Verhärtete Fronten auflösen

Konfliktlösung bei Veränderungsprozessen

16.05.2014 von Renate Oettinger
Gibt es im Unternehmen Veränderungen, macht sich oft Widerstand dagegen breit. Doch wenn Mitarbeiter opponieren, ist das nicht automatisch schlecht, sagt Dr. Georg Kraus.
Viele Menschen wollen Change-Prozesse nicht wahrhaben und sperren sich dagegen. Widerstand kann sich regen, weil sich nichts ändert oder weil sich etwas ändert.
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Gibt es im Unternehmen Veränderungen, macht sich oft Widerstand dagegen breit. Doch wenn Mitarbeiter opponieren, ist das nicht automatisch schlecht, sagt Georg Kraus.

Führungskräfte begegnen dem Phänomen Widerstand fast täglich. Da beschließt die Unternehmensspitze zum Beispiel eine neue Strategie und sofort stellen sich – mehr oder minder offen – die entsprechenden Gegenreaktionen der Mitarbeiter ein. Also werden Pläne geschmiedet, wie die Belegschaft als Mitstreiter gewonnen werden kann. Doch leider wird hierbei oft nicht geklärt, woran sich der Widerstand genau entzündet. Dabei wäre dies nötig. Denn wer nicht versteht, weshalb Menschen opponieren, kann diese zwar ruhig stellen, aber nicht gewinnen.

"Gut" versus "schlecht"

Widerstand hat stets einen Auslöser – nämlich eine fehlende oder (geplante oder) bereits vollzogene Veränderung. Widerstand kann sich also regen, weil sich nichts ändert, und weil sich etwas ändert. In beiden Fällen ist er jedoch ein Auflehnen gegen die "Herrschenden". Zudem ist das gedankliche Grundmuster des Widerstands dasselbe: Wir sind die "Guten", die das Bestehende bewahren oder verändern. Und die anderen? Sie sind die "Schlechten" oder "Bösen", die zum Beispiel nur an die Aktionärsinteressen oder eigenen Interessen denken. Oder nicht sehen, was möglich oder nötig ist.

Diese Geisteshaltung ist das Fundament für die aus dem Widerstand geborenen Konflikte. Denn wer ideologisch felsenfest davon überzeugt ist, der "Gute" zu sein, dem fällt es leicht, im Namen des "Guten" entweder selbst unmoralische Dinge zu tun oder der anderen Seite ein entsprechendes Verhalten zu unterstellen. Deshalb werden in der Auseinandersetzung um Veränderungsprojekte so oft solch moralisierende Begriffe wie ungerecht, unfair und unsachlich verwendet. Sie sind Anzeichen dafür, dass in einer Organisation ein (Interessen-)Konflikt tobt.

Phasen des Widerstands

In Veränderungsprozessen kann man vier Phasen unterscheiden, die mit ebenso vielen Grundhaltungen korrespondieren.

Erste Phase: Leugnung
Verdrängung ist ein beliebtes Mittel, sich nicht mit einer (geplanten) Veränderung auseinandersetzen zu müssen. Das heißt: Die Menschen wollen die Veränderung nicht wahrhaben. Sie tun so, als gäbe es diese nicht. Eine neue Arbeitsweise wird beispielsweise eingeführt, doch niemand arbeitet danach – nicht aus aktivem Protest, sondern aufgrund eines unbewussten Nicht-Ernstnehmens der Veränderung.

Zweite Phase: Aggression
In dieser Phase treten die Konflikte zutage. Die Emotionen kochen hoch. Sachargumente werden nicht gehört. Es regieren Enttäuschung und Wut. Ein Sündenbock muss her, an dem man seine Aggression auslassen kann. In dieser Phase sind konstruktive Dialoge selten möglich.

Dritte Phase: Resignation
Die Wut ist verpufft, das Trauern beginnt. Das heißt, die Betroffenen lassen sich allmählich auf die Veränderung ein. Nun gilt es zum Beispiel als Führungskraft, Verständnis zu zeigen. Denn ohne ein Trauern, also Abschiednehmen, gibt es keinen Neuanfang.

Vierte Phase: Akzeptanz und Start
Nun erst ist eine konstruktive Auseinandersetzung mit den Fakten möglich. Leider versuchen die Verantwortlichen bei Changeprojekten oft schon in der Phase der Wut oder Trauer die Betroffenen mit Sachargumenten zu überzeugen und verstehen nicht, warum sie kein Gehör finden.

Nicht jeder Widerstand mündet in einen heißen Konflikt. Schlimmer sind die kalten Konflikte – also passiven Formen des Widerstands. "Dienst nach Vorschrift" ist zum Beispiel eine Form des Widerstands, bei dem man den Mitarbeitern zwar wenig vorwerfen kann, sie aber kein Engagement zeigen. Das Problem dieser Art von Widerstand ist: Er wird häufig nicht erkannt. Denn nach außen ist alles okay. Die Verantwortlichen wundern sich sogar, wie wenig Widerspruch die Veränderung auslöst. Also wiegen sie sich in falscher Sicherheit.

Betroffen oder nur beteiligt?

Unter Changemanagement-Experten kursiert das Bonbon: "Changemanagement ist wie das Projekt ‚Herstellen von Rührei mit Speck‘. Hierfür benötigt man ein Huhn und ein Schwein. Das Huhn ist am Projekt beteiligt, das Schwein ist betroffen."

