Bitkom hat's heraus gefunden

Schäden durch Cyber-Kriminelle nehmen zu

19.09.2012 von Ronald Wiltscheck
Branchenverband Bitkom hat Privatanwender zu ihren Erfahrungen mit "cyber crime" befragt. Als wichtigstes Ergebnis der Erhebung ging hervor, dass die durch Internet-Kriminelle verursachten Schäden erneut gestiegen sind. Trotz insgesamt stagnierender Fallzahlen nehmen bestimmte Delikte wie der Diebstahl digitaler Identitäten stark zu, zum Beispiel das Phishing.

Branchenverband Bitkom hat Privatanwender zu ihren Erfahrungen mit "cyber crime" befragt. Als wichtigstes Ergebnis der Erhebung ging hervor, dass die durch Internet-Kriminelle verursachten Schäden erneut gestiegen sind. Trotz insgesamt stagnierender Fallzahlen nehmen bestimmte Delikte wie der Diebstahl digitaler Identitäten stark zu, zum Beispiel das Phishing.

Deutsche werden im Netz oft "überfallen"
Foto: Bitkom

Das zeigt auch das Lagebild "Cybercrime 2011" des Bundeskriminalamtes (BKA). "Der Diebstahl digitaler Identitäten entwickelt sich zu einem Massenphänomen, das immer größere Schäden anrichtet", meint Bitkom-Präsident Dieter Kempf. Bei der Bekämpfung der Computerkriminalität müssten Wirtschaft und Staat ihre Zusammenarbeit verstärken. "Die Intensität der kriminellen Aktivitäten im Bereich "cyber crime" und damit das für jeden Internetnutzer bestehende Gefährdungspotenzial hat weiter zugenommen", sagte BKA-Präsident Jörg Ziercke. "Diese Entwicklung lässt sich an der gestiegenen Professionalität der eingesetzten Schadsoftware ablesen. Auch sich ständig ändernde Vorgehensweisen zeigen, wie flexibel, schnell und professionell die Täterseite auf neue technische Entwicklungen reagiert und ihr Verhalten entsprechend anpasst."

Nach der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) beläuft sich die Zahl der erfassten Fälle von Cyber-Kriminalität" also aller Straftaten, die unter Ausnutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnik oder gegen diese begangen wurden, 2011 auf 59.494 Fälle. Dies entspricht nahezu dem bereits hohen 2010-Jahreswert von 59.839 Fällen. Der Schaden aller Cybercrime-Delikte ist 2011 um 16 Prozent auf insgesamt 71,2 Millionen Euro gestiegen, 2010 waren es "nur" 61,5 Millionen Euro. Dabei entfallen rund 50 Millionen Euro auf Computerbetrug und 21,2 Millionen Euro auf den Betrug mit Zugangsdaten zu Kommunikationsdiensten.

Außerdem hat der Brancheverband in seiner Umfrage heraus gefunden, das aktuell 52 Prozent der privaten Internetnutzer bereits persönliche Erfahrungen mit Internetkriminalität gemacht haben. Das entspricht 28 Millionen Menschen. Bei 36 Prozent oder 20 Millionen Nutzern sind Computer mit Viren oder anderen Schadprogrammen infiziert gewesen. 16 Prozent oder 8,5 Millionen Internetnutzer geben an, dass ihre Zugangsdaten zu verschiedenen Diensten ausspioniert wurden. Das entspricht einem Anstieg von 3 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. Jeder achte (12 Prozent) Internetnutzer ist bereits Opfer eines Betrugs im Zusammenhang mit On-line-Shopping geworden, das entspricht etwa 6,5 Millionen Fällen. Es folgt mit 10 Prozent betroffenen Internetusern der unfreiwillige Versand von Spam-Mails vom eigenen E-Mail-Account.

