Freudenberg IT-Manager Murat Ekinici

"Private Cloud ist sicherer als unternehmenseigene IT"

25.07.2013 von Regina Böckle
Der IT-Dienstleister Freudenberg IT (FIT) ist schon frühzeitig als Berater, Hoster und Cloud-Anbieter ins Cloud-Geschäft eingestiegen. Wie das gelang und welche Folgen der Überwachungsskandal für die Branche haben könnte, erläuterte Murat Ekinci, Executive Vice President Operations bei FIT, im Interview mit ChannelPartner.
Murat Ekinci, Executive Vice President Operations, Freudenberg IT (FIT)
Foto: Freudenberg IT

Die Enthüllungen über das Überwachungsprogramm der US-amerikanischen NSA haben die Diskussion über die Sicherheit von Daten in der Cloud weiter angeheizt. Inwiefern rechnen Sie damit, dass Unternehmen in Deutschland der Nutzung von Cloud-Diensten künftig noch zurückhaltender begegnen?
Murat Ekinci: Mit Sicherheit werden Unternehmen in der nächsten Zeit gezielter nach der Abschottung ihrer Daten vor unbefugten Zugriffen auch durch Behörden oder Geheimdienste fragen. Somit ist bei Cloud-Computing-Projekten noch mehr Aufklärungsarbeit zu leisten, gerade bei mittelständischen Fertigungsbetrieben, die um den Schutz ihrer Daten besorgt sind. Doch Anbieter wie die FIT können mit ihrer Cloud und ihren Rechenzentren in der Regel ein weitaus höheres Sicherheitsniveau vertraglich garantieren, als es viele Unternehmen selbst gewährleisten könnten. Und bei Bedarf speichern wir die Daten ausschließlich in Deutschland, um sie vor dem Zugriff international tätiger Organisationen zu schützen. Wir informieren unsere Kunden auch jederzeit, wo ihre Daten liegen und wer in welchen Umfang darauf Zugriff hat.

Was sagen Sie potenziellen, aber nun verunsicherten Kunden, die angesichts von PRISM & Co. auch vor einer Private-Cloud-Lösung zurückschrecken, die eine strikte logische Trennung der Kundendaten gewährleistet und hierzulande gehostet wird?

Murat Ekinci: Private Clouds entsprechen den derzeit höchsten Sicherheitsstandards. Selbst Lösungen im eigenen Rechenzentrum lassen sich kaum so sicher gestalten. In jedem Fall ist aber die Einbindung kompetenter und erfahrener Berater zu empfehlen, die dem Kunden auf Augenhöhe begegnen und gemeinsam mit ihm eine für seine individuellen Anforderungen optimale Sicherheitslösung entwickeln.