Viele Veränderungen werden von "Hühnern" getrieben – also Menschen, die in dem Projekt nicht wirklich etwas verlieren. Mit den "Schweinen", also den echten Verlierern, wird die Auseinandersetzung über die Verluste jedoch kaum geführt. Sie werden weder klar benannt, noch kommen sie auf den Tisch. Also werden die (Interessen-)Konflikte auch nicht gelöst.

Bei den Betroffenen gilt es drei Kategorien zu unterscheiden.

Echte Verlierer:
Menschen, die große Nachteile haben werden, und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen.

Privileg-Verlierer:
Die meist viel größere Gruppe. Hierbei handelt es sich um Personen, die gewisse Privilegien haben, und Gefahr laufen, diese zu verlieren. Diese Gruppe argumentiert selten mit den wahren Gründen, warum sie gegen die Veränderung ist. Stattdessen eröffnet sie Nebenkriegsschauplätze.

Schein-Verlierer:
Bei ihnen überwiegen die aus Unsicherheit resultierenden Ängste vor der Veränderung. Ihr Widerstand resultiert eher aus der Gefahr, die aktuelle Komfort-Zone verlassen zu müssen. Das Bestehende kennt man, das Neue nicht. Schein-Verlierer übertreiben gerne die Risiken, um den Status quo nicht verlassen zu müssen.

Egal, wie man es dreht, aus einer Denkfalle müssen Change-Verantwortliche entkommen: der Falle, den Widerstand rein als Problem zu sehen. Denn Widerstand ist eine Voraussetzung für Veränderung. Statt ihn zu bekämpfen, sollten sie ihn umarmen.

Weitere Informationen: Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der international agierenden Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (www.kraus-und-partner.de), für die über 100 Berater, Trainer und Projektmanager arbeiten.

European Change Management Forum 2014

Am 6. Juni veranstaltet Dr. Kraus & Partner in Berlin das dritte European Change Forum mit dem Titel "Make change happen - learn to deal with resistance!". Bei dem eintägigen Kongress referieren und debattieren Wissenschaftler und Firmenvertreter darüber, wie Changeprozesse in Unternehmen effektiv gestaltet werden können und wie der nötige "Change-Spirit" erzeugt werden kann. Nähere Infos: www.europeanchangeforum.org

Die zehn häufigsten Fehler der Chefs -
1. Keine offene Kommunikation
Es wird zu wenig miteinander geredet. Führungskräfte schieben als Grund oft das Tagesgeschäft und mangelnde Zeit vor. In der Realität ist jedoch oft Unbehagen oder der Mangel an Know-how bezüglich angemessener Gesprächsführung der wahre Grund.
2. Druck wird an Mitarbeiter weitergeleitet
Der aufgrund der anspruchsvollen Wettbewerbsbedingungen entstehende Druck schlägt ungefiltert auf die Mitarbeiter durch. Anstatt miteinander an Lösungen zu arbeiten, wird gegeneinander gearbeitet. Das fordert von allen Beteiligten sehr viel Kraft. Angemessen ist es, ressourcenschonend mit den Herausforderungen umgehen zu lernen.
3. Zu wenig Interesse am Menschen
Führungskräfte haben meist sehr wirksame Erfolgsstrategien, die in der Zusammenarbeit mit Menschen oft nicht funktionieren. Sie sind häufig der Auffassung, alles alleine schaffen zu können. Spannungen und nichtkonstruktives Miteinander sind vorprogrammiert. Hieraus können permanente Überlastungsgefühle sowie Unzufriedenheit auf beiden Seiten resultieren, die zu Gesundheitsproblemen und möglicherweise zu innerer Kündigung führen können. Daraus resultierende wirtschaftliche Probleme sind nicht zu unterschätzen.
4. Nicht offen für Ideen und Optimierungsvorschläge
Wenn Mitarbeiter regelmäßig auf taube Ohren stoßen, machen sie irgendwann zu und bringen sich nicht mehr ein. Resignation und innere Kündigung ist die Folge.
5. Zu wenig Anerkennung
Regelmäßiges Lob fehlt. Vor allem Leistungsträger sehen keinen Sinn für ihre Anstrengungen, wenn ihre Leistung nicht wertgeschätzt wird.
6. Meinung wird nicht gehört
Viele Mitarbeiter sind der Auffassung, ihre Meinungen hätten kein Gewicht. Häufig ist mangelnde Wertschätzung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter der Grund.
7. Kein konstruktives Feedback
Jeder Beschäftigte will einen guten Job machen. Hierfür jedoch benötigt er den Vorgesetzten zur Standortbestimmung. Die dafür auch erforderliche konstruktive Kritik scheut der Vorgesetzte aber zumeist.
8. Zu wenig Zeit für Mitarbeiter
Da Führungskräfte zu sehr mit ihren eigenen Themen und Arbeitsaufgaben beschäftigt sind, bekommen Mitarbeiter viel zu wenig Rückmeldung zu ihrer eigenen Arbeit.
9. Persönliche Entwicklung wird nicht gefördert
Wenn sich niemand für den Menschen interessiert und dem Mitarbeiter keine persönlichen Entwicklungsziele in Aussicht gestellt werden, wird der Mensch unzufrieden. Die Folge: Er sucht nach einem passenden Job in einem anderen Unternehmen oder resigniert. Gezielte Förderung vermindert Abwanderungstendenzen erheblich.
10. Die Aufgabe passt nicht zur Person
Menschen erzielen dann Höchstleistungen, wenn sie das machen können, was ihnen Freude macht. Das Unternehmen muss ein Umfeld aktiv bereit stellen, damit sich die Mitarbeiter entfalten und wohl fühlen können. Auch müssen die Erwartungen an den Mitarbeiter jeder Zeit klar sein.