Rechtsprechungsübersicht

Private Internetnutzung am Arbeitsplatz

02.11.2015 von Renate Oettinger
Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind sich oft nicht darüber im Klaren, was bei der privaten Nutzung dienstlicher Telefon- und Internetanschlüsse erlaubt ist und was nicht. Klaus-Dieter Franzen stellt die Rechtslage vor.

Ohne Computer läuft auch am Arbeitsplatz fast gar nichts mehr. Es wird gesurft, gemailt und es werden Daten heruntergeladen, häufig auch zu privaten Zwecken. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind sich dabei oft nicht darüber im Klaren, was sie dürfen. Darf etwa der Arbeitnehmer den PC mit Internetanschluss jederzeit zu privaten Zwecken nutzen? Wenn die Nutzung zulässig ist, darf der Arbeitgeber diese uneingeschränkt kontrollieren? Und kann das Arbeitsverhältnis sofort gekündigt werden, wenn die private Nutzung widerrechtlich erfolgt?

Die Nutzung des betrieblichen Telefon- oder Internetanschlusses ist Arbeitnehmern grundsätzlich nur dann gestattet, wenn der Arbeitgeber dies ausdrücklich erlaubt hat.
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Es existieren keine gesetzlichen Regelungen, die eine Antwort auf diese Fragen geben könnten. Aus diesem Grunde bleibt es der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte überlassen, Leitlinien und Maßstäbe zu entwickeln. Der Artikel gibt eine erste Übersicht.

Erlaubnis oder Duldung durch Arbeitnehmer

Die private Nutzung des Internets ist den Arbeitnehmern nur erlaubt, wenn der Arbeitgeber diese ausdrücklich gestattet hat oder duldet (BAG, NZA 2006, 98).

Die Erlaubnis kann z.B. durch eine Regelung im Arbeitsvertrag oder in einer mit dem Betriebsrat geschlossenen Betriebsvereinbarung erteilt werden. In vielen Betrieben existieren jedoch keine Vereinbarungen über die private Nutzung des Internets. Lässt der Arbeitgeber diese gleichwohl zu, kann darin eine Erlaubniserteilung durch schlüssiges Handeln gesehen werden.

Allerdings ist dann die private Nutzung nur im "angemessenen zeitlichen Umfang" erlaubt (BAG, NZA 2006, 98). Was darunter zu verstehen ist, ist nicht verbindlich festgelegt.

Das Arbeitsgericht Wesel hat im Jahre 2001 entschieden, dass 80 - 100 Stunden surfen binnen eines Jahres noch gebilligt werden können (NJW 2001, 2490). Umgerechnet steht das Arbeitsgericht Wesel damit dem Arbeitnehmer immerhin ca. 25 Minuten am Tag private Nutzung zu. Der 12. Senat des Landesarbeitsgerichts Hamm sah eine Nutzung von 20 Minuten am Tag noch nicht als ausschweifend an (LAG Hamm, Urteil vom 28. Mai 2014, Az.: 12 Sa 404/15).

Angaben sind nicht verbindlich

Allerdings können diese Angaben nicht als verbindlich angesehen werden. Andere Arbeitsgerichte könnten diese Frage durchaus restriktiver werten, wie z.B. eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm, das eine ausschweifende Nutzung schon dann annahm, wenn der PC jeden 4. Arbeitstag für ca. 1 Stunde zu privaten Zwecken genutzt wurde (LAG Hamm, Urteil vom 11. Juni 2012, Az.: 17 Sa 71/12).

Das Bundesarbeitsgericht sah jedenfalls die Internetnutzung von knapp 1 ½ bis 2 ¼ Stunden an jeweils einem Arbeitstag als ausschweifend an (BAG, NZA 2006, 98) und stellte unmissverständlich klar, dass die exzessive Nutzung des Internets während der Arbeitszeit eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Haupt- und Nebenpflichten des Arbeitnehmers darstellt (BAG, NZA 2006, 98).

Auch in dem ausschweifenden Kopieren von Bild- und Musik-Dateien und der Bearbeitung von DVDs (6.400 E-Book-, Bild-, Audio- und Videodateien, 1.100 DVDs) kann selbst bei gestatteter Privatnutzung ein unzulässiges Nutzungsverhalten gesehen werden (BAG, Urteil vom 16. Juli 2015, Az.: 2 AZR 85/15).

Ist also die private Nutzung ausdrücklich oder konkludent erlaubt und bleibt diese in einem angemessenen Rahmen, kann dem Arbeitnehmer nichts passieren.