PRISM und die Cloud
Wir haben deutsche Service Provider gefragt, inwiefern sie damit rechnen, dass Unternehmen in Deutschland der Nutzung von Cloud-Diensten künftig noch zurückhaltender begegnen.
Dr. Clemens Plieth, Geschäftsführer und Director Service-Delivery bei Pironet NDH:
„Die aktuellen Enthüllungen könnten sicherlich einen Vertrauensverlust der Anwender nach sich ziehen. Dennoch denken wir, dass die Anwender differenzieren: Werden die Daten über gesicherte Anbindungen eines auf B2B-Kunden spezialisierten Providers übertragen, ist dies bei Weitem sicherer als beispielsweise eine Datenübermittlung über das öffentliche Netz an andere Firmenstandorte oder Kunden.“
Thomas Wittbecker, geschäftsführender Gesellschafter der ADACOR Hosting GmbH:
„Wenn ein amerikanisches Unternehmen verpflichtet ist, Daten an die NSA zu liefern, ist es unerheblich, ob eine klassische oder Cloud-Infrastruktur genutzt wird. Da anscheinend der gesamte Internet-Traffic an den Knotenpunkten mitgeschnitten wird, ist es sogar egal, ob man die Infrastruktur selber im eigenen Rechenzentrum betreibt oder sie ausgelagert hat. Unverschlüsselte Kommunikation wird abgefangen. “
Petra-Maria Grohs, Vice President Sales & Marketing bei ProfitBricks GmbH:
„Wir erwarten, dass Unternehmen aus Deutschland künftig noch genauer darauf schauen, ob Cloud Provider mit Ihren Angeboten nachweisbar die deutschen Datenschutzgesetze einhalten. Das ist immer garantiert der Fall, wenn das physikalische Hosting in einem deutschen, zertifizierten Rechenzentrum stattfindet und der Betreiber eine deutsche Firma ist. Initiativen wie Internet made in Germany oder Cloud Services made in Germany weisen in die richtige Richtung.“
Murat Ekinci, Executive Vice President Operations, Freudenberg IT:
„Mit Sicherheit werden Unternehmen in der nächsten Zeit gezielter danach fragen, wie sie ihre Daten vor unbefugten Zugriffen auch durch Behörden oder Geheimdienste abschotten können. Somit ist bei Cloud Computing-Projekten noch mehr Aufklärungsarbeit zu leisten, gerade bei mittelständischen Fertigungsbetrieben, die um den Schutz ihrer Daten besorgt sind.“
Joachim Opper, Leiter Cloud-Services, Concat AG:
„Kunden und Interessenten hören so aufmerksam zu, wie noch nie, weil der Bedarf an sicheren Cloud-Lösungen da ist. Mit seinem starken Datenschutzgesetz hat Deutschland jetzt die Chance, für sichere Cloud-Lösungen eine Rolle einzunehmen, wie die Schweiz sie einst für Banken hatte.“
Donald Badoux, Managing Director Savvis Germany:
„Erfahrene IT-Manager in den Unternehmen haben schon immer die richtigen Fragen gestellt. Sie haben die jetzige Diskussion nicht gebraucht, um für Compliance- und Security-Themen sensibilisiert zu werden.“

Neben der Datensicherheit sind auch das Datenmanagement, die Datenintegrität und letztlich auch die Frage, wie ein Anwender seine Daten aus der Cloud umziehen oder gar zurückholen kann. Das ist ein großes Thema, weil oft noch Standards fehlen. Wie lösen Sie das Problem?

Murat Ekinci: Standardisierungen setzen sich im Bereich Cloud Computing zunehmend durch, denn sie sind auch wichtig für Synergie-Effekte, Flexibilität und Skalierbarkeit: beginnend bei Anforderungsdokumenten, über Checklisten und individuelle Einstellungen der Services bis hin zur Bereitstellung der Informationen. Mit weitgehend standardisierten Prozessen lässt sich schon heute in 30 Minuten eine Cloud in Rechenzentren aufsetzen. Trotzdem sollten auch weiterhin spezifische Lösungen möglich sein, um individuelle Anforderungen zu erfüllen.

Um Dienste aus der Cloud nutzen zu können, muss das Rechenzentrum des Kunden auch entsprechend "cloud-fähig" sein. Inwiefern ist die Infrastruktur bei mittelständischen Kunden Ihrer Erfahrung nach dafür bereits gerüstet?

Murat Ekinci:Die IT-Infrastruktur mittelständischer Unternehmen ist recht unterschiedlich, meist aber heterogen und im Laufe der Zeit entstanden. Dies erschwert die Umstellung auf Cloud-Prozesse, die gerade auf Standardisierung und Automatisierung basieren. So ist in der Regel erst die Infrastruktur zu vereinheitlichen, bevor Cloud-Services nutzbar sind.

Die Cloud-Lösung der Freudenberg IT

Die FIT hat ihre Hosting-Plattform vor kurzem in eine global verfügbare Private Cloud umgewandelt. Sie stellt jeden beliebigen IT-Dienst als reinen Service bereit, der bei Bedarf sofort abrufbar ist und ebenso schnell wieder eingestellt werden kann. Berechnet wird nur, was der Kunde tatsächlich nutzt. "Wir bringen mittelständische Fertigungsunternehmen in die Cloud - ausgerichtet an ihren individuellen Ansprüchen und Anforderungen", erklärt Horst Reichardt, CEO der Freudenberg IT.