Mobbing im Netz

Laut Bitkom-Umfrage berichten immer mehr Internetnutzer von negativen Erfahrungen mit anderen Menschen. 14 Prozent der Internetnutzer haben unangenehme Anfragen von Fremden bekommen (2011: zwölf Prozent). Jeder Achte ist im Internet sexuell belästigt worden. das entspricht 6,5 Millionen Fällen, 2011 waren es geringfügig mehr, nämlich13 Prozent der Befragten. Jeweils 4,3 Millionen beziehungsweise acht Prozent sind im Netz beleidigt worden oder es wurden Unwahrheiten über die Befragten verbreitet (2011 fühlten sich sechs Prozent der User beleidt und fünf Prozent klagte über Unwahrheiten. 2,2 Millionen oder vier Prozent sagen, dass sie gemobbt wurden. Von diesen Delikten sind Jugendliche und junge Erwachsene stärker betroffen als der Durchschnitt.

Die Angst vor Cybercrime und die negativen Erfahrungen jedes Einzelnen haben Auswirkungen auf das Verhalten vieler Menschen. Sieben von zehn Internetnutzern schränken bewusst Kommunikation oder Transaktionen im Internet ein. 42 Prozent versenden vertrauliche Informationen oder Dokumente nicht per E-Mail, ein Viertel verzichtet auf Online-Banking und ein Fünftel ganz oder teilweise auf Online-Shopping. Jeder zehnte Nutzer nimmt grundsätzlich keine Transaktionen im Internet vor. "Die Cyberkriminalität bremst die Verbreitung innovativer Online-Dienste in allen Bereichen der Gesellschaft", sagte Kempf.

Nach dem "Lagebild Cybercrime 2011" des BKA bilden erneut die Fälle des Computerbetruges, wie beispielsweise das Phishing von Online-Banking-Daten oder der missbräuchliche Einsatz von Kreditkartendaten, mit einem Anteil von 45 Prozent (26.723 Fälle) die mit Abstand größte Gruppe. Beim Delikt "Ausspähen/Abfangen von Daten" wurden im vergangenen Jahr 15.726 Straftaten erfasst (2010 waren es 15.190), bei der "Fälschung beweiserheblicher Daten, Täuschung im Rechtsverkehr bei Datenverarbeitung" waren es 7.671 Fälle (2010 waren es 6.840). Beim "Betrug mit Zugangsberechtigungen zu Kommunikationsdiensten" wurden 4.730 Delikte gemeldet (2010 waren es 7.993) und bei der "Datenveränderung/Computersabotage" hat das BKA 4.644 Delikte erfasst, 2010 waren es 2.524 Vorfälle.

Eine wachsende Bedrohung für die Nutzer ist der Diebstahl digitaler Identitäten. Bei der digitalen Identität handelt es sich um alle Arten von Nutzer-Accounts, also zum Beispiel um Zugangsdaten zu E-Mail-Postfächern, Onlinebanking- oder eBay-Konten. Die wohl bekannteste Variante des digitalen Identitätsdiebstahls ist das so genannte Phishing im Zusammenhang mit Onlinebanking. Für das Jahr 2011 wurden dem BKA 6.422 Sachverhalte hierzu gemeldet. Im Vergleich zum Jahr 2010 (5.331 Fälle) bedeutet dies einen Anstieg um 20 Prozent. Die durchschnittliche Schadenssumme betrug im Jahr 2011 rund 4.000 Euro pro Fall und insgesamt rund 25,7 Mio. Euro.

Digitale Erpressung

Eine sich zunehmend verbreitende Variante aus dem Bereich der Cybercrime ist die digitale Erpressung mit ihren verschiedenen Ausprägungen. Dabei nutzen die Täter entweder DDoS-Attacken oder die Drohung, mittels Kompromittierung von Systemen gestohlene Daten zu veröffentlichen, um "Lösegeldforderungen" durchzusetzen. Eine weitere, inzwischen weltweit verbreitete Erpressungsmethode ist die Manipulation des Rechners des Opfers mit einer "Ransomware". Diese Schadsoftware sorgt dafür, dass ein Rechner "gesperrt" und dem Opfer gleichzeitig mitgeteilt wird, dass die Zahlung einer Gebühr oder Strafe notwendig ist, um die Sperrung wieder aufzuheben.

