Amazon Kindle eReader

Scharfes und günstiges E-Book (ausführlicher Test)

03.11.2011
Nur 99 Euro kostet der neue Kindle von Amazon. Macht das günstige Lesegerät E-Books endlich salonfähig?
Handliches E-Book zu einem günstigen Preis: der "Kindle eReader WiFi 6 Zoll" von Amazon
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Der "Kindle eReader WiFi 6 Zoll" von Amazon ist durch die Veröffentlichung des "Kindle Fire 7 Zoll" in den USA in den Schatten geraten. Dabei lassen sich beide Geräte nicht unbedingt miteinander vergleichen: Der eReader ist nicht mehr und nicht weniger als ein E-Book-Reader – und zwar ein guter.

Der erste Eindruck nach dem Auspacken aus der umweltfreundlichen Pappschachtel: Das Gerät ist klein, leicht und flach und etwas größer als ein Reclamheft. Als erstes sollte man den Kindle über das mitgelieferte USB-Kabel an PC oder Notebook aufladen – ein externes Netzteil gibt es nicht. Danach bindet man den Kindle ins WLAN-Netzwerk ein.

Eine Verbindung ins Internet ist mit dem Kindle nur via WLAN möglich, entweder über einen Hot-Spot oder über eigene WiFi-Netzwerke. Startet man den Kindle zum ersten Mal, gelangt man zunächst zu einer Schritt-für-Schritt-Anleitung, in der man den Kindle einrichtet.

Die Bedienung ist kinderleicht. Man benötigt keine lange Einarbeitungszeit. Die Menüstrukturen sind eindeutig bezeichnet und selbsterklärend. Die Tasten zum Vor- und Zurück-Blättern an der rechten und linken Seite sind gut zu bedienen. Die Taste zum Vorwärts-Blättern ist größer als die Zurück-Blättern-Taste zur besseren Unterscheidung.

Die Verarbeitung der Tasten ist hochwertig, der Tastendruck funktioniert einwandfrei. Die Bedienung der Tastatur mit dem 5-Wege-Steuerkreuz ist allerdings mühsam. Die Suche, etwa im Kindle-Shop, ist daher umständlich. Wer dort stöbern möchte, sollte dafür lieber an den Rechner gehen. Das Herunterladen von E-Books auf den Kindle dauert je nach Verbindungsqualität des WLAN zwischen wenigen Sekunden und wenigen Minuten.

Auf dem Kindle können bis zu 1.400 Bücher gespeichert werden. Die Anordnung der Bücher, Zeitungen und Zeitschriften erfolgt in chronologischer Reihenfolge. Sicherlich macht es Sinn, dass neu geladene Inhalte auch am Anfang stehen. Wer aber den Überblick über seine digitale Bibliothek haben möchte, der benötigt entweder ein fotografisches Gedächtnis oder verwaltet seine Bücher synchron auf dem Rechner mit Ordnerstruktur. Eine eigene Ordnerstruktur direkt auf dem Kindle lässt sich nicht einrichten. Zu den Titeln gelangt man nur über die Suchfunktion oder durch Blättern.

Das E-Book-Angebot wächst

Amazon möchte mit dem Kindle eReader nun endgültig das Zeitalter der elektronischen Bücher auch in Europa einläuten. Das amerikanische Unternehmen wirbt mit einem Angebot von über 800.000 Büchern, allerdings in Deutsch und Englisch. Ein Blick auf den Kindle-Shop zeigt aber, dass der deutsche Online-Buchhändler sein deutschsprachiges Angebot derzeit mit Hochdruck erweitert. Allein in den vergangenen 30 Tagen ist das Angebot deutschsprachiger E-Books um über 50.000 und in den vergangegen drei Monaten um über 125.000 Stück angewachsen. Von der Spiegel-Bestseller-Liste für Belletristik finden sich derzeit 23 von 25 Titeln für den Kindle.

Der Blick auf die kostenlosen E-Books lohnt sich besonders. Dort finden sich Klassiker der Literaturgeschichte, von Goethe bis Schiller, oder von Charles Dickens bis Oscar Wilde. In dem Gratis-Angebot finden sich derzeit knapp 6.000 E-Books auf Deutsch und über 10.000 englischsprachige E-Books. Um in die Welt der Literatur einzutauchen, dürfte das fürs erste ausreichen.

Über den Kindle Store kann man auch Zeitungen und Zeitschriften entweder als Einzelexemplar kaufen oder auch ein Abonnement abschließen. Wer sich für das Abonnement entscheidet, erhält fortan beim ersten Hochfahren des Kindle die aktuelle Ausgabe direkt auf das Gerät geliefert. Derzeit ist das verfügbare Angebot noch nicht besonders umfangreich. Deutschsprachige Zeitungsangebote gibt es nur von "Frankfurter Allgemeine", "Handelsblatt", "Die Zeit", "Neue Zürcher Zeitung" und "Die Welt" sowie der Zeitschrift "Wirtschaftswoche".

Der Vorteil des Zeitungslesen auf dem Kindle: Statt beim Umblättern etwa den U-Bahn-Nachbarn zu stören, hat man im Kindle alles im kleinen Format parat, und das Umblättern artet nicht zur täglichen Yoga-Übung aus, sondern erfolgt einfach per Tastendruck. Innerhalb der Texte kann man auch direkt zum Inhaltsverzeichnis der Zeitung oder Zeitschrift springen und sich so schnell einen Überblick verschaffen und auch schnell zu den wichtigsten Themen gelangen.

