Ungewohntes Terrain für Verkäufer

Setzen Sie Testbesucher auf der Messe ein

20.03.2017 von Berhard Kuntz
Selbst für erfahrene B2B-Verkäufer sind Messen ein ungewohntes Terrain. Denn dort müssen sie unter anderem Personen kontaktieren, die sie nicht kennen. Das verunsichert sie. Helfen können hier „Testbesucher“, die den Standmitarbeitern ein Feedback über ihr Verhalten geben.
Sogenannte Mystery-Fair-Visitor können Schwachstellen bei Standmitarbeitern auf Messen aufdecken.
Foto: r.classen - shutterstock.com

"Auf Messen genügt es nicht, unsere Produkte auf den Stand zu stellen und darauf zu warten, ob sich jemand hierfür interessiert", sagt Jan Zirke, Verkaufsleiter bei einem Hersteller von Autozubehör*. "Unsere Standmitarbeiter müssen aktiv den Kontakt zu den Besuchern suchen und ihnen die Vorzüge unserer Produkte aufzeigen. Sonst rechnet sich der Messeauftritt nicht. Schließlich kostet er unser Unternehmen einen sechsstelligen Betrag."

Deshalb schulte der Arbeitgeber von Zirke 2016 vor Beginn der jüngsten Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA), Frankfurt, zwei Tage seine Standmitarbeiter. Trotzdem war das Unternehmen unsicher, inwieweit seine Mitarbeiter das Gelernte im Messealltag umsetzen können. Deshalb entschied es, das Verhalten der Standmitarbeiter auf der IAA von einem "unbeteiligten Dritten" checken zu lassen - "um anhand der Erkenntnisse auch das Trainingskonzept für unser Standpersonal zu überarbeiten", erläutert Zirke.

Verschiedene Kundentypen mimen

Mit dem Durchführen der Checks beauftragte Zirke das Trainings- und Beratungsunternehmen Peter Schreiber & Partner (PS&P), Ilsfeld, das zuvor bereits die Messetrainings durchgeführt. Dieses ermittelt für Unternehmen auch, ob deren Mitarbeiter das gewünschte Verkäuferverhalten zeigen - zum Beispiel auf Messen. Hierfür setzt es sogenannte Mystery-Fair-Visitor ein - also Testkunden, die auf Messen den Stand des betreffenden Unternehmens aufsuchen. "Nach Absprache mit unserem Auftraggeber mimen sie dort bestimmte Kundentypen und beobachten sowie beurteilen das Auftreten und Verhalten des Stand- oder Verkaufspersonals", erläutert Harald Klein, Verkaufstrainer und Vertriebsberater bei Peter Schreiber & Partner (PS&P).

Klein und der Hersteller von Autozubehör vereinbarten, dass während der IAA täglich vier Mystery-Fair-Visitor mehrfach den Stand des Unternehmens besuchen sollten. Dabei sollten jeweils zwei PS&P-Mitarbeiter Einkäufer einer Handelskette oder eines Autoherstellers mimen, die beiden anderen sollten sich als Fachbesucher ohne Kaufautorisation ausgeben. Diese Rollenteilung wurde gewählt, "weil sich die Standbesucher in zwei Gruppen einteilen lassen", erklärt Klein: Zum einen in die "fachlichen Experten". Sie interessieren sich primär für die technische Lösung, können aber alleine keine Kaufentscheidung treffen. Zum anderen die Geschäftsführer und Einkäufer von Unternehmen oder ähnliche Entscheider. "Sie interessieren sich vorwiegend für den Nutzen der Produkte und deren Preis-Leistungs-Verhältnis." Zu welcher Gruppe ein Standbesucher zählt, das müssen die Standmitarbeiter ermitteln. Hierfür ist laut Zirke eine bestimmte Fragetechnik und eine gewisse Systematik im Gesprächsaufbau nötig - "auch weil Messegespräche nicht endlos dauern sollten. Schließlich sollen die Standmitarbeiter möglichst viele qualifizierte Gespräche führen."

Tipps für IT-Profis im Kundengespräch und Beratung
Was IT-Experten im Kundengespräch beachten müssen
Der Softwarevertrieb ist heute ohne das Wissen eines IT-Experten kaum mehr möglich. Doch das Gespräch mit dem Kunden will für Informatiker gelernt sein. Folgende Tipps zeigen, wie IT-Fachleute im Verkaufsgespräch optimal auf den Customer eingehen.
Menschlich sein
Offen und aufrichtig sein: In der Kundenbeziehung menschlich erscheinen.
Gute Vorbereitung
Gut vorbereitet sein auf die Fragen: Was sind die wichtigen Fakten, und was sollte angesprochen werden?
Flexibilität
Flexibel reagieren: Feststellen, was der Kunde gerade in diesem Moment braucht und was ihm wichtig ist.
Kontaktaufnahme
Nicht auf den ersten Schritt des Kunden warten: Berater sollten in der Kundenbeziehung aktiv sein und von sich aus Kontakt aufnehmen.
Integrität
Integer sein: Nichts versprechen, was fachlich nicht erfüllt werden kann.
Zuhören
Zuhören und die Konzentrationsspanne verlängern: Auf den Kunden hören und nicht schon beim ersten Schlüsselwort einen fachlichen Vortrag halten oder unerbetene Ratschläge erteilen.
Richtiges Antwortverhalten
Nicht vorschnell antworten: Vor der Antwort überprüfen, ob der Gedanke des Kunden richtig erfasst wurde.
Ergebnisse zusammenfassen
Konkretisieren: Aus dem Gespräch konkrete To-Dos ableiten, nachverfolgen und rückmelden. Damit behält jeder den Überblick über das Besprochene.
Positive Ausstrahlung
Freude am Thema und den Menschen haben: Das erzeugt eine positive Ausstrahlung.

