Arbeitsrechtliche Entscheidungen

Kommentierte Rechtsprechung, Teil 4

15.10.2012
Welche Bedeutung arbeitsrechtliche Urteile für die Praxis haben, erläutert Christoph J. Burgmer. Im Detail: arbeitsfreie Zwischenzeiten, Entgelt von Leiharbeitnehmer sowie Schwerbehinderter in Elternzeit.
Viele Jobsuchende müssen sich mit einer Stelle als Leiharbeitnehmer zufrieden geben.

In den drei kommentierten Urteilen geht es um die Themen Keine Vergütung von arbeitsfreien Zwischenzeiten, Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches im Betrieb des Entleihers gezahltes Entgelt sowie schwerbehinderter Mensch in Elternzeit.

Urteil 1: Keine Vergütung von arbeitsfreien ZwischenzeitenGericht: LAG Schleswig Holstein, Urteil vom 21.03.2012, 3 Sa 440/11

Leitsatz:

Nach dem allgemeinverbindlichen Rahmentarifvertrag für das Gebäudereinigerhandwerk ist die zwischen dem Ende der Reinigung des einen Objekts und dem Beginn der Reinigung im Folgeobjekt liegende arbeitsfreie Zeit - sogenannte Zwischenzeit - regelmäßig nicht zu vergüten.

Bedeutung für die Praxis:

Die Parteien streiten darüber, ob alle Zeiträume zwischen Arbeitseinsätzen an unterschiedlichen Arbeitsstellen als Arbeitszeit zu vergüten sind und ob der Klägerin für Fahrten von der letzten Arbeitsstelle vormittags nach Hause und von zu Hause zu der ersten Arbeitsstelle nachmittags Zahlungsansprüche zustehen.

Beides verneinte das LAG. Nach der Auslegung des Tarifvertrages ergebe sich, dass die sog. Zwischenzeiten nicht zu vergüten seien. Das LAG hielt diese Regelung auch nicht für rechtswidrig.

Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Zahlung einer Kilometerpauschale für die Fahrten von der letzten Arbeitsstelle vormittags nach Hause und von zu Hause zu der ersten Arbeitsstelle nachmittags. Hierbei handele es sich um private Fahrten. Diese Fahrten erfolgten nicht im Interesse der Beklagten. Sie beinhalteten keine Arbeitsleistung der Klägerin. Für diese Fahrten schuldete der Arbeitgeber nach dem Rahmentarifvertrag Gebäudereinigung keine Kilometerpauschale.

Urteil 2: Ausschlussfrist: Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches im Betrieb des Entleihers gezahltes Entgelt (Equal-Pay) in CGZP-Fällen
Gericht: LAG Sachsen, Urteil vom 17.04.2012, 1 Sa 53/12

Leitsatz:

Eine dreimonatige Ausschlussfrist im Arbeitsvertrag eines Leiharbeitnehmers ist wirksam, wenn sie hinreichend klar formuliert ist, und sich mit der tariflichen Ausschlussfrist deckt.

Leiharbeitnehmer

Bedeutung für die Praxis:

Der Kläger ist Leiharbeitnehmer. Er verdiente mehr als vier Euro brutto weniger die Stunde als vergleichbare Arbeitnehmer im Entleihbetrieb. Sein Arbeitsvertrag verwies auf die Tarifverträge der CGZP. Außerdem enthielt der Vertrag (ebenso wie der Tarifvertrag der CGZP) eine dreimonatige Ausschlussfrist. Der Kläger machte die Equal-Pay-Ansprüche aber erst nach der Frist von drei Monaten geltend.

Das Sächsische LAG wies die Klage daher auch ab. Die Ansprüche des Klägers seien verfallen. Die vertragliche Ausschlussfrist hielt zum einen einer AGB-Kontrolle stand, da sie eindeutig und transparent formuliert war. Außerdem verstoße die Ausschlussfrist nicht gegen den Tarifvertrag, da die vertragliche Ausschlussfrist mit der tariflichen deckungsgleich sei.

Auf die Wirksamkeit des Tarifvertrages der CGZP kam es nicht mehr an. Es ist nämlich noch nicht geklärt, ob ein tarifrechtlich unwirksamer Tarifvertrag gegebenenfalls wirksam arbeitsvertraglich in Bezug genommen werden kann.

Das Sächsische LAG hat die Revision unter dem Aktenzeichen 5 AZR 511/12 zugelassen.

Urteil 3: Schwerbehinderter Mensch in Elternzeit - KündigungserklärungsfristGericht: BAG, Urteil vom 24.11.2011, 2 AZR 429/10

Leitsätze:

1. Bedarf die ordentliche Kündigung eines schwerbehinderten Menschen außer der Zustimmung des Integrationsamts einer Zulässigkeitserklärung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG und hat der Arbeitgeber diese vor dem Ablauf der Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB 9 beantragt, kann die Kündigung noch nach Fristablauf wirksam ausgesprochen werden.

2. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber die Kündigung unverzüglich erklärt, nachdem die Zulässigkeitserklärung nach § 18 BErzGG vorliegt.

Bedeutung für die Praxis:

Der schwerbehinderte Kläger nahm von 2005 bis 2008 Elternzeit. Im Jahre 2006 beantragte der Beklagte Arbeitgeber zeitgleich beim Integrationsamt nach § 88 Abs. 3 SGB 9 und beim Regierungspräsidium nach § 18 Abs. 1 Satz 3 BErzGG die Zustimmung zu einer Kündigung. Am 09.03.2006 erhielt der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamtes, am 23.05.2006 die Zustimmung des Regierungspräsidiums. Noch am 23.05.2006 kündigte er das Arbeitsverhältnis. Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam, da der Arbeitgeber die Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB 9 nicht eingehalten habe.

Das BAG entschied, dass der Arbeitgeber die Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB 9 gewahrt hat. Der Gesetzgeber habe nicht gesehen, dass mehrere behördliche Zustimmungen zur Kündigung erforderlich sein können. Diesem Umstand sei dadurch Rechnung zu tragen, dass innerhalb der Monatsfrist des § 88 Abs. 3 nicht der Ausspruch der Kündigung, sondern der Antrag auf Zustimmung bei der weiteren Behörde zu erfolgen habe.

Frist für Kündigung

Offen blieb in der Entscheidung, welche Frist dann für den Ausspruch der Kündigung gilt. Das BAG nannte zwei Möglichkeiten: § 91 Abs. 5 SGB 9 analog, also "unverzüglich", oder die Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB 9. Zwar sprach nach Ansicht des BAG mehr für die unverzügliche Erklärung der Kündigung. Da der Arbeitgeber in diesem Fall die Kündigung noch am selben Tag erklärte, musste das BAG diese Frage nicht abschließend beantworten.

Arbeitgebern ist zu raten, alle erforderlichen Behördenanträge gleichzeitig zu stellen und nach der letzten Behördenentscheidung unverzüglich die Kündigung auszusprechen. Ansonsten kann sich der Ausspruch der Kündigung um mehrere Monate verzögern. (oe)
Christoph J. Burgmer ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Medizinrecht und Wirtschaftsmediator.
Internet: www.burgmer.com