Bildschirm

Angenehmes Lesen: Im Kindle eReader ist ein E-Ink-Display verbaut.
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Im Kindle eReader ist ein E-Ink-Display verbaut. Solche Displays arbeiten wie Papier: Sie reflektieren das Umgebungslicht und haben keine Eigenstrahlung. Das macht das Lesen auf dem Kindle viel angenehmer und effektiver, als das Lesen etwa auf einem Tablet.

Der zweite Vorteil der E-Ink-Technik ist der Stromverbrauch. Das Display verbraucht nur Strom beim Laden der entsprechenden Seite. Für die weitere Darstellung des Textes verbrauchen E-Paper-Displays keine weitere Energie. Daher hält der Akku nach Herstellerangaben bis zu einem Monat. Zum Vergleich: Das Tablet mit der längsten Akku-Laufzeit ist derzeit das iPad 2 mit bis zu zehn Stunden. Der dritte Vorteil ist die gute Lesbarkeit bei direkter Sonneneinstrahlung und auch aus jedem Blickwinkel.

Die Texte werden auf dem Kindle mit einer Auflösung von 170 dpi dargestellt. Die Texte auf unserem Testgerät wirken gestochen scharf und bieten einen guten Kontrast. Im Vergleich zu gedruckten Medien ist kein Unterschied festzustellen. Die Schrift kann man an seine Bedürfnisse anpassen. So stehen acht verschiedenen Größen und drei verschiedenen Schriftarten ("Normal", "Schmal" und "Sans Serif") zur Verfügung. Zudem lässt sich der Zeilenabstand und Wörter pro Zeile einstellen. In den Einstellungen für Schriftgröße hat man zudem die Wahl, ob man seine Text im Hoch- oder Querformat darstellen möchte.

Nach einem mehrstündigen Lesetest fiel auf, dass der Hintergrund dunkler wirkte als zu Anfang. Kundenrezessionen auf Amazon.de berichten sogar von durchschimmernder Schrift vorhergehender Seiten. Das Problem liegt hierbei nicht an einem schlecht verarbeiteten oder unausgereiften E-Paper-Display, sondern ist auf die Software, sozusagen das Betriebssystem des Kindle, zurückzuführen. Damit ein schnelles und nahtloses Umblättern der Seiten möglich ist, wird das Display nicht bei jedem Seitenwechsel aktualisiert. Die Folge ist, dass Teile der alten Schrift nicht vollständig von der Bildfläche verschwinden. Dieses Problem hat Amazon bereits mit dem Kindle Software-Update4.0.1 gelöst.

Dateiformate

Die Texte des Kindle-Formats AZW, aber auch txt-Dateien lassen sich beim Lesen über "Menü/Schriftgröße" in der Größe, Schriftart und Ausrichtung an Ihre Bedürfnisse anpassen. Auch PDF-Dateien können auf dem Amazon-Gerät dargestellt werden, ohne diese konvertieren zu müssen. Allerdings stehen mit dem PDF-Format die Einstellungen im Menüpunkt "Schriftgröße" nicht zur Verfügung. Stattdessen erscheint der Menüpunkt "Zoom und Kontrast". Dort lässt sich die Darstellung auf "Breite anpassen", "150%", "200%", "300%" und "Original" anpassen. Wenn nun die Größe verändert wird, wird das PDF über zwei Seiten dargestellt. Der Text ist so immer nur zur Hälfte zu sehen, das Hin- und Herspringen macht flüssiges Lesen zu einer Herausforderung.

Auf dem Kindle sollen auch die Formate HTML, DOC, JPEG, GIF, PNG und BMP dargestellt werden können. Diese müssen dafür aber erst konvertiert werden. Dafür stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Über die persönliche Kindle-Mail-Adresse schickt man seine Fotos und Textdokumente via E-Mail auf das Gerät. So werden die Dateien gleich in das richtige Format umgewandelt. Nach dem Versenden, muss man etwas Geduld haben: Je nach Dateigröße und -menge müssen diese zunächst umgewandelt werden. Bis die Dateien auf dem Kindle abrufbar sind, vergehen mehrere Minuten.

Die zweite Möglichkeit Textdateien umzuwandeln, ist über ein eBook-Converter, wie etwa Calibre für den Heimrechner oder Calibre Portable für den USB-Stick.

Fazit

Die neue Generation der E-Ink-Technik im Kindle eReader überzeugt durch einen hervorragenden Kontrast- und Schärfebereich. Die Schrift ist gut lesbar, auch unter direkter Sonneneinstrahlung und egal aus welchem Blickwinkel. Ein Unterschied zu gedruckten Medien ist nicht festzustellen. Andere Display-Technologien liegen in der Kategorie Lesbarkeit um Längen zurück. Auch das Umblättern läuft flüssig und schneller als das Umblättern einer echten Buchseite. Die Handhabung der Grundfunktion ist kinderleicht und benötigt keine größere Einarbeitungszeit.

Die Gestaltung der Übersicht der Textdokumente wird sehr schnell unübersichtlich. Die Möglichkeit, eigene Ordnerstrukturen anzulegen, fehlt. PDF-Dateien werden zwar dargestellt, aber in der angepassten Ansicht wird die Schrift zu klein dargestellt. Bei einer größerer Darstellung ist flüssiges Lesen durch das Hin- und Herschalten zwischen beiden Seitenhälften kaum möglich.

Wer ein kleines handliches E-Book zu einem günstigen Preis (UVP: 99 Euro) möchte, ist mit dem Kindle eReader von Amazon gut bedient. Wer zu seinen Büchern auch Notizen und Anmerkungen einfügen möchte, sollte dagegen auf ein E-Book-Reader mit einer echten Tastatur zurückgreifen. (PC-Welt/tö)

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