Dirk Schiller, Cloud-Spezialist bei Computacenter

"Kunden hören "Cloud" nicht mehr gern"

02.12.2011
Wie funktioniert das Geschäft mit der Cloud in der Praxis? Was müssen Dienstleister beachten, um erfolgreich zu sein? Dirk Schiller, Leader Cloud Solutions bei der Computacenter AG, hat viele Projekte umgesetzt und kennt die Knackpunkte.
Dirk Schiller, Cloud-Solutions-Chef bei Computacenter, Spricht lieber von service-orientierter Infrastruktur als von Cloud.
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Schon die Wortwahl ist beim Verkauf von Cloud-Projekten entscheidend. Welche Knackpunkte Vertiebspartner und Dienstleister darüber hinaus noch beachten sollten, erläutert Dirk Schiller, Leader Cloud Solutions bei der Computacenter AG, der bereits viele Projekte umgesetzt hat.

Was sind Ihrer Erfahrung nach die kritischen Punkte bei der Bereitstellung Cloud-basierter Angebote?

Dirk Schiller: Die Kunden stellen sehr konkrete Anforderungen an die Cloud. Dazu gehören Kostenreduktion und -transparenz durch verbrauchsabhängige Abrechnungsmodelle sowie mehr Flexibilität und Innovationen durch verkürzte IT-Projektlaufzeiten und Bereitstellungszeiten. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Steigerung der Produktivität und Effizienz durch eine zentralisierte Service-Erbringung sowie hohe Sicherheit und Verfügbarkeit.
Zudem soll den Mitarbeitern eine optimale Arbeitsumgebung geboten werden: durch eine größere Auswahl an Endgeräten und neuen Funktionen. All diese Forderungen unterstützt die flexible Bereitstellung entsprechender Cloud-Services. Wichtig dabei ist, die verschiedenen Formen des Cloud Computings - Public, Private oder Hybrid Cloud - differenziert zu betrachten.

Auf welche Probleme sind Sie bei diesem Wandel gestoßen und wie haben Sie diese Probleme gelöst?

Schiller: Cloud Computing erfordert eine grundlegende kulturelle Veränderung der IT-Organisation. Service-Denken und Kundenorientierung verwischen die Grenzen traditioneller Abteilungen für Netze, Client und Server sowie Storage. Daher müssen Organisationsstrukturen und Prozesse Cloud-fähig gemacht werden.
Zusätzlich gilt es, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Vertrauen in die neue IT-Welt zu schaffen. Entsprechend ist die Einführung von Cloud-Projekten in kleinen, gut geplanten Etappen zu beschreiten und die Beteiligten sollten frühzeitig in die Teilprojekte einbezogen werden. Ein erfolgreicher Wechsel erfordert die Akzeptanz der Anwender, denn sie müssen alte Gewohnheiten aufgeben, neue Kompetenzen erwerben und sich in neue Rollen und Aufgaben einfinden.

Wie gehen Sie bei den Projekten konkret vor?

Schiller: Unsere standardisierten Leistungen aus allen Bereichen des Portfolios bieten unseren Kunden verschiedene Möglichkeiten, von den Vorteilen einer Cloud-Lösung zu profitieren. Dabei verfolgen wir keine "Alles-oder-nichts-Strategie". Wir behalten die Bedürfnisse unserer Kunden und den Reifegrad ihrer IT-Infrastruktur im Blick und begleiten sie auf ihrem individuellen Weg in die Cloud.

Welche Punkte sollte ein Dienstleister hier beachten?

Schiller: Zunächst einmal ist es wichtig, die richtige Sourcing- oder Bereitstellungsstrategie, das heißt den passenden Mix aus Cloud-Diensten zu definieren. Aus Sicht eines Dienstleisters muss geklärt werden: Welche Services will oder muss ich selbst in meinem Rechenzentrum bereitstellen? Welche Public Clouds können genutzt werden und welche Leistungen kaufe ich z.B. von einem Partner aus einer virtuellen Private Cloud ein? Auf den Weg hin zum richtigen Cloud-Mix sind für alle Bereiche entsprechende Konzepte aufzusetzen. Denn auch wenn die Nutzung von Cloud-Services am Ende einfach ist, müssen im Vorfeld viele Fragen beantwortet werden, zum Beispiel rund um Themen wie Sicherheit, Integration in die vorhandene IT-Umgebung oder Standardisierung von IT und Prozessen.

Angenommen, ein Unternehmen möchte eine Private Cloud im eigenen Rechenzentrum einführen. Wie sehen dann die konkrete Schritte aus?

Schiller: Zur Vorbereitung müssen zunächst die zu "cloudifizierenden" Bereiche technologisch, prozessual und organisatorisch erfasst und definiert werden. Anschließend erfolgt die Untersuchung des aktuellen Reifegrades hinsichtlich Cloud Computing. Nach der Definition des angestrebten Zielzustands folgt schließlich der eigentliche Wechsel in die Cloud. Bei diesem schrittweisen Vorgehen ist es wichtig, auf jeder Stufe die Machbarkeit des Projekts zu überprüfen und dessen Vorteile zu kommunizieren.

