LESERBRIEF

24.05.1996
Einkäufer vor allem von großen Unternehmen haben ihre eigene Moral und ihre eigenen Interessen. Beides führt nicht immer zu einem guten Verhältnis zu den Lieferanten und auch nicht immer zum Wohl des Unternehmens, in dem diese Einkäufer beschäftigt sind. Dazu ein Beispiel:Der Einkäufer eines mittelständischen Unternehmens fordert von den Lieferanten A und B jeweils ein Angebot über PCs an. Beide Lieferanten bieten auf Wunsch des Kunden vollkommen identische Produkte des gleichen Markenherstellers an.

Einkäufer vor allem von großen Unternehmen haben ihre eigene Moral und ihre eigenen Interessen. Beides führt nicht immer zu einem guten Verhältnis zu den Lieferanten und auch nicht immer zum Wohl des Unternehmens, in dem diese Einkäufer beschäftigt sind. Dazu ein Beispiel:Der Einkäufer eines mittelständischen Unternehmens fordert von den Lieferanten A und B jeweils ein Angebot über PCs an. Beide Lieferanten bieten auf Wunsch des Kunden vollkommen identische Produkte des gleichen Markenherstellers an.

Lieferant B erhält sehr bald eine Absage aus preislichen Gründen. Auf Nachfrage erklärt ihm der Einkäufer, daß das Angebot von Lieferant A um 20.000 Mark unter seinem Angebot liege. Eine bitterböse Beschwerde von Lieferant B beim Hersteller ergibt, daß Lieferant A zum Preis von 79.000 Mark und Lieferant B zum Preis von 78.000 Mark !!!

angeboten hat, also seine Offerte sogar unter der seines Mitbewerbers lag.

Weitere Recherchen des Herstellers bei den beteiligten Personen ergeben folgenden Sachverhalt:

Lieferant B, ein Systemhaus mit zehn Mitarbeitern und rund 200 Meter von dem Auftraggeber entfernt, erhält von diesem überwiegend Aufträge, die sehr schnell durchgeführt werden müssen wie etwa im Falle eines totalen Systemausfalls, jedoch nur bis zu einer Höhe von maximal 50.000 Mark. Lieferant B, ein großer Systempartner mit mehreren hundert Mitarbeitern und etwa 50 Kilometer vom Auftraggeber entfernt, erhält die Aufträge jenseits der Grenze von 50.000 Mark.

Die Frage stellt sich nun, warum der Einkäufer dem Lieferanten B nicht ganz einfach "reinen Wein eingeschenkt", also den wahren Grund für die Absage mitgeteilt hat. Das hätte dem Lieferanten B Irritationen und Verunsicherungen erspart, viele erregte Telefonate mit dem Hersteller wären unnötig gewesen und die beteiligten Personen hätten sich auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren können.

Doch nicht nur in bezug auf das Verhalten gegenüber ihren Lieferanten müssen sich einige Einkäufer die Frage gefallen lassen, ob sie sich wirklich immer wie Erwachsene benehmen. Es fragt sich nämlich auch, ob ihre Einkaufsentscheidungen immer im Interesse des Unternehmens sind, dem sie angehören.

Mittlerweile dürfte ja wohl jeder die Aussage der Gartner-Studie kennen, daß die reinen Beschaffungskosten von PCs und PC-Netzwerken auf eine Laufzeit von drei Jahren gerechnet nur etwa 25 Prozent der gesamten Kosten ausmachen. Dreiviertel der Gesamtkosten entfallen auf Systemadministration, Schulungen der Mitarbeiter, Kosten durch systembedingte Ausfälle usw. Das bedeutet, daß Einsparungen beim reinen Kauf nahezu uninteressant sind.

Dennoch sind die Einkäufer fast ausschließlich auf den möglichst günstigen Einstandpreis fixiert, denn dadurch können sie sich profilieren. Für Nachkalkulationen und Folgekosten interessieren sich die Einkäufer leider viel zu wenig. Unter den hohen Folgekosten leiden dann die diversen Abteilungen, deren Kostenstellen damit belastet werden. Ganz zu schweigen davon, daß die Fachabteilungen von den Entscheidungen der Einkäufer regelmäßig immer wieder unangenehm überrascht werden.

Zudem schiebt natürlich auch das endlose "Feilschen" der Einkäufer und das Suchen nach dem besten Preis die endgültige Kaufentscheidung immer weiter nach hinten hinaus. Die Investition in neues IT-Equipment soll aber doch dem Unternehmen einen möglichst schnellen wirtschaftlichen Vorteil bringen (sonst könnte man ja alles beim alten belassen). Daher stellt sich die Frage, ob die Einsparungen beim Preispoker nicht durch den Zeitverzug bis zur endgültigen Bestellung und Installation wieder aufgefressen werden.

Werner Stegmüller, Vertriebspartnerbetreuer eines IT-Herstellers