Mobilplattform Android: Google, übernehmen Sie!

06.11.2007
Nicht Google, sondern eine gewaltige Allianz aus namhaften Geräte-, Software- und Chipherstellern sowie internationalen Netzbetreibern wappnet sich gegen Apple, Nokia und Co. Die offene Plattform Android soll endlich alles richtig machen, was alle bisherigen Ansätze versäumten. Das erste Beta-SDK für die prägende Plattform will die "Open Handset Alliance" bereits in der kommenden Woche zum Download anbieten.

Es gibt Ankündigungen wie die des iPhones: ein langjähriges Verwirrspiel um ein Geheimnis, das eigentlich keines war - nur wie es ausging wusste im Januar keiner. Am heutigen Tag wurde ein Geheimnis gelüftet, das seine Väter deutlich besser zu hüten wussten - heute schmiedet sich eine Allianz aus Branchenriesen, Markt- und Innovationsführern zusammen, um - angelehnt an Steve Jobs Wortschatz - "the next big thing" anzukündigen. Außer dem Internet-Riesen Google findet man die Namen internationaler Netzbetreiber auf der Liste der Allianzmitglieder: T-Mobile, Sprint, NTT DoCoMo, China Mobile und Telefonica. Chiphersteller wie Broadcom, Qualcomm, TI und NVidia und die Mobilfunkproduzenten LG, Samsung und Motorola, allen voran aber HTC sorgen für eine breit gestreute Wissensbasis im Hardware-Bereich, als Software-Hersteller konnte man u.a. eBay, Esmertec, Nuance und natürlich Google gewinnen, als Vermarktungs-, Kunden- und Projektspezialisten Aplix und Wind River. Die komplette Liste aller Mitglieder findet man hier.

Die so entstandene "Open Handset Alliance" wird ein Projekt betreiben, das in der Entwicklerplattform "Android" mündet.

Android ist eine Offensive gegen geschlossene Plattformen wie Microsofts Windows Mobile, Nokias S60 oder Apples aufs iPhone angepasstes Mac OSX. Android verfolgt das selbe Ziel wie sein größter Fürsprecher Google: es will offen sein. "Offen" ist ein Attribut, das man vielfältig interpretieren kann. Androids Komponenten werden so transparent sein, dass man schließlich nicht mehr zwischen fest verdrahteten Applikationen wie der Telefonfunktion und beispielsweise einem Chat-Programm unterscheiden kann.

Darüber hinaus sind die Schnittstellen aller Applikationen für Entwickler offen: so können Programme ihre Daten leicht miteinander austauschen, die VoIP-Software kennt die Kontaktliste, der Internet-Browser die Fotogalerie. Für Programmierer schafft Android damit eine äußerst mächtige Basis - sie werden nahezu ohne Einschränkungen, wie sie beispielsweise ein mobiles .NET- oder Java-Framework auferlegen, Software für Geräte programmieren können.

Android besteht aus einem noch nicht näher bezeichneten Betriebssystem (in Frage kommen Windows Mobile/CE und ein mobiles Linux-Derivat), Middleware (Datenbanken und Service-Software), einer nutzerfreundlichen Benutzeroberfläche und einer Sammlung von Applikationen. Als Lizenz soll eine der "fortschrittlichsten und entwicklerfreundlichsten" OpenSource-Lizenzen zum Einsatz kommen, die es gibt - in Frage kommen neben vielen anderen GPL, Apache oder Mozillas MPL, die alle einen freien Blick in die Quellen erlauben.

Das erklärte Ziel der Open Handset Alliance: bessere Telefone bauen zu können als es heute möglich ist - denn mit weltweit 3 Milliarden verkauften Handys ist das Mobiltelefon das am weitesten verbreitetste und am besten verfügbare Kommunikations- und Unterhaltungsgerät überhaupt. Doch eines stellte die Allianz heute unmissverständlich klar: es gibt kein gPhone und auch noch keinen konkreten Plan für ein gPhone. Es gibt aber einen prophezeiten Erscheinungstermin (zweite Jahreshälfte 2008) und einen Hersteller, der es federführend bauen wird: HTC.

Monetäre Absichten verfolgt die Allianz noch nicht öffentlich. Frei nach dem reduzierten Google-Motto "Tue nichts böses" spricht der offizielle Pressetext mit keinem Wort von Vermarktung, Preisen, Chancen oder Profiten. Ganz im Gegenteil: die Entwickler der gekonnt eingestreuten Werbevideos auf der Android-Homepage sprechen von deutlich sinkenden Kosten für Hersteller, Netzbetreiber und Kunden. Schöne neue Welt: die Software kostet nichts, die Plattform ist so offen, dass kaum ein Entwickler darauf kommerzielle Programme publizieren wird und jeder Programmierer vom 14-jährigen Garagenhacker bis zum Senior Architect hat die gleichen Chancen, die Killerapplikation zu "erfinden".

Doch kommt einem das nicht bekannt vor? Die unzähligen Anläufe, ein mobiles Linux-System zur Marktreife zu prügeln, sprachen permanent von Offenheit, breiter Akzeptanz und herausragenden Möglichkeiten für Entwickler. Von LiPS über OpenMoKo zur ALP - scheitern sie nun alle an Android? Das von Google, HTC und T-Mobile behütete Wunderkind hat seinen Konkurrenten - wenn man von solchen angesichts des offenen Quellcodes überhaupt sprechen will - eines voraus: einen Starttermin. Die Ankündigung, das dokumentierte SDK bereits ab dem 12.November offenlegen zu wollen, dürfte bei anderen Entwicklern offener Plattformen die Kinnlade auf die Tischplatte poltern lassen: einen so schnellen Time-To-Market hat noch keiner geschafft, ohne im Vorfeld langwierige Ankündigungen zu starten.

Drei Namen liest man indessen nicht auf der Liste der verbündeten Bessermacher: Nokia, Microsoft und Vodafone. Das legt einerseits die Vermutung nahe, dass sich die Open Handset Alliance gegen Nokias jüngst propagierte offene Service-Plattform Ovi und das geschlossene Gespann aus Symbian und S60 richtet (Noch-UIQ-Besitzer Sony Ericsson glänzt ebenfalls mit Abwesenheit) und zeigt andererseits, dass T-Mobile nach dem iPhone-Clou eine zweite Trumpfkarte auf den Tisch wirft. Andererseits liefert die Paarung aus HTC und Google Zündstoff für Diskussionen: entfernt sich der Taiwaner Platzhirsch für Windows Mobile-Smartphones von seiner betonierten Partnerschaft mit Googles größtem Gegenspieler? Ein Bröckchen Antwort bekommt man am kommenden Montag zum SDK-Launch.

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