Untersagung der Privatnutzung

Anders sieht es allerdings aus, wenn der Arbeitgeber jegliche Privatnutzung ausdrücklich untersagt oder diese zum Beispiel hinsichtlich des Umfangs oder der zeitlichen Lage eingeschränkt hat. Der Arbeitnehmer muss sich dann strikt an die Vorgaben des Arbeitgebers halten.

Ist die private Nutzung eingeschränkt möglich, kommt es auf das Ausmaß der Pflichtverletzung an. Je mehr Grenzen in zeitlicher, inhaltlicher und örtlicher Hinsicht vom Arbeitnehmer bei der Nutzung des Internets überschritten werden, desto schwerwiegender ist die Pflichtverletzung.

Als Pflichtverletzungen angesehen hat das Bundesarbeitsgericht etwa das unbefugte Herunterladen erheblichen Datenmengen aus dem Internet, die unbefugte private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internetanschlusses als solche, soweit dem Arbeitgeber dadurch zusätzliche Kosten entstehen und die unbefugte private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internets während der Arbeitszeit (BAG, NZA 2007, 922; BAG, NZA 2007, 922).

Weniger schwerwiegende Pflichtverletzungen

Der Arbeitgeber kann im Fall von weniger schwerwiegenden Pflichtverletzungen eine Abmahnung aussprechen. Bei geringem Nutzungsumfang soll immer eine Abmahnung erforderlich sein (BAG, NZA 2007, 922; LAG Rheinland-Pfalz vom 14. Dezember 2007, Az.: 9 Sa 234/07; LAG Nürnberg, LAGReport 2005, 176). Der Arbeitgeber muss in dieser Abmahnung den Arbeitsvertragsverstoß so konkret wie möglich darstellen und deshalb Angaben dazu machen, wann und zu welchen Zeiten der Verstoß erfolgte. Nur die pauschale Behauptung der unerlaubten Privatnutzung reicht keinesfalls aus. Eine solche Abmahnung wäre mangels Bestimmtheit bereits formell unwirksam.

Ist die Abmahnung wirksam und wiederholt der Arbeitnehmer diese oder eine ähnliche Pflichtverletzung, kann das Arbeitsverhältnis von dem Arbeitgeber durch fristgerechte verhaltensbedingte Kündigung beendet werden (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Januar 2014, Az.: 1 Sa 451/13).

Bei schweren schuldhaften Verstößen eines Arbeitnehmers, der sich in einer besonderen Vertrauensposition befindet ist regelmäßig eine Abmahnung entbehrlich (LAG Rheinland-Pfalz, NZA-RR 2005, 634). Verwirklicht die Internetnutzung sogar einen Straftatbestand, liegt nach Auffassung des Bundesarbeitsgericht regelmäßig eine schwerwiegende Pflichtverletzung vor (BAG, NZA 2006, 98).

Rufschädigung

Ansonsten halten einige Instanzgerichte eine Abmahnung zum Beispiel auch dann für entbehrlich, wenn pornografisches Material auf den Arbeitsplatzrechner heruntergeladen wurde (LAG München, Urteil vom 14. April 2005, 4 Sa 1203/04 und LAG Rheinland-Pfalz, NZA-RR 2005, 634, soweit strafrechtliche Vorschriften verletzt werden; LAG Hannover, Beschluss vom 26. April 2002, Az.: 3 Sa 726/01; ArbG Düsseldorf, NZA 2001, 1386; ArbG Braunschweig, NZA-RR 1999, 192; ArbG Frankfurt am Main, RDV 2003, 190).

Auch kann die Gefahr einer Rufschädigung des Arbeitgebers dadurch entstehen, dass der Arbeitnehmer umfangreich pornografische Inhalte herunterlädt, weil der Download zurückverfolgt werden kann. Dadurch könnte der Eindruck erweckt werden, der Arbeitgeber befasse sich mit Pornografie und nicht um seine Dienstaufgaben (BAG, NZA 2006, 977, für den öffentlichen Arbeitgeber).

In diesen Fällen führt eine unterbliebene oder verzögerte Kontrolle des Arbeitgebers regelmäßig nicht zum Abmahnungserfordernis (LAG Hessen, Urteil vom 10. Dezember 2012, Az.: 17 Sa 1037/12).