Wie hoch ist die Bereitschaft der Kunden, gerade der mittelständischen, in die Modernisierung ihrer Infrastruktur zu investieren?

Murat Ekinci: Viele mittelständische Unternehmen zögern hier, nicht nur aus den bereits genannten Sicherheitsbedenken, sondern auch aufgrund der Investitionskosten. Sie spüren einen gewaltigen Preisdruck im Wettbewerb mit großen, oft globalisierten Unternehmen und müssen sich jede Ausgabe gut überlegen. Dennoch steigt die Bereitschaft, in die Modernisierung der Infrastruktur zu investieren, da die Vorteile wie einfacheres Management, effizientere Arbeitsprozesse oder zeitsparende Automatisierung überwiegen.

Sie sind bereits vor sechs Jahren in das Cloud-Geschäft eingestiegen und haben parallel dazu Ihr bisheriges Systemhausgeschäft weiter fortgeführt. Wie haben Sie diese Balance gehalten?

Murat Ekinci: Wir sehen diese Bereiche nicht als Gegensatz, sondern als Ergänzung. Denn viele Systemhäuser haben ihr Portfolio mit Cloud-Services erweitert, um ihren Kunden eine noch größere Auswahl an IT-Diensten zu bieten, vor allem Services mit höherer Flexibilität und zu geringeren Kosten. Wir bei der FIT sehen die Cloud als weitere Möglichkeit, mit unseren Kunden vertrauensvoll, lösungs- und umsetzungsorientiert zusammenzuarbeiten.

Wo sehen Sie mit Blick auf das Lizenz- und Channel-Modell bei den Herstellern noch besonders großen Verbesserungsbedarf, um Cloud-Angebote für Anwenderunternehmen und Vertriebspartner tatsächlich attraktiv zu machen?

Murat Ekinci: Vor allem der Mittelstand legt sehr viel Wert auf eine einfache, intuitive Handhabung und Bedienung von Lösungen. So müssen Cloud-Services einfach im Frontend, dürfen aber komplex im Backend sein, um viele Funktionen und Anpassungsoptionen zu bieten. Vor allem bei der einfachen Anforderung und Nutzung von Cloud-Diensten sehen wir noch Verbesserungsbedarf, auch wenn Hersteller hier schon weit vorangekommen sind.

SaaS-Bezugsquellen in Deutschland (Angaben in Millionen Euro)
2015 werden rund acht Prozent der Umsätze mit Software as a Service (SaaS) - das entspricht einem Transaktioinsvolumen von 280 Millionen Euro - über Marktplätze generiert. Rund 10 Prozent gehen auf das Konto des Channel-Vertriebs. 2016 allerdings kehrt sich dieses Verhältnis allerdings um: Der Anteil des indirekten Vertriebs liegt dann bei rund 8 Prozent, der Anteil der Marktplätze bei über 11 Prozent. Der Anteil des Direktvertriebs über den Hersteller sinkt von rund 85 Prozent im Jahr 2013 auf rund 80 Prozent im Jahr 2016. (Quelle: Experton Group 2013)
Nutzen der Cloud aus Anwendersicht
Das Gros der befragten Mittelstandsunternehmen halten Cloud Computing für nützlich. (Quelle: TechConsult IT-Cloud Index Mittelstand 07/2013)
Warum sich Unternehmen nicht auf Cloud vorbereitet fühlen
Fehlendes Bewusstsein seitens der Geschäftsführung und der Fachabteilungen für die Chancen von Cloud Computing und mangelndes Know-how sind nach Ansicht der befragten Mittelstandskunden das größte Hindernis für die Einführung von Cloud-Lösungen. (Quelle: Techconsult IT-Cloud Index Mittelstand 07/2013)
Diese Beratungsleistung wünschen sich Anwender von ihren Dienstleistern
Hilfe bei der Einführung und Integration sowie Aufklärung zu den Risiken stehen auf der Wunschliste ganz oben. (Quelle: Techconsult IT-Cloud Index Mittelstand 07/2013)

