Testartikel Karriere: Mit Schwung auf den Schleudersitz

05.09.2006
Aus Angst vor Arbeitslosigkeit tendieren immer mehr Menschen dazu, den nächst besten Job anzunehmen. Dabei werden viel zu oft faule Kompromisse gemacht, die sich schnell rächen können.

Wenn Menschen ihre Stelle verlieren oder sich davon bedroht sehen, entwickeln sie angesichts der heutigen Arbeitsmarktsituation natürlich viele Ängste: Angst vor den berüchtigten "Lücken im Lebenslauf", Angst, den Einstieg in den Arbeitsmarkt nicht mehr zu schaffen, wenn die Arbeitslosigkeit länger dauert, Angst, dass das Geld ausgeht. Und diese Angst führt bei vielen Menschen zu blindem Aktionismus: Sie tendieren dazu, die nächst beste Stelle zu akzeptieren und anzunehmen. Dabei werden viel zu oft faule Kompromisse gemacht, die sich schnell rächen können.

Die Münchner Wirtschaftspsychologin Madeleine Leitner hat in letzter Zeit vermehrt Fälle betreut, die diese schmerzliche Erfahrung durchlaufen hatten. Aus unterschiedlichen Gründen verloren sie zum zweiten mal kurz nacheinander ihre Stelle und hatten ihr Problem damit sogar noch vergrößert. Häufig räumten die Betroffenen später ein, dass sie eigentlich von Anfang an ein "komisches Gefühl" gehabt, dieses aber übergangen hätten.

Firmen setzen neue Mitarbeiter heute schnell wieder auf die Straße, wenn ihnen etwas nicht passt. Oft geschieht das innerhalb der Probezeit. Daher sollten sich Stellensuchende besser vorher grundlegende Gedanken darüber machen, welche Risikofaktoren bestehen könnten. Überraschend ist, dass es meist nicht mangelnde Fähigkeiten sind, die zum Flop führen. Vielmehr sind nach Untersuchungen Menschen, also die "Chemie" und unpassende Arbeitsbedingungen für 80 Prozent der unfreiwilligen Trennungen verantwortlich.

1.Risikofaktor: Menschen

Nicht jeder Mensch passt zu jedem. Im Job hat man es mit vier Gruppen von Menschen zu tun. Dazu gehören Chefs, Kollegen, evtl. nachgeordnete Mitarbeiter und Kunden. Jede dieser Gruppen kann für den Misserfolg und für das Scheitern im Job verantwortlich sein. "Natürlich sind Probleme mit Chefs sehr verbreitet, viele Chefs wären auch besser keine. Viele meiner Kunden hatten aber aus unterschiedlichsten Gründen massive Probleme mit ihren Kollegen, eine Firmeninhaberin wurde von ihren eigenen Angestellten terrorisiert, ein Professor fand seine Studenten schlichtweg zu dumm und litt extrem darunter", erzählt Madeleine Leitner.

2. Risikofaktor: Arbeitsbedingungen

Es gibt Menschen, die in Großraumbüros eingehen wie die Primeln, andere lieben sie. Es gibt Menschen, die nicht den ganzen Tag im Büro sitzen können und Menschen, die es nicht ertragen, wenn sie den ganzen Tag auf eine Betonmauer schauen müssen. Häufige Faktoren, die sich in der Beratungspraxis von Madeleine Leitner zeigten, waren Abwechslung, geistige Über- oder Unterforderung, unrealistische Ziele oder unflexible Arbeitszeiten.

Menschen in solchen Dingen zu ändern, sei verschwendete Liebesmüh, meint die Wirtschaftspsychologin. Es mache mehr Sinn, den Job dem Menschen anzupassen als umgekehrt. Insofern lohne es sich für Stellensuchende, sich mit den eigenen Vorlieben und Risikofaktoren genau zu beschäftigen und sie im Vorstellungsgespräch auch selbst zu hinterfragen. Im Zweifelsfall gebe man sich und dem potenziellen Arbeitgeber damit die Chance zu erkennen, dass man einfach nicht zusammenpasst. Es sei allemal besser, sich das einzugestehen, als sich nichtsahnend oder freiwillig auf einen Schleudersitz zu begeben, meint die Münchner Karriereberaterin. (mf)