Ein Tipp, wie sich diese Vorteile überzeugend darstellen lassen?

Schiller: So genannte Leuchtturmprojekte in speziellen Teilbereichen des Unternehmens helfen, die prinzipielle Durchführbarkeit zu belegen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Nutzen der neuen Technologie vor Augen zu führen.

Welche Rolle spielt die Distribution in diesen Cloud-Modellen?

Schiller: Bei der Infrastruktur für Public Clouds spielen die großen amerikanischen Anbieter eine dominante Rolle. Doch da derzeit die wenigsten Unternehmen komplett in die Public Cloud gehen, besteht für Channel-Partner und Reseller ein großes Marktpotenzial im Hinblick auf Beratung, Anpassung und Integration von Public-Cloud-Lösungen. Bei Private und Hybrid Clouds sieht die Lage noch besser aus. Denn diese müssen individuell geplant, vorbereitet und integriert werden. Dazu sind Kenntnisse über den Kunden und die lokale Marktlandschaft notwendig, die internationale Großhändler nicht bieten können.

Welche Kundenklientel ist an Cloud Computing-Angebote besonders interessiert und in welchen Bereichen?

Schiller: Bei Cloud Computing kann von einem bloßen Trend schon längst nicht mehr die Rede sein. Auf der anderen Seite wird der Begriff "Cloud" von vielen Kunden inzwischen nicht mehr gerne gehört. Daher sprechen wir in diesem Zusammenhang auch von flexiblen dynamischen oder service-orientierten Infrastrukturen.

Verwandelt sich das Interesse der Kunden an diesen "service-orientierten Infrastrukturen" in überschaubarer Zeit auch in Projekte?

Schiller: Der Grad der Umsetzung ist noch sehr unterschiedlich, dennoch steht das Thema laut Umfragen von Marktforschern bei Unternehmen jeder Größe und aller Branchen auf der Agenda. Wichtig dabei ist, zwischen den verschiedenen Cloud-Modellen zu unterscheiden. Beispielsweise bieten Public Clouds, bei denen ein Service über das Internet für die Öffentlichkeit angeboten wird, auf den ersten Blick die höchste Skalierbarkeit und das größte Einsparpotenzial.
Für geschäftskritische Anwendungen ist diese Form jedoch wenig geeignet, da hier die Datensicherheit nicht im gleichen Umfang gewährleistet ist wie bei Private Clouds beziehungsweise der notwendige Schutz extrem aufwändig wäre und auch kundenspezifische Anforderungen nicht erfüllt werden.
In Deutschland stößt gegenwärtig die Nutzung einer Private Cloud im eignen Rechenzentrum oder einer virtuellen Private Cloud eines Dienstleister auf die größte Akzeptanz. Langfristig ist davon auszugehen, dass sich hybride Modelle durchsetzen werden.

Weshalb gerade die hybriden Modelle?

Schiller: Hier können ganz nach individuellen Anforderungen Public-Cloud-Angebote in eine bestehende System- und Anwendungslandschaft integriert werden. Den jeweils passenden Mix aus verschiedenen Public- und Private-Angeboten bestimmen wir gemeinsam mit unseren Kunden.

Welche Teile der IT-Infrastruktur lagern Ihrer Erfahrung nach Kunden aktuell und eventuell auch künftig auf gar keinen Fall in die Cloud aus?

Schiller: Klar ist: Unternehmen werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine geschäftskritischen Daten in eine echte Public Cloud schieben. Besonders für den öffentlichen Sektor, also Behörden und Verwaltungen, aber auch für Banken und Versicherungen kommt das nicht in Frage. Denn den Vorteilen von Cloudservices wie Flexibilität, Energie- und Kostenersparnis sowie verbesserte Zugriffsmöglichkeiten für mobile Mitarbeiter stehen immer auch Sicherheitsrisiken und ein gewisser Kontrollverlust gegenüber. CRM- und ERP-Anwendungen verarbeiten personenbezogene Kunden- und Mitarbeiterdaten - Datenschutz ist hier von immenser Bedeutung.
Ein geeignetes Datensicherheitskonzept mit bekannten Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Integrität sensibler Bankdaten ist dabei unerlässlich. Dazu gehören unter anderem der Zugangsschutz durch Firewalls, Anti-Virensoftware, Verschlüsselung, Enterprise Rights Management und ein klar definiertes Identity & Access Management.

Was sind Ihre weiteren Pläne im Bereich Cloud Computing?

Schiller: Wir werden gemeinsam mit unseren Partnern das Geschäft auch in Zukunft deutlich ausbauen. Dabei wollen wir unser Serviceportfolio kontinuierlich erweitern und neue Ansätze entlang der Kundenbedürfnisse entwickeln. Bei Computacenter gehen Produkt und Service immer Hand in Hand - nur so können wir Kunden und auch Partnern wirkliche Mehrwerte bieten.
(rb)