Wann der sofortige Rausschmiss erlaubt ist

Neue Urteile zur fristlosen Kündigung

28.01.2009
Eine außerordentliche Kündigung bedarf stets einer besonderen Begründung. Die Haufe-Online-Redaktion hat aktuelle Richtersprüche zusammengestellt.

Schicht im Schacht: Die fristlose Kündigung ist der Super-GAU für jeden Arbeitnehmer und der ultimative Konter des Arbeitgebers, wenn ihm für das Verhalten eines Mitarbeiters wirklich jegliches Verständnis fehlt. Doch die Gerichte sorgen gerade bei der (Un)wirksamkeit fristloser Kündigungen immer wieder für Überraschungen.

Stuhl vor die Tür: Nicht ohne triftigen Grund

Im Unterschied zur ordentlichen Kündigung bedarf die außerordentliche Kündigung, die in der Regel fristlos erfolgt, nach § 626 Abs. 1 BGB immer einer besonderen Begründung. Es muss ein so wichtiger Grund sein, dass dem Kündigenden ein Zuwarten bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles unzumutbar macht.

Doch darüber, was zumutbar ist und was nicht, gehen Ansichten und Geschmäcker oft weit auseinander. Es unterscheidet sich auch von Branche zu Branche: Im Einzelhandel gelten andere Regeln und Sitten, als auf dem Bau oder auf hoher See.

Ultima-ratio

Ein wichtiger Grund berechtigt nur zur Kündigung, wenn die Kündigung erforderlich ist, weil keine milderen Mittel die Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen abwenden können, und eine Interessenabwägung die Kündigung rechtfertigt.

In fast allen Bereichen unstreitig ist die Zulässigkeit der fristlosen Kündigung

- bei Begehung von Straftaten

- und bei schweren arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen.

Hier ein Überblick über wichtige neue Entscheidungen:

Bei Faustschlag fristlose Kündigung

Ein tätlicher Angriff auf den Arbeitgeber rechtfertigt die fristlose Kündigung. Das entschied wenig überraschend das LAG Rheinland-Pfalz. Kein Chef muss sich niederboxen lassen. Daneben stehen dem Arbeitgeber - je nach Durchschlagskraft des gekündigten Mitarbeiters - auch Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche zu.

Abmahnung bei "kleiner" Straftat nicht immer entbehrlich:

Selbst Straftaten rechtfertigen nicht immer sofort eine fristlose Kündigung, manchmal muss erst durch Abmahnung reagiert werden. Grund: Nicht nur das Vergehen des Mitarbeiters ist isoliert zu betrachten, es müssen die gesamten Umstände berücksichtigt werden.

Privates am Arbeitsplatz erledigt - keine fristlose Entlassung:

Die Erledigung privater Angelegenheiten während der Arbeitszeit rechtfertigt nicht ohne weiteres gleich eine fristlose Kündigung, entschied das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz.

Verhaltensbedingte Kündigung: Azubis können sich nicht alles erlauben

Bei Morddrohungen gegen Vorgesetzte oder Kollegen ist Schluss. Ein solches Verhalten rechtfertigt grundsätzlich die fristlose Kündigung eines Auszubildenden.

Kündigung eines Busfahrers - Reicht ein "Pausenbier" aus?

Alkohol am Arbeitsplatz ist auch bei Busfahrern nicht zwangsläufig ein Grund für eine fristlose Kündigung. Vielmehr müsse auch hier in jedem Einzelfall geprüft werden, ob der Betroffene nicht zunächst zur Warnung hätte abgemahnt werden müssen.

Arbeitgeber bestohlen - keine Prozesskostenhilfe für Kündigungsschutzklage

Ein Mitarbeiter, der seinen Arbeitgeber bestohlen hat und dies auch zugibt, hat in den allermeisten Fällen kaum Aussicht auf Prozesskostenhilfe für eine Kündigungsschutzklage.

Verhaltensbedingte fristlose Kündigung eines Betriebsrats

Bei der außerordentlichen Kündigung eines Betriebsrats ist entscheidend, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist zugemutet werden kann. Es kommt nicht darauf an, wann die Amtszeit des Betriebsrats endet.

Private Nutzung eines Diensthandys

Nutzt ein Arbeitnehmer sein Diensthandy wiederholt im großen Umfang für private Telefonate, rechtfertigt das eine fristlose Kündigung.

Hauptfälle der fristlosen Arbeitgeberkündigungen sind:

Straftaten

Wichtigster Anwendungsfall für die außerordentliche Kündigung sind Straftaten, die der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz begeht, zum Beispiel Diebstahl, Sachbeschädigung, Körperverletzung, Beleidigung (BAG, Urteil v. 10.10.2002, 2 AZR 418/01) und sexuelle Nötigung. Wenn es sich nicht lediglich um kleinste Verfehlungen handelt, ist hier in der Regel eine Kündigung ohne Abmahnung möglich. Auch der Antritt einer Strafhaft oder schwere Straftaten im Privatbereich, die mit der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb unvereinbar sind (Drogendelikte des Therapeuten oder Betrug des Bankkassierers), können eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.

Schwere Verletzungen der arbeitsvertraglichen Pflichten

(Wiederholtes) unentschuldigtes Fernbleiben von der Arbeit, Arbeitsverweigerung, eigenmächtiger Urlaubsantritt (BAG, Urteil v. 20.01.1994, 2 AZR 521/93) oder umfangreiches Surfen im Internet zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit (BAG, Urteil v. 07.07.2005, 2 AZR 581/04) sind häufig Gründe für eine außerordentliche Kündigung.

Wegfall der persönlichen Eignung

Auch der Wegfall der persönlichen Eignung kann im Einzelfall zu einer außerordentlichen Kündigung führen, zum Beispiel der Verlust der Fahrerlaubnis bei einem Kraftfahrer oder der Entzug der Approbation beim Arzt, wenn nicht eine ordentliche Kündigung Vorrang hat. Der Kündigende muss die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB einhalten, sonst ist die außerordentliche Kündigung unwirksam.

Übrigens: Sprichwörtlich heißt "jemandem den Stuhl vor die Tür setzen": ihn aus dem Hause weisen, wo er bislang "sitzberechtigt" war. Diese symbolische Handlung wurde früher wirklich vorgenommen, ist heute allerdings nicht mehr üblich. (oe)

Quelle und weitere Informationen: www.haufe.de/arbeitsrecht