Arbeitsrechtliche Entscheidungen

Kommentierte Rechtsprechung, Teil 1

28.09.2012
Welche Bedeutung arbeitsrechtliche Urteile für die Praxis haben, erläutert Christoph J. Burgmer. Im Detail: Erhöhung der Arbeitszeit, Urlaubsabgeltung und Kündigung sowie Betriebsübergang.
So manche Kündigungsschreiben enthalten falsche Angaben zur Urlaubsabgeltung.

In den folgenden drei kommentierten Urteilen geht es um die Themen Erhöhung der Arbeitszeit, Urlaubsabgeltung und Kündigung sowie Betriebsübergang.

Urteil 1: Wirksamkeit der Befristung einer Arbeitszeiterhöhung
Gericht: BAG, Urteil vom 15.12.2011, 7 AZR 394/10

Leitsätze:
1. Die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen unterliegen nicht der Kontrolle nach § 14 TzBfG sondern der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.
2. Jedenfalls bei der befristeten Erhöhung der Arbeitszeit in einem erheblichen Umfang bedarf es aber für die Annahme einer nicht ungerechtfertigten Benachteiligung des Arbeitnehmers solcher Umstände, die auch bei einem gesonderten Vertrag über die Arbeitszeitaufstockung dessen Befristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen würden.

Bedeutung für die Praxis:
Das BAG hat schon früher entschieden, dass die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen lediglich der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegen, nicht jedoch an § 14 TzBfG gemessen werden können. Die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen bedarf also grundsätzlich keines Sachgrundes.

Etwas anderes gilt nach dem BAG aber dann, wenn die Arbeitszeit in einem erheblichen Umfang erhöht wird. Im vorliegenden Fall wurde die Arbeitszeit befristet für drei Monate von 50 % auf 100 % aufgestockt. Nach dem BAG sei das Interesse des Arbeitnehmers an einer unbefristeten Vereinbarung des Umfangs seiner Arbeitszeit umso schützenswerter, je größer der Umfang der vorübergehenden Arbeitszeitaufstockung sei. Eine erhebliche Arbeitszeitaufstockung lasse sich vom Abschluss eines zusätzlichen befristeten Arbeitsvertrages kaum unterscheiden. Da letzterer unmittelbar der Befristungskontrolle nach dem TzBfG unterliegt, muss bei der erheblichen befristeten Arbeitszeitaufstockung ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG verlangt werden.

Urteil 2: Anfechtung von falschen Angaben zur Urlaubsabgeltung im Kündigungsschreiben
Gericht: LAG Köln, Urteil vom 04.04.2012, 9 Sa 797/11

Leitsätze:

1. Die Erklärung in einem Kündigungsschreiben, es werde eine bestimmte Anzahl von Urlaubstagen abgegolten, stellt ein deklaratorisches Schuldversprechen dar.

2. Ist die Anzahl der Urlaubstage zu hoch angegeben worden, kann die Erklärung grundsätzlich weder angefochten werden, noch ist es dem Arbeitnehmer verwehrt, sich auf das Schuldversprechen zu berufen.

Urlaubsabgeltung

Bedeutung für die Praxis:
Die Erklärung in einem Kündigungsschreiben, dass eine bestimmte Anzahl von Urlaubstagen abgegolten werden soll, stellt nach dem LAG Köln ein deklaratorisches Schuldversprechen dar. Das bedeutet, dass die Anzahl der abzugeltenden Urlaubstage dadurch endgültig festgelegt werden. Sind die Urlaubstage wie im vorliegenden Fall aufgrund einer fehlerhaften Angabe im Personalabrechnungssystem zu hoch angegeben, kann der Arbeitgeber die Erklärung nicht mehr anfechten.

Außerdem kann sich der Arbeitnehmer auf die Erklärung im Kündigungsschreiben berufen. Dies wäre ihm nach dem LAG Köln nur dann verwehrt, wenn die Vertragsdurchführung für den Arbeitgeber schlechthin unzumutbar wäre, bspw. weil er dadurch in erhebliche finanzielle Not geraten würde.

Urteil 3: Inkrafttreten eines Tarifvertrages nach Betriebsübergang - Ansprüche gegen den Erwerber?
Gericht: BAG, Urteil vom 16.05.2012, 4 AZR 320/10

Leitsatz:
Besteht im Zeitpunkt des Betriebsübergangs keine beiderseitige normative Tarifgebundenheit, weil auf Arbeitnehmerseite der Gewerkschaftsbeitritt erst danach erfolgt, gehört der tarifvertragliche Regelungsbestand nicht zu den Rechten und Pflichten aus dem im Zeitpunkt eines Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnis nach § 613a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB.

Bedeutung für die Praxis:
Das BAG hat entschieden, dass Arbeitnehmer dann keine Ansprüche gegen den Erwerber bei einem Betriebsübergang haben, wenn ein Tarifvertrag nicht schon mit Abschluss, sondern erst später in Kraft tritt, und es zwischendurch zu einem Betriebsübergang kommt.Im vorliegenden Fall war zwar der Veräußerer zur Zeit des Betriebsübergangs tarifgebunden, die klagende Arbeitnehmerin trat aber erst nach dem Betriebsübergang in die Gewerkschaft ein. In diesem Fall können nach dem BAG die tariflichen Regelungen nicht zu den Rechten und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis gehören, die gemäß § 613 Abs. 1 BGB auf den Erwerber übergehen.

Haustarifverträge

Selbst eine (dynamische) Bezugnahmeklausel ("Vorschriften der jeweils gültigen Tarifverträge finden Anwendung") führe nicht dazu, dass der Erwerber die tariflichen Ansprüche erfüllen müsse. Haustarifverträge von anderen Unternehmen werden von Bezugnahmeklauseln nicht erfasst
Christoph J. Burgmer ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Medizinrecht und Wirtschaftsmediator.
Internet: www.burgmer.com