma – auch wenn man sich weit außerhalb seines Heimatmarkts befindet. (mh)