Um die Forderung glaubwürdig erscheinen zu lassen, werden von Tätern Logos von Behörden, wie zum Beispiel von BKA oder Bundespolizei sowie von bekannten Institutionen wie der GEMA verwendet. Ziercke: "Die Dimension des Problems ist erheblich. Wir schätzen, dass wir mittlerweile allein in Deutschland von sechsstelligen Opferzahlen ausgehen müssen. Eine Vielzahl der Geschädigten wird aber - aus Scham oder auch der Angst vor einer potenziellen Verfolgung durch die Strafverfolgungsbehörden - die Straftat nicht zur Anzeige bringen. Das Dunkelfeld allein bei diesem Modus Operandi ist gewaltig."

Im Jahr 2011 hat sich gezeigt, dass mobile Endgeräte wie Smartphones ein zunehmend lukratives Ziel für die Täter darstellen. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die Versuche, Smartphones mit Schadsoftware zu infizieren, um beispielsweise an die Daten möglicher SMS-basierter Authentifizierungsverfahren zu gelangen. Dabei bestehen Einsatzmöglichkeiten insbesondere im Bereich des Online-bankings sowie des Einsatzes von Kreditkarten im Internet. Zudem werden Smartphones zunehmend für Botnetze attraktiv, da sie in der Regel dauerhaft online sind und somit ständig zur Verfügung stehen.

Unternehmen sind von Cybercrime ebenso betroffen wie Privatanwender. "Deutsche Mittelständler gehören in vielen Branchen zu den innovativsten Unternehmen weltweit. Das weckt Begehrlichkeiten", sagte Kempf. 40 Prozent aller Unternehmen in Deutschland verzeichneten Angriffe auf ihre IT-Systeme, viele davon mehrmals. Ein Drittel hat bereits Erfahrungen mit dem Verlust von Daten gemacht. Das hat eine BITKOM-Umfrage unter 800 IT-Verantwortlichen ergeben. Umso bedenklicher ist es, dass viele Unternehmen unzureichend auf solche Fälle vorbereitet sind. Fast die Hälfte (45 Prozent) der Firmen hat keinen Notfallplan für Datenverluste oder andere IT-Sicherheitsvorfälle.

Diese Ergebnisse bestätigt eine Umfrage unter Erwerbstätigen: Auch hier sagen 38 Prozent, dass es bei ihrem Arbeitgeber bereits Fälle von Computerkriminalität gegeben hat. Das Ergebnis sind Ausfälle der IT-Systeme, Beschwerden von Kunden oder Partnern sowie negative Medienberichte. 40 Prozent der Erwerbstätigen geben an, dass ihr Arbeitgeber keinerlei Vorgaben für den Umgang mit Computer und Smartphones macht oder ihnen diese nicht bekannt sind. 39 Prozent der Unternehmen sehen Angriffe von Hackern, Konkurrenten, Kriminellen oder ausländischen Geheimdiensten nicht als reale Gefahr.

Laut BKA ist das Anzeigeverhalten bei Cyber-Angriffen auf Unternehmen nach wie vor gering. Unternehmen fürchten sich vor Rufschädigung oder vertrauen nicht der Kompetenz der Sicherheitsbehörden. Um das unbefriedigende Anzeigeverhalten von Wirtschaftsunternehmen zu verbessern, haben die Polizeibehörden der Länder und das BKA "Handlungsempfehlungen für die Wirtschaft in Fällen von Cybercrime" erarbeitet. Diese Leitlinien sollen betroffenen Unternehmen konkrete Hinweise zum Verhalten bei Cyber-Angriffen geben und zudem Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Anzeige solcher strafrechtlich relevanten Vorfälle nehmen. (rw)