Auch das Aufrufen gewaltverherrlichender und volksverhetzender Seiten, der Download urheberrechtlich geschützter Musik-, Bild- und Videodateien, der unbefugte Download erheblicher Datenmengen (BAG, Urteil vom 16. Juli 2015, Az.: 2 AZR 85/15; LAG Schleswig-Holstein, NZA-RR 2014, 417), der Download einer Hackersoftware (OLG Celle, NZA-RR 2010, 299; LAG Hamm, Urteil vom 04. Februar 2004, Az.: 9 Sa 502/03) oder einer Anonymisierungssoftware (BAG, NZA 2006, 980) und die Verbreitung ehrverletzender, wahrheitswidriger oder beleidigender Behauptungen über den Arbeitgeber in E-Mails oder im Internet (LAG Hamm, Urteil vom 10. Oktober 2012, Az.: 3 Sa 644/12; LAG Schleswig-Holstein, NZA 1999, 938; ArbG Wiesbaden, NZA-RR 2001, 629) können zu einer schnellen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen.

Aber aufgepasst:

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei in jedem Einzelfall anhand aller relevanten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zu prüfen, ob nicht das mildere Mittel der Abmahnung besser geeignet ist, um die Pflichtverletzung zu ahnden (BAG, NZA 2013, 27; ähnlich schon LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. November 2013, Az.: 5 Sa 320/13; LAG Köln, MMR 2013, 478 und Urteil vom 20. März 2009, Az.: 10 Sa 1283/08; LAG Hamm, MMR 2012, 264).

Dies führt zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit, da mangels klarer und objektiver Kriterien unklar ist, wann eine Kündigung verhältnismäßig ist und wann nicht mehr. So hat etwa jüngst ein Landesarbeitsgericht entschieden, dass der 600-1200fache Zugriff pro Arbeitstag auf ein Internetspiel eine Abmahnung nicht entbehrlich mache (LAG Hessen, Urteil vom 28. Mai 2014; Az.: 12 Sa 404/15).

Im Zweifel sollte von daher der festgestellte arbeitsvertragliche Verstoß immer zunächst abgemahnt werden.

Die Arbeitgeber sind schließlich gehalten, die Verstöße detailliert zu dokumentieren. In einem gerichtlichen Verfahren wird es m Zweifel erforderlich sein vorzutragen und zu belegen, in welcher Menge Daten aus dem Internet in das betriebliche Betriebssystem eingebracht wurden, ob und ggf. zu welchen Belastungen oder Störungen der betrieblichen Datensysteme es gekommen ist bzw. welche konkrete Störungsgefahr bestanden hat, ob durch die rechtswidrige private Nutzung des Internets zusätzliche Kosten entstanden sind und in welchem konkreten Umfang die Arbeitspflichten vernachlässigt wurde und die geschuldete Arbeit nicht erbracht wurden (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Oktober 2013, Az.: 10 Sa 173/13; LAG Niedersachsen, NZA-RR 2010, 406). Das gilt grundsätzlich ebenso für die ggf. erforderliche Betriebsratsanhörung vor Ausspruch der Kündigung (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. August 2012, Az.: 9 Sa 85/12).

Der Arbeitgeber ist grundsätzlich berechtigt, die Internetnutzung der Arbeitnehmer zu überprüfen. Aber: Bei der Überwachung von E-Mails ist nach dienstlichem und privatem Bereich zu unterscheiden. Dem Arbeitgeber ist es verwehrt, E-Mails aus dem privaten Bereich der Arbeitnehmer inhaltlich zu kontrollieren. Dagegen hat er auf dienstliche E-Mails in gleicher Weise Zugriff wie auf dienstliche Post. Unabhängig davon ist bei Vorliegen entsprechender dringender Verdachtsmomente eine inhaltliche Überprüfung gerechtfertigt (LAG Hamm, Urteil vom 04. Februar 2004, Az.: 9 Sa 502/03).

Was tun, wenn klare Regelungen fehlen?

Im Streitfall treten große Probleme auf, wenn keine oder keine klaren Regelungen über die Internetnutzung bestehen. Diese Situation ist zumindest zum Teil vermeidbar. Sofern noch nicht geschehen, wird den Unternehmen dringend geraten, sich mit dem Thema zu beschäftigen und verbindliche Regelungen über die Zulässigkeit, den Umfang, der zeitlichen Lage und der Kontrolle der Internetnutzung festzulegen bzw. in Betrieben mit kollektivrechtlicher Vertretung mit dem Betriebsrat zu vereinbaren.

Klaus-Dieter Franzen ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Landesregionalleiter "Bremen" des VDAA Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte e. V., c/o Backes Krautwald Steuerberater Rechtsanwälte PartG mbB, Domshof 8-12, 28195 Bremen, Tel.: 0421 79273-30, E-Mail: mailto:franzen@legales.de, Internet: www.legales.de