Inwiefern geraten Sie mit Ihren Hosting-Angeboten auch in Konkurrenz zu den Public-Cloud-Anbietern wie beispielsweise Amazon AWS, Google oder Windows Azure?

Murat Ekinci:Wir sehen hier keine Konkurrenz, da wir im Gegensatz zu den global tätigen Anbietern auf die Bedürfnisse der mittelständischen Fertigung spezialisiert sind und für unsere Kunden weit mehr Dienste bieten als nur die Cloud. So kombinieren wir unsere gesamte Erfahrung in Bezug auf Virtualisierung von IT-Umgebungen mit unseren professionellen Bereitstellungs- und Betriebsprozessen. Das Ergebnis ist eine optimale und flexible Hosting-Plattform für IT-Systeme.

Gibt es Kundenszenarien, in denen Sie auch mit Public-Cloud-Anbietern kooperieren, um das bestehende Angebot zu erweitern oder weil Kunden es ausdrücklich wünschen?

Murat Ekinci:Nein, bislang hatte noch keiner unserer Kunden diese Anforderung. Unser Angebot deckt bisher alle Kundenanfragen ab. Die Public Cloud bietet für mittelständische Fertigungsbetriebe auch kaum Mehrwert, da sie ihre Daten hochgesichert halten müssen. Nur bei einem direkten Kontakt mit Endkunden, etwa beim Online-Shopping, wäre dies denkbar. Dann würden wir auch Public Cloud Services ermöglichen.

Inwiefern planen Sie weitere, ähnliche Kooperationen wie die jüngst mit Bechtle geschlossene Allianz?

Murat Ekinci:Wir sind immer offen für Kooperationen, die für beide Seiten von Vorteil sind. Wir suchen ständig Partner, die wie wir von der Leidenschaft für bestmögliche Servicequalität erfüllt sind. Dazu gehört nicht nur profundes Technologie-Know-how, sondern auch absolute Zuverlässigkeit und hohe Kundenorientierung. Sobald es hier weitere Entwicklungen gibt, werden wir Sie natürlich zeitnah informieren.

Ein Blick in die Zukunft: Analysten von Experton zufolge erobert Cloud Computing die Unternehmens-IT. Das führe aber auch zu einer veränderten Wettbewerbslandschaft, in der die großen Player wie Amazon AWS, Microsoft Azure und Google Cloud Platform ihre Skalenvorteile ausspielen. Wird das Cloud-Business hierzulande in fünf Jahren beherrscht von wenigen großen Anbietern wie Amazon? Welche Chancen haben die Cloud-Angebote mittelständischer Systemhäuser und Kooperationen?

Murat Ekinci:Diese Entwicklung würden wir eher bei Public Cloud-Angeboten für Privatkunden erwarten, eventuell noch bei Services für große Unternehmen. Die mittelständische Fertigungsindustrie in Deutschland dürfte auf absehbare Zeit aber nicht aufgrund von Skaleneffekten auf die großen Player wechseln. Sie möchten in der Regel individuelle, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Lösungen sowie persönliche, kompetente Ansprechpartner, die ihnen auf Augenhöhe begegnen. Dies ermöglichen nur mittelständische, auf die Branche spezialisierte Systemhäuser. Zudem nutzen auch wir in unseren Rechenzentren Synergien, um günstige Lizenzen anzubieten, und gewährleisten eine hohe, flexible Skalierbarkeit, die sämtliche Bedürfnisse mittelständischer Unternehmen mehr als erfüllt. So sind wir auch für die Zukunft gut aufgestellt.