Schwachstelle Bedarfsermittlung

Inwieweit eine solche Systematik vorhanden ist, ermittelten die Mystery-Fair-Visitor bei ihren Besuchen des IAA-Stands. Dabei zeigte sich: Viele Standmitarbeiter präsentieren den Besuchern unmittelbar nach deren Begrüßung die Produkte des Unternehmens. Vor allem, wenn Hochbetrieb herrscht, vergessen sie zuvor zu ermitteln:

  1. Welche Funktion hat mein Gesprächspartner in seinem Unternehmen?

  2. Welchen Einfluss hat er auf die Kaufentscheidung?

  3. Welchen Bedarf hat sein Unternehmen - wann?

  4. Wie weit ist die Kaufentscheidung fortgeschritten?

  5. Mit welchen Mitbewerbern hat der Gesprächspartner Kontakt?

  6. Was gefällt ihm (nicht) an deren Angeboten?

Die Mystery-Fair-Visitor analysierten auch, ob die Standmitarbeiter die Produkte so präsentieren, dass für die Besucher deren Vorzüge für ihr Unternehmen deutlich werden. "Keine einfache Aufgabe", be-tont Klein, "denn dazu müssen die Standmitarbeiter aus den Kundeninformationen zunächst ableiten, welche Nutzenerwartung der Kunde hat und welche Leistungsmerkmale für ihn folglich wichtig sind." Vielen Standmitarbeitern fiel dies schwer - auch weil sie kaum Infomaterial zur Hand hatten, um den Besuchern die Vorzüge bestimmter technischer Lösungen bildhaft vor Augen zu führen. Für Verkaufs-leiter Zirke eine wichtige Information, zeigt sie ihm doch: "Hierauf müssen wir beim Vorbereiten von Messen stärker achten."

Gewonnene Infos besser dokumentieren

Die PS&P-Berater checkten auch, ob die Standmitarbeiter die gewonnenen Infos so dokumentieren, dass dem Besucher nach der Messe ein individuelles Angebot unterbreitet werden kann. Sie analy-sierten zudem das Auftreten der Stand-Mitarbeiter - zum Beispiel ihr nonverbales Verhalten: Signalisiert ihre Körpersprache den Besuchern eher "Ich bin für Sie da" oder "Sprich mich nicht an"? Auch wie Standmitarbeiter auf die körperlichen Signale von Kunden reagieren, untersuchten sie. Dabei stellten sie fest: Die Standmitarbeiter reagieren kaum auf die Körpersprache potenzieller Kunden. So sprachen sie zum Beispiel nur sehr selten Messebesucher an, die sich zögernd vor dem Stand auf-hielten. Selbst wenn sie auf dem Stand suchend herumirrten, wurden sie oft nicht kontaktiert.

Auch das Outfit der Standmitarbeiter nahmen die Mystery-Fair-Visitor unter die Lupe - vor allem, um zu ermitteln, ob ihr Gesamtauftritt dem Anlass "Messe" entspricht. Getestet wurden zudem ihre Englisch-Kenntnisse, da man laut Klein auf einer Messe wie der IAA "mit dem Besuch von Einkäufern aus aller Herren Länder rechnen muss".

Gegen Ende jedes Messetags erstellten die PS&P-Mitarbeiter einen Bericht, in dem sie ihre Beobachtungen zusammenfassten - auch bezogen auf die einzelnen Standmitarbeiter. Nicht um diese zu kriti-sieren, sondern um ihnen am nächsten Morgen, bevor die Messehallen ihre Pforten wieder öffneten, Tipps zu geben, was sie besser machen können. Durch dieses Vorgehen konnte der Hersteller von Autozubehör bereits während der IAA viele Schwachpunkte beheben. "Was dazu beitrug", betont Zirke, "dass der IAA-Besuch für uns ein Erfolg war". (OE)

* Der Name des Verkaufsleiters wurde auf Wunsch des Unternehmens geändert.

Bernhard Kuntz ist Inhaber und Geschäftsführer der Agentur Die PRofilBerater GmbH, Eichbergstraße 1, 64285 Darmstadt, sowie Autor der Marketingfachbücher "Die Katze im Sack verkaufen: Bildung und Beratung mit System vermarkten - offline und online", "Fette Beute für Trainer und Berater" und "Wa-rum kennt den jeder?

Kontakt: Tel.: 06151 896590, E--Mail: info@die-profilberater.de, Internet: www.die-profilberater.de

Lesetipp: 3 Tipps für eine gelungene Messekommunikation

Was Sie auf der CeBIT 2017 erwartet
Partnerland der diesjährigen CeBIT ist Japan.
eGO ist ein Elektroauto-Startup, das mittels Industrie 4.0 das kompakte Elektrofahrzeug e.GO Life entwickelt.
Die ETH Zürich präsentiert Fotokit: Einen Quadrokopter an einer Leine, der sich einfach und sicher steuern lässt.
Dank der Golftrainingsanwendung PuttView macht digital unterstützte Übung jetzt den analogen Meister.
Die PostAuto Schweiz AG bringt die automatisierten Busse von Navya mit ihrem emissionsfreien Elektroantrieb an